Er kