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Schöffenwahl: Auch in Waldeck-Frankenberg werden ehrenamtliche Richter gesucht

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Von: Philipp Daum

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Sein Platz befindet sich direkt neben dem des Berufsrichters: Christian Behle aus Ottlar ist seit fast zehn Jahren Schöffe am Amtsgericht in Korbach.
Sein Platz befindet sich direkt neben dem des Berufsrichters: Christian Behle aus Ottlar ist seit fast zehn Jahren Schöffe am Amtsgericht in Korbach. © Philipp Daum

Es ist ein Ehrenamt, bei dem man auch ohne Richterrobe Recht sprechen kann: In Deutschland werden derzeit Schöffinnen und Schöffen gesucht. Auch in Waldeck-Frankenberg rufen Städte und Gemeinden dazu auf, sich als ehrenamtlicher Richter zu bewerben – die neue Amtsperiode beginnt am 1. Januar 2024 und läuft fünf Jahre.

„Wir erhalten die Vorschlagslisten aus den Kommunen und wählen daraus die Schöffen. Es ist gut, wenn sich viele Menschen bewerben – denn das Schöffenamt ist für die Wahrheitsfindung von elementarer Bedeutung“, sagt Dr. Patricia Peter, Richterin am Amtsgericht Korbach.

„Das Schöffenamt ist anspruchsvoll und zum Teil auch zeitintensiv – je nachdem, wie lange ein Verhandlung im Gericht dauert. Es ist deshalb nicht immer leicht, Menschen zu finden, die das Ehrenamt ausüben wollen“, berichtet Iris Borutta, Vorsitzende des Landesverbandes ehrenamtlicher Richterinnen und Richter in Hessen. Die Aufgaben der Schöffen seien aber vielseitig. „Sie übernehme Verantwortung und wirke bei der Wahrheitsfindung sowie Rechtssprechung unmittelbar mit“, so Dr. Peter.

Michael Schmädecke vom Bundesverband ehrenamtlicher Richterinnen und Richter sagt: „Die Möglichkeiten, Lebenserfahrung, Menschenkenntnis, soziale Kompetenz, logisches Denkvermögen und Intuition in ein Ehrenamt einzubringen, ist für viele Bürgerinnen und Bürger ein lohnender Antrieb, sich für das Schöffenamt zu bewerben.“

In Hessen gibt es laut Landesregierung aktuell 1843 Schöffen sowie 823 Jugendschöffen. Hinzu kommen 1051 Ersatzschöffen sowie 586 Jugendersatzschöffen. Es werden in Hessen dieses Jahr wieder rund 4200 Personen für das Schöffenamt benötigt.

Hessens Justizminister Roman Poseck erklärt, dass ein funktionierendes Gemeinwesen ohne das Engagement vieler Ehrenamtlicher nicht denkbar sei. „Auch die Justiz kommt ohne den engagierten Einsatz ehrenamtlich tätiger Bürgerinnen und Bürger nicht aus“, betont er. Die Mitwirkung der Schöffen habe in der deutschen Rechtskultur eine lange Tradition.

Schöffen seien – genau wie Berufsrichter – unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen. „Ihre Stimme zählt gleichermaßen wie die der Berufsrichterinnen und Berufsrichter. Im Strafverfahren stimmen sie also mit gleicher Stimme über Schuld und Unschuld und setzen gemeinsam und in gleicher Verantwortung die Strafe fest“, sagt der Minister.

„Hier kann ich mitbestimmen“

Einer der Schöffen in Waldeck-Frankenberg ist Christian Behle aus Ottlar. Den Satz „Im Namen des Volkes ergeht folgendes Urteil“ hört er seit nunmehr fast zehn Jahren, wenn er als Schöffe im Verhandlungssaal des Korbacher Amtsgerichtes sitzt und ein Prozess kurz vor dem Abschluss steht. „Genau darauf kommt es an“, sagt der 57-Jährige Ottlarer, der , der im Hauptberuf als Bankkaufmann tätig ist. Durch die Schöffen werde die Stimme des Volkes umfassend repräsentiert. Es sei nämlich nicht der Richter alleine, der das Urteil spreche. „Bei der Urteilsverkündung heißt es ja auch immer: Das Gericht hat entschieden“, betont Christian Behle, der damit deutlich macht, dass jede Entscheidung über die Schuld des Angeklagten stets eine Gemeinschaftsaufgabe sei.

„Wir verfolgen zusammen mit dem Berufsrichter oder der Berufsrichterin das Strafverfahren und haben in der Verhandlung auch ein Fragerecht. Wir sind im Prozess also gleichberechtigt und können den Berufsrichter später auch überstimmen“, berichtet Behle. Das komme zwar nicht so häufig vor, sei aber auch nicht ausgeschlossen – gerade bei der Festsetzung des Strafmaßes gebe es immer mal wieder unterschiedliche Auffassungen. „Diskussionen sind bei der Urteilsfindung im Richterzimmer sehr wichtig, um zu einer gerechten Beurteilung zu kommen“, betont der Ottlarer.

Christian Behle – das steht fest – ist mit Begeisterung dabei, wenn er sein Ehrenamt ausübt. Auch für die ab 1. Januar 2024 beginnende neue Amtsperiode würde er sich wieder bewerben, wenn er es denn dürfte. Eine dritte Amtsperiode in Folge ist allerdings nicht erlaubt, Behle muss daher pausieren.

