Modernisierungs-Initiative: "Frischer Wind" für die Jugendherbergen

Waldeck-Frankenberg – "Frischen Wind" will der hessische Landesverband des Deutschen Jugendherbergswerks in seine 32 Jugendherbergen bringen: Er investiert rund zwölf Millionen Euro. Auch die vier Häuser im Kreis profitieren von der Modernisierungs-Initiative.
Die Jugendherbergen in Hessen verzeichneten im vergangenen Jahr rund 698.000 Übernachtungen – das ist ein ein Rückgang um 6,9 Prozent. Bei den vier Herbergen im Kreis waren die Einbußen zum Teil niedriger, so kam Waldeck auf 3,2 Prozent.
Das Deutsche Jugendherbergswerk zählte 2018 bundesweit rund zehn Millionen Übernachtungen, ein Minus von 2,6 Prozent.
Den größten Anteil bei den Gästen hatten mit 38 Prozent Schulklassen. Mit 20 Prozent folgten Familien und mit fast 18 Prozent Freizeitgruppen.
Der hessische Landesverband betreibt 32 Jugendherbergen. In Nordhessen sind es neun, in Waldeck-Frankenberg vier.
Modernisierungs-Initiative gestartet
Der Vorstandsvorsitzende des Landesverbands, Timo Neumann, ist trotz der Rückgänge optimistisch: Es wehe ein „frischer Wind“, die von dem seit 2017 amtierenden Vorstand gestartete Modernisierungs-Initiative zeige bereits Wirkung: Für dieses Jahr lägen deutlich mehr Vorbuchungen vor als 2018.
Die Lage will er aber nicht schön reden: „In vielen Häusern brauchte es Entschlossenheit, um den Staub vergangener Jahrzehnte abzuschütteln“, sagt Neumann. „Die meisten Objekte haben eine hervorragende Lage, aber viele haben Modernisierungsbedarf.“
„Masterplan“ für alle Häuser
Nach einer kritischen Analyse aller Standorte habe der Vorstand einen „Masterplan“ zur Entwicklung der Häuser ausgearbeitet, zahlreiche Arbeiten zur „Optimierung und Qualitätssicherung“ seien bereits eingeleitet. Was auch einer der Gründe für den Rückgang der Übernachtungen 2018 sei: Es habe einige Schließungen für eine Sanierung oder Umbauten im laufenden Betrieb gegeben. So hätten in der Frankfurter Jugendherberge wegen Umbaus nur etwa 200 der 400 Betten bereit gestanden.
Allein in diesem und dem nächsten Jahr will der Verband rund zwölf Millionen Euro in sein Sanierungs- und Umbauprogramm investieren. Zum Teil finanziere das hessische Sozialministerium die Arbeiten. „Ohne eine Förderung kann der Verband den Investitionsbedarf nicht stemmen.“
Auch im Kreis stehen noch weitere Modernisierungen an, darunter in Willingen. Auch neue, auf die einzelnen Häuser passgenau zugeschnittene Freizeit- und Bildungsabgebote soll es geben. In allen Einrichtungen sollen Online-Buchungen möglich sein. Die Lage im Kreis:
Jugendherberge Willingen
In Schwalefeld, am Rande des Naturparks Diemelsee und direkt am Uplandsteig, leitet Tino Herbst die Jugendherberge Willingen.

Gründung: 1953 erbaut.
Ausstattung: 104 Betten in 2- bis 6-Bettzimmern. Drei Gemeinschaftsräume.
Übernachtungen im Vorjahr: 12 097, das sind 6,9 Prozent weniger als 2017.
Status: „In Willingen liegen die Aufgaben der Modernisierung noch vor uns“, sagt Timo Neumann. „Erste Konzepte und Kalkulationen dafür werden 2019 erarbeitet.“
Jugendherberge Korbach
Die Jugendherberge am Enser Tor in der Altstadt leitet ebenfalls Tino Herbst.

