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Theaterwoche Korbach: Edertalschule spielte „Kleider machen Leute“

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Von: Karl-Hermann Völker

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Ein Model wird enttarnt: In einer externen Aufführung der Korbacher Theaterwoche auf der großen Bühne der Frankenberger Kulturhalle bot die Theater-AG der Edertalschule als Eigenproduktion eine tempogeladene Mischung von plakativem Zeigetheater und zarten Emotionen, mit schrillen Figuren zwischen Punk-Milieu und Model-Castings.
Ein Model wird enttarnt: In einer externen Aufführung der Korbacher Theaterwoche auf der großen Bühne der Frankenberger Kulturhalle bot die Theater-AG der Edertalschule als Eigenproduktion eine tempogeladene Mischung von plakativem Zeigetheater und zarten Emotionen, mit schrillen Figuren zwischen Punk-Milieu und Model-Castings. © Karl-hermann völker

„Wer bin ich, wenn ich in den Spiegel schaue? Trugbild? Leugnerin?“ Die Theater-AG der Frankenberger Edertalschule führte mit einer ganz individuellen Adaption von Gottfried Kellers „Kleider machen Leute“ die Gäste der Korbacher Theaterwoche auf ihrer ureigenen Bühne der Kulturhalle in die unbarmherzige Welt der Mode und der Models.

Frankenberg - Auf diesem Laufsteg des Lebens werden Körper vermessen, Sozialschichten durch Klamotten definiert und ganz verschiedene Spezies von Kleiderträgern wie in einem großen Mode-Zoo mit eiskalter Distanz analysiert. Geblieben ist aus Gottfried Kellers populärer Novelle von 1874 in dieser modernen Eigenproduktion der Theater-AG die Grundfrage nach Sein oder Schein, manifestiert in Kleidung und Mode, nun aber zeitgenössisch verlagert in die Welt der Social-Media und Talkshows, wo Realität und Fake verschwimmen, wo Normen durch Marktinteressen neu gesetzt werden.

Für die Rollen ihres Stücks hatten die Edertalschüler eigene Instagram-Accounts angelegt – die thematische Diskussion begann dort lange vor der Aufführung. Das vorwiegend junge Publikum der Theaterwoche reagierte hier, ganz anders als die Besucher etwa der Premiere im März, mit Insider-Wissen und viel eigener Medienerfahrung: Nicht nur für die pinkig-plappernde Parodie einer Influencerin, deutlich erkennbar aus „Bibi’s Beauty Palace“, gab es spontanen Beifall. Immer wieder wurde hier Medienwelt gespiegelt, transferiert und grotesk persifliert.

In Kleingruppen hatten sie, so auch ihr Werkstattbericht im Anschluss, ihre Themen diskutiert und ganz persönliche Einsichten einfließen lassen.

Model-Elend, Klimabedrohung und Textilproduktion

Heraus kam auf der weiträumigen Bühne mit Laufsteg ins Publikum ein schillernder, rasanter Revuewirbel mit Einzelbildern, die sich immer schneller drehten, angetrieben von Musik und Slapstick-Elementen, vor- und zurückgespulter Slow-Motion, wobei alle Problemfelder zwischen Model-Elend, Klimabedrohung und Textilproduktion in Billiglohnländern glaubhaft und mit großem persönlichem Einsatz in Szene gesetzt wurden.

Da fühlte es sich schließlich im zweiten Teil der Aufführung wohltuend an, als so viel Wirbel sich verlangsamte und in monologartige, fast lehrstückartige Aussagen mündete wie „Mir ist aufgefallen, dass wir alle wunderschön sind“.

Auch die schon von Gottfried Keller angelegte, jetzt aber ganz andere Liebesgeschichte, durch den Kleider-Betrug gefährdet, kam zu einem zarten Ende: Zwei Bräute tanzten in weißen Kleidern. Aber trotz aller so starken und schönen Bilder: Zum Schluss bohrte sich wieder ein großer, kollektiver Aufschrei ins leise Rattern von zwei Nähmaschinen.

Es gab langen, herzlichen Beifall für die Theater-AG mit den Spielleitern Thorsten Jech und Daniel Herbrich und bei der anschließenden Kritikrunde mehrfach Anerkennung für die Vielfalt der Fakten, Regieeffekte und geweckten Emotionen. „Ich war traurig, habe gelacht und war wütend bei so viel unglaublicher Dynamik auf der Bühne“, bekannte eine Teilnehmerin der Theaterwoche.

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