Das ist die Botschaft des Films „Internet. Macht. Zukunft“ von Hannah Leonie Prinzler und Andreas Sawall. Sie haben sich Gesprächspartner gesucht, die mit ihren Start-ups gerade groß einsteigen wollen in einen Markt, der üppige Rendite verspricht. Doch der Blick des Autoren-Duos richtet sich auf die Inhalte, und der Film gerät so zur Werbung für die jungen Unternehmer. Denn die malen die Welt der Zukunft mit ihren Produkten natürlich rosig.
Es klingt ja auch allzu verlockend. Das Prinzip ist einfach und anscheinend ur-demokratisch: Teilhabe und Transparenz für alle. Die Blockchain wird nochmal ausführlich erklärt, dabei ist diese Technik schon länger bekannt – durch Bitcoin. Der Wert der virtuellen Währung ist inzwischen heftigen Schwankungen unterlegen, aber das ignorieren Prinzler und Sawall weitgehend. Sie lassen lieber die Visionäre sprechen. „Man kann alles als Transaktion begreifen“, sagt Software-Spezialist Philipp Kroschke. Sein Betrieb hat früher Nummernschilder hergestellt. Jetzt entwickelt er ein System, das die Kfz-Zulassung digital regeln soll. Statt einem Dutzend Unterlagen und viel Papier also nur noch ein paar Klicks im Netz – wer hoffte darauf nicht, der schon mal ein Auto angemeldet hat?
Die Logik: Wenn ich alles als Daten definieren kann, ist es auch möglich, alles allen verfügbar zu machen. So könnte jede einzelne Tomate im Supermarkt mit Pflanzung, Herkunft und Hersteller kenntlich gemacht werden: „Jede Tomate könnte eine eigene Internet-Adresse haben“ erklärt der französische Blockchain-Spezialist Emmanuel Delerm. So könnten Verbraucher*innen per Handy alles überprüfen – ob dabei auch über die schändlichen Arbeitsbedingungen in den spanischen Treibhäusern informiert werden wird? Wohl eher nicht.
Besonders attraktiv für die Öffentlichkeit sind die Veränderungen in der Mobilität. Peter Schiele, Software-Entwickler bei BMW, weiß: „Jedes Auto ist heute schon ein fahrender Computer“. Und sein Kollege Falk Schubert demonstriert auf der A9 bei 80 km/h, wie weit man heute schon ist bei den selbstfahrenden Autos. Noch höher, schneller, weiter ist man im badischen Bruchsal. Dort arbeitet Alexander Zosel an einem Transportmittel, das Dorothee Bär, Staatsministerin für Digitalisierung, immer gerne als Beispiel für die schöne neue Mobilitätswelt propagiert hatte: das Lufttaxi. Sein Produkt ging vor dreieinhalb Jahren in Dubai erstmals in die Luft und sieht inzwischen schon serienreif aus.
Die Verkehrsmittel am Boden oder in der Luft sind selbstverständlich auf ein Internet mit 5G-Standard angewiesen. Und verbrauchen Strom. Die Blockchain ist extrem energieintensiv. Bitcoin etwa frisst mehr Energie als den Jahresverbrauch von ganz Dänemark. Deshalb gibt es Versuche, E-Autos als Stromverbraucher mit den Stromproduzenten zu koppeln: Was nicht genutzt wird, könnte ins E-Werk zurückfließen, erklärt Entwickler Dietrich Simmermann, der gerade einen Test mit mehr als tausend Ladesäulen laufen lässt. Und durch den Energie-Austausch zwischen Verbrauch und Produktion entstünde ein virtuelles Kraftwerk, das zudem die Netzspannung stabilisieren könnte.
Was die IT-Revolutionäre in Pulli und Fünf-Tage-Bart so alles ankündigen, klingt faszinierend – und wird wohl mehr oder weniger bald Realität. Aber vielleicht hätten Prinzler und Sawall ein wenig mehr Augenmerk auf die Schattenseiten der Technologie richten sollen. Neben dem hohen Energie-Verbrauch ist das vor allem die Gefahr der Sabotage. Täglich lesen wir von neuen Hackerangriffen. In diesem Film sind die Attacken nicht mehr als eine Randnotiz. Aber wenn die Blockchain per Virus lahmgelegt werden kann, fällt sie in sich zusammen wie ein Kartenhaus. Das zu verhindern, braucht es ebenfalls Visionäre.
„Internet. Macht. Zukunft“ in der Mediathek von Arte und auf Sendung Samstag, 29. August, 21.45 Uhr.