Gründung: 1927, am jetzigen Standort seit 1985.
Ausstattung: 128 Betten in 30 Zimmern mit zwei bis sechs Betten. Zwei Zimmer mit Dusche und WC für behinderte Menschen. Vier Gemeinschaftsräume.
Übernachtungen im Vorjahr: 15 512, rund 6,5 Prozent weniger als 2017.
Status: „Das Haus hat einen guten Standard“, sagt Neumann. Es sei zuletzt vor zehn Jahren renoviert worden.
Der Vorstand will zum Jahreswechsel wieder getrennte Hausleitungen für Willingen und Korbach einführen.
Jugendherberge Waldeck
Die Jugendherberge am Nordufer des Edersees leiten Elke Thieler-Mattke und Frank Mattke.

Gründung: 1960.
Ausstattung: 163 Betten in 2- bis 6-Bettzimmern, 18 Zimmer mit Dusche und WC. Vier Gemeinschaftsräume. Ein Zeltplatz.
Übernachtungen im Vorjahr: 20 496, macht 3,2 Prozent weniger als 2017. Damit liege das Haus nah am Bundestrend mit einem Minus von 2,6 Prozent, merkt Neumann an.
Die Vorbuchungen für 2018 seien „sehr positiv“.
Status: Das Haus sei für ein Pilotprojekt ausgewählt worden, um ein „ganzheitliches Farb- und Gestaltungskonzept“ für Jugendherbergen zu entwickeln, berichtet Neumann. Dazu hätten Hinweise der Gäste geführt. Bis Mitte März werden nach dem Konzept neue Sanitärräume geschaffen, die Arbeiten laufen seit zwei Monaten. Die neuen, modernen Duschkabinen sollen mehr Privatsphäre bieten und besonderes gestaltet werden. Die im Wildpark in der Nähe der Jugendherberge lebenden Wölfe seien Inspiration gewesen, um sie als Motiv aufzunehmen: „Der Wolf zieht in Waldeck ein.“
Jugendherberge „Hohe Fahrt“
In Asel am Nordufer der Edertalsperre leitet Florian Friedrich seit März die Jugendherberge „Hohe Fahrt“. Er hat die Hauseltern Ursula und Wolfgang Schröder abgelöst, die in den Ruhestand gegangen sind. „Sie waren 29 Jahre die guten Seelen des Hauses“, betont Neumann.

Gründung: 1953.
Ausstattung: 230 Betten in 51 Zimmern. 130 Betten in 22 Zimmern liegen im Hauptgebäude, 100 Betten stehen in 29 Holzhäusern. Sieben Tagesräume, zwei Speiseräume.
Übernachtungen im Vorjahr: 22 331, das sind 5,3 Prozent weniger als 2017.
„Die Vorbuchungen für 2019 sind äußerst positiv, so dass Zahlen von 2017 durchaus wieder erreicht werden können", merkt Neumann an.
Status: 2018 gebe neue Produkte und Programme, sagte Neumann. „Es tut sich viel in der Außenanlage.“ So stünden demnächst hauseigene Kanus zur Verfügung, die Sport- und Freizeitmöglichkeiten würden attraktiver.
Weitere Anbieter im Kreis:
Im Kreis gibt es weitere Übernachtungsmöglichkeiten für Jugendgruppen, darunter
- die vom NABU-Landesverband, der Kreishandwerkerschaft und dem Kreis Waldeck-Frankenberg getragene Jugendburg Hessenstein, die bis 2007 zum Jugendherbergswerk gehörte,
- das bis 2002 vom Frankenberger DRK-Kreisverband betriebene und dann verpachtete Ferienzentrum „Albert Schweitzer“ in Asel/Süd,
- das Sport-, Natur- und Erlebniscamp Edersee der hessischen Sportjugend im Breitenbachtal bei Harbshausen sowie
- der Jugendzeltplatz des Naturparks Diemelsee direkt am Stausee.
110 Jahre alte Geschichte
Die Einrichtung von Jugendherbergen geht auf den Lehrer Richard Schirrmann zurück, der 1903 nach Altena im Sauerland versetzt worden war. In dieser Zeit blühten die Reformpädagogik und die Jugendbewegung auf – in ganz Deutschland fanden die „Wandervögel“ Zulauf, die große Touren unternahmen.
In Arolsen gründete der Gymnasialehrer Prof. Gustav Schmidt 1909 die wohl erste „Wandervogel“-Gruppe im Fürstentum Waldeck. Nach einem Bundestreffen 1910 in Arolsen bildeten sich auch in Korbach und Bad Wildungen Gruppen.

Bei einer einwöchigen Wanderung durchs Sauerland geriet Schirrmann 1909 mit seiner Klasse in ein Unwetter, eilig suchte er eine schützende Herberge, was nicht einfach war. So kam er auf die Idee, ein Netz aus günstigen Unterkünften für „die gesamte deutsche Jugend“ einzurichten.
In Zusammenarbeit mit dem Sauerländischen Gebirgsverein gründete er noch 1909 das Deutsche Jugendherbergswerk. Auch Gustav Schmidt engagierte sich dort. Zunächst wurden Schulen, Turnhallen, Scheunen, Gasthöfe oder alte Burgen bei Bedarf genutzt, 1912 wurde in der Burg Altena die erste ständige Jugendherberge eröffnet.
Erste Herbergen in Waldeck und Frankenberg
Nach dem Ersten Weltkrieg breitete sich die Bewegung rasch aus. 1922 richtete das Deutsche Jugendherbergswerk in der 1342 vom hessischen Landgrafen Heinrich erbauten Burg Hessenstein bei Ederbringhausen die erste Jugendherberge in Hessen ein.
Im selben Jahr wurde in Frankenberg der Saal der Kleinkindschule als sporadische Herberge bereitgestellt. 1927 kaufte der Verband ein Patrizierhaus an der Neuen Gasse, in dem bis 1976 eine Jugendherberge bestand.
Ebenfalls 1927 entstand in Korbach eine Jugendherberge. Die Stadt kaufte dafür das Steinhaus in der Violinenstraße und richtete es her. Weil es zu klein wurde, zog die Herberge 1955 ins heutige „Haus der Musik“ in der Lengefelder Straße um. Wieder wurde es eng, 1985 bezog sie das frei gewordene Seniorenheim am Enser Tor. Der im Sommer 1868 vollendete und 1910 erweiterte Bau diente einst als „Hospital“ für betagte arme Korbacher.
1932 gab es in ganz Deutschland bereits 2123 Jugendherbergen mit mehr als 4,5 Millionen Übernachtungen. Auch in Nachbarländern fand die Bewegung Anklang.
Die Nationalsozialisten gliederten den Verband in die Hitlerjugend ein und bauten bis zum Kriegsausbruch 1939 an die 400 neue Herbergen.
Nach 1945 wurden die Vereinsstrukturen wieder hergestellt. 1960 erreichte das Herbergswesen einen Rekord: Die 563 Einrichtungen in Westdeutschland verbuchten insgesamt 11,3 Millionen Übernachtungen.
Bundesweit bestehen 470 Herbergen
Im vorigen Jahr gab es bundesweit noch 470 Herbergen. Damit ist das Deutsche Jugendherbergswerk mit Sitz in Detmold der weltweit größte nationale Verband.
Es versteht sich als einer der größten Reiseanbieter Deutschlands. Vielen kennen Jugendherbergen als Ziel von Schulklassen und anderen Kinder- und Jugendgruppen, die Freizeiten und Tagungen unternehmen. Aber auch viele Familien haben die günstigen Unterkunftsmöglichkeiten für sich entdeckt.
Um in einer Jugendherberge übernachten zu können, müssen Gäste Mitglied im Verband werden. Der hessische Landesverband hat derzeit mehr als 205 000 Mitglieder.