Magersucht-Interview mit Peyman Amin

München - Lesen Sie Auszüge aus dem Bayern 3-Interview mit Model-Scout Peyman Amin ("GNTM", "Die Model WG"). So hart kritisiert er den Mager-Wahn auf dem Laufsteg:
Gegen Ende der Sendung fragt Moderatorin Brigitte Theile: „Magersucht – wie stehst Du zu diesem Thema?“
Peyman Amin: „Also das ist wirklich ein sehr schwieriges Thema. Dieses Problem gibt es nicht seit heute, sondern seit einigen Jahren. Als ich nach Paris zog, 97, da tickte die Uhr tatsächlich noch anders. Also da gab's nicht diese sogenannten Bohnenstangen auf dem Laufsteg.“
Theile: „Cindy Crawford, Heidi Klum, das waren richtige Frauen.“
Amin: „Linda Evangelista. Claudia Schiffer... Da hatte man das Problem nicht. Es ist tatsächlich erst in den letzten Jahren aufgekommen. Und ist nicht besser geworden. Und diese Tendenz ist tatsächlich erschreckend. Sehr oft werden jetzt die Agenturen zur Rechenschaft gezogen. Das finde ich nicht fair. Es sollten vielmehr die Leute sein, die die Richtung angeben, die den Ton angeben und die sich leider Gottes bis heute nicht ihrer Verantwortung bewusst sind. Das sind die großen Modedesigner. Es ist einfach so. Wenn man sich die letzte Modenschauen von Chanel und Lagerfeld angeschaut hat, da hat sich nichts geändert. Und so lange ein Herr Lagerfeld oder auch einige andere Herrschaften nicht umdenken, so lange werden wir dieses Problem haben.“
Theile: „Gab es in Deiner Zeit als aktiver Modelagent Mädels, die kamen, wo Du gesagt hast: ,Du kannst gerne wiederkommen, wenn Du drei, vier Kilo mehr hast?'“
Amin: „Es ist so, dass wir Models hatten, die plötzlich Anzeichen gezeigt haben in diese Richtung.“
Theile hakt nach: „Magersucht oder bulimisch zu sein?“
Amin: „Ja. Und da müssen alle Alarmsignale leuchten, bei einem Agenten, wenn solche Anzeichen zu sehen sind.“
Theile: „Also Du siehst ganz klar, dass das eine Verantwortlichkeit der Agenturmitarbeiter ist?“
Amin: „Ja, ich muss ja erst mal selber lernen und erfahren: welche Anzeichen gibt es dazu? Also die Sache mit dem roten Finger kannte ich bis dato nicht. Ich wusste gar nicht, dass man auf die Finger achten sollte, um Magersucht zu erkennen. Der rote Finger entsteht ja dadurch, dass halt leider Gottes die Magersüchtigen sehr häufig sich den Finger in den Hals stecken und da kommt halt viel Magensäure raus und deshalb wird die Haut am Finger angegriffen und deshalb ist der Finger dann rot. Das wusste ich bis dato nicht. Und das ist das eine. Das andere sind natürlich auch psychische Merkmale, wenn plötzlich absolute Depression vorhanden ist oder ähnliches.“
Theile: „Also Du hast dann gesagt: Mädel, Du hast da ein Problem. Such Dir jemanden, der Dir hilft?“
Amin: „Genau, ja. Also der erste Schritt war, wenn ich so etwas erkannt habe, dann habe ich es einer älteren Kollegin gesagt, die quasi so diese Mutterperson personifiziert habe bei uns und sie hat dann die nächsten Schritte eingeleitet. Sie hat sich dann mit dem jeweiligen Model da unterhalten und gesagt: Du hör' mal, hier ist 'ne Telefonnummer für Dich – und so weiter und so fort.“
Theile: „Das klingt jetzt alles sehr positiv von Deiner Seite und verständnisvoll. Auf der anderen Seite hast Du aber auch so etwas gesagt wie: Die Mädels werden ja nicht zum Hungern gezwungen, die machen das freiwillig. Wenn ich jetzt so ein Model wäre (lacht) und die neben mir würde immer dünner werden und ich sehe, die kriegt die Jobs und ich krieg' sie nicht, dann fange ich doch auch und und höre auf zu essen, oder? Es ist ja kein freiwilliges Ding, sondern ich sehe: Ich kann mich nicht mehr finanzieren.“
Amin: „ Nochmal: Da muss man ganz stark differenzieren, von welchen Jobs wir sprechen. Wenn wir vom Laufsteg sprechen – vom großen Laufsteg – der Coutouriers wie ein Lagerfeld oder ein Galliano, dann ist das eine andere Schiene, als hier für einen Katalog zu arbeiten. Ich grundsätzlich hab' mich auch zurückgezogen von diesem ganzen Laufsteg-Klimbim. Das hab' ich circa zwei Jahre gemacht und hab' überhaupt keinen Gefallen daran gefunden. Nicht nur was die Magersucht betrifft, sondern überhaupt der Umgang der Menschen unter sich dort. Also das was auf dem Laufsteg zu sehen ist, kann man gar nicht durch Sport und gesunde Ernährung erreichen. Das geht leider Gottes nur durch ganz, ganz extreme Dinge.“
Theile: „Die Magersucht-Probleme und das, was Designer für Folgen bzw. damit anrichten geht leider sehr stark in die Kinderzimmer der 12-, 13-, 14-, 15-jährigen Mädels rein. Wir schreiben das Jahr 2010. Wir gehen fiktiv soweit dass wir sagen, Du hast eine 13-jährige Tochter und die hat all diese wahnsinnig dünnen Hungerhaken als Vorbilder in ihrem Zimmer hängen und die sagt: Papa ich möchte auch Model werden. Du kommst aus dieser Branche. Du kannst mir vielleicht die Türen öffnen...“
Amin: „Also, wenn in einigen Jahren, sagen wir mal: in 10, 20 Jahren, das Problem Magersucht auf dem Laufsteg immer noch so extrem ist wie jetzt – also schlimmer kann es ja nicht werden, weniger als Haut und Knochen kann man ja nicht mehr haben – wenn es so schlimm ist wie jetzt, dann würde ich meiner Tochter von Anfang an davon abraten, überhaupt irgendeinen Gedanken daran zu verlieren, auf dem Laufsteg eine Karriere zu starten.“
Das komplette Interview gibt es als Podcast zum Herunterladen im Internet unter www.bayern3.de.
Abschrift: fro