Was tun gegen "Rücken"?

„Ich habe Rücken!“ Der Ausruf des neurotischen Journalisten Horst Schlämmer (Hape Kerkeling) im Film amüsierte Millionen. Zum Lachen ist den Betroffenen jedoch kaum zumute. Die Schmerzen können auf einen Bandscheibenvorfall hinweisen.
Welche Symptome dafür sprechen und wie die Behandlung aussieht, erklären Guido Hoffmann, Facharzt für Neurochirurgie und Leiter des Wirbelsäulenzentrums im Stadtkrankenhaus Korbach und sein Stellvertreter Zafar Noman. und Zafar Noman.

Was ist ein Bandscheibenvorfall? Und wie zeigt er sich?
Hoffmann: Bei einem Bandscheibenvorfall tritt Kernmasse über einen Riss des bindegewebigen Außenrings aus der Bandscheibe aus. Dadurch kann es nach Lokalisation zur Beeinträchtigung von Nervenwurzeln oder dem Rückenmark kommen. Symptome können Nacken-Armschmerzen oder Rücken-Beinschmerzen bis hin zu Lähmungen in Armen oder Beinen, Sensibilitätsstörungen sein oder es kann sogar zur Querschnittslähmung kommen.
Zur Krankheitsursache: Wie stark sind die Einflüsse Alter, Geschlecht, Vererbung?
Zafar: Der Bandscheibenvorfall stellt eine Form der Alterung der Bandscheibe oder auch eine Abnutzung dar. Dies ist eigentlich ein physiologischen Prozess.
Risikofaktoren sind aus meiner Sicht eine Bindegewebsschwäche, Überlastungen oder Fehlbelastungen der Wirbelsäule und mangelhafte Entlastung der Wirbelsäule durch ein schwaches Muskelsystem.

Welche Lebensweise erhöht das Risiko der Erkrankung?
Zafar: Übergewicht und fehlende Bewegung sind sicher negative Voraussetzungen und erhöhen das Risiko für einen Bandscheibenvorfall.
Stichwort Bewegung: Welche Sportarten und Fitnessübungen empfehlen Sie, um im Alltag effektiv vorzubeugen?
Zafar: Ziel der Bewegung und von sportlichen Aktivitäten ist sicher die Kräftigung der Rücken- und Bauchmuskulatur, um die normale Haltung der Wirbelsäule wieder herzustellen und den knöchernen sowie Bandscheibenapparat zu entlasten. Sinnvoll ist meiner Meinung nach Rückengymnastik oder Schwimmen. Auch Gerätetraining unter Aufsicht eines wirbelsäulenerfahrenen Physiotherapeuten kann hilfreich sein.
Welche Therapiemöglichkeiten kommen in Frage? In welchen Fällen muss eine Operation erfolgen? Und in welchen reichen minimalinvasive Methoden?
Hoffmann: Zunächst sollte nach Nervenausfällen gesucht werden. Fehlen diese, sollte eine konservative Behandlung mit entzündungshemmenden Schmerzmitteln, physiotherapeutischen sowie physikalischen Maßnahmen und Sport begonnen werden. Bei neurologischen Ausfällen im Sinne von Lähmungen oder Querschnittslähmung ergibt sich aus neurochirurgischer Sicht eine Notfallindikation für eine Operation. Diese kann in den meisten Fällen minimalinvasiv, das heißt, über kleine Hautschnitte und mikrochirurgisch also mit Hilfe eines Operationsmikroskopes sowie von feinen Instrumenten erfolgen. Ziel der Operation wäre die Entfernung des Vorfalles und Entlastung der Nerven. Auch eine fehlgeschlagene konservative Behandlung kann zu einer OP-Indikation führen.
Wieviele Operationen führen Sie jährlich am Stadtkrankenhaus Korbach durch?
Hoffmann: Im Jahr 2017 wurden im Krankenhaus Korbach über 400 reine Wirbelsäulenoperationen durchgeführt. Hierbei werden Operationen an allen drei Abschnitten der Wirbelsäule vorgenommen. Neben Bandscheibenvorfällen werden auch Stenosen des Wirbelkanals, Fehlhaltungen, Deformitäten, Wirbelbrüche, Instabilitäten, Gleitwirbel, Tumoren und Entzündungen behandelt. Dabei kommt neben dem Operationsmikroskop auch ein 3D-Scan sowie eine Navigation, also eine Zielhilfe, zum Einsatz. Bei einigen Operationen werden auch Titanimplantate eingesetzt.
Die meisten Operationen werden an der Lendenwirbelsäule, gefolgt von der Halswirbelsäule vorgenommen.
Was passiert bei einer Operation? Welches Material setzen Sie dabei ein?
Hoffmann: Bei einer Operation wird über einen minimalinvasiven Zugang der Bandscheibenvorfall entfernt. Bei sehr großem Riss im Bandscheibenaußenring wird zusätzlich ein Bandscheibenverschluss eingesetzt, der einen erneuten Bandscheibenvorfall an gleicher Stelle verhindern soll. Im Halswirbelsäulenbereich wird häufig von vorn operiert und die komplette Bandscheibe entfernt. Diese wird danach durch eine Bandscheibenprothese oder einen Platzhalter aus Titan ersetzt. Man sichert den Platzhalter zusätzlich durch eine Titanplatte.

Wie sieht die Nachbehandlung aus, um einen Rückfall zu verhindern?
Zafar: In der Nachbehandlung legen wir großes Augenmerk auf rückengerechtes Verhalten, welches im Rahmen der Rückenschule den Patienten vermittelt wird. Dabei sollen die Patienten die Wirbelsäule nicht verdrehen.
Außerdem empfehlen wir nach Operationen eine Rehabilitationsmaßnahme, um eine ausreichende physiotherapeutische Nachbehandlung zu gewährleisten.
Wir gehen von einer Schonfrist von etwa sechs bis acht Wochen nach einer Operation aus. Danach sollten Patienten schon aus prophylaktischen Erwägungen eine Sportart zur Kräftigung der Rückenmuskulatur permanent weiter betreiben. /Achim Rosdorff