„Ich wurde damals gefragt, ob ich Schöffe werden möchte. Bereut habe ich es nie, obwohl ich noch andere Ehrenämter habe. Aber das Schöffenamt lässt sich gut mit meinen anderen Aufgaben vereinbaren – mein Arbeitgeber, die Waldecker Bank, steht auch voll dahinter und stellt mich ohne Probleme für die Termine im Gericht frei.“

Die ehrenamtliche Arbeit als Schöffe habe seinen Horizont erweitert, berichtet der 57-Jährige. In den vielen Jahren als ehrenamtlicher Richter habe er auch sehr viel über rechtliche Zusammenhänge gelernt. „Das Schöffenamt bietet einem zudem die Möglichkeit, mitbestimmen zu können. Meine Meinung ist hier gefragt.“ Das sei alles zusammengenommen hochinteressant und mache den Reiz dieses Ehrenamtes aus.

Christian Behle ist gerne im Gerichtssaal. Dort hat er auch immer seinen angestammten Platz rechts neben dem Stuhl des Vorsitzenden. „Der Berufsrichter muss sehr viel beachten – vor allem auch, wenn es um rechtliche Fragen geht. Im Verhör ist er zudem auf die Person fixiert, die er intensiv befragt. Wir als Schöffen nehmen in diesen Momenten aber noch andere Dinge im Gerichtssaal wahr“, sagt der Ottlarer. Wenn der Berufsrichter zum Beispiel einen Zeugen befrage, sei es für die Schöffen parallel möglich, auf die unmittelbare Reaktionen des Angeklagten zu achten. „Unsere Aufgabe besteht letztlich darin, uns ein genaues Bild zu machen und zu entscheiden, wem wir glauben und wem nicht. Da spielen die Atmosphäre im Gerichtssaal und viele kleine Details eine wichtige Rolle“, sagt der Ottlarer.

Außerdem habe der Richter vor Prozessbeginn Akteneinsicht, die Schöffen dagegen nicht. Da das Urteil am Ende aber aus den Erkenntnissen in der Hauptverhandlung geschöpft werde, sei die Einschätzung der Schöffen so eminent wichtig. „Das Urteil ist ein Gesamtpaket, das sich aus der Teamarbeit zwischen Berufsrichter und Schöffen ergibt“, sagt Behle.

Wer mindestens 25 Jahre alt ist, kann Schöffe sein

Ab wann und wo genau kann man bewerben, wenn man Schöffe werden will?

Die Wahl läuft seit Jahresbeginn, Städte und Gemeinden rufen dazu auf. „Jede Kommune ist da eigenständig. Bewerben sollten sich jetzt alle, die wollen. Absagen werden auch mitgeteilt“, sagt Iris Borutta, Vorsitzende der Vereinigung ehrenamtlicher Richterinnen und Richter, Landesverband Hessen. Sie empfiehlt potenziellen Bewerbern, sich direkt bei der Stadt oder Gemeinde zu erkundigen. Der Wahlvorgang in dieser ersten Stufe könne je nach Kommune bis März oder Juni dauern. „In aller Regel geben die Verwaltungen nicht nur das Info-Material heraus, sondern händigen auch die Bewerbungsbögen aus“, sagt Iris Borutta. Bewerbungsformulare für das Schöffenamt und das Jugendschöffenamt sind aber auch im Internet abrufbar unter: schoeffenwahl2023.de

Wie geht die Schöffenwahl anschließend weiter?

Nach dem Aufruf erstellen die Stadt- und Gemeindeparlamente sowie die Jugendhilfeausschüsse Vorschlagslisten mit den Kandidaten für die Schöffen- und Jugendschöffengerichte. Diese werden von der Kommune an den Wahlausschuss des zuständigen Amtsgerichtes weitergeleitet. Dort werden 50 Prozent der auf den gesamten Vorschlagslisten aufgeführten Kandidaten für das Schöffenamt ausgewählt.

Justitia – Göttin der Gerechtigkeit: Wer Schöffe werden will und bei der Rechtssprechung unmittelbar mitwirken will, kann sich jetzt bewerben.
Justitia – Göttin der Gerechtigkeit: Wer Schöffe werden will und bei der Rechtssprechung unmittelbar mitwirken will, kann sich jetzt bewerben. ©  David Ebener/dpa

Wer kann Schöffe werden?

Schöffen müssen die deutsche Staatsbürgerschaft haben sowie mit Beginn der neuen, fünfjährigen Amtsperiode (1. Januar 2024 bis 31. Dezember 2028) mindestens 25 und unter 70 Jahre alt sein. Außerdem müssen die Bewerber straffrei, vorurteilsfrei und verantwortungsbewusst sein. Meinungsstärke und Überzeugungsfähigkeit sind weitere Attribute. Eine erzieherische Erfahrung mit Heranwachsenden ist vor allem für das Jugendschöffenamt sinnvoll.

Wie lässt sich das Ehrenamt des Schöffen mit dem Beruf verbinden – und gibt es eine Entlohnung?

Der Arbeitgeber muss Schöffen für die Zeit der Sitzungstage frei, eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses wegen der Ausübung des Amtes ist nicht erlaubt. Schöffen erhalten kein Entgelt, dafür aber eine Entschädigung für Verdienstausfall, Zeitversäumnis und Fahrtkosten.

Wie zeitintensiv ist das Schöffenamt?

Zwölf Sitzungstage im Jahr sind laut Gesetz vorgesehen. Sitzungstag bedeutet allerdings nicht Verhandlungstag. Eine Sitzung kann aus mehreren Verhandlungstagen bestehen. Das heißt, es kann sein, dass Schöffen mehr als zwölf Tage am Gericht erscheinen müssen. Wenn man als Hauptschöffe gewählt wurde, werden die Sitzungstage für ein Jahr im Voraus festgelegt. Als Ersatzschöffe wird man bei Bedarf herangezogen.

Mehr Infos zum Schöffenamt und zur Wahl gibt es hier.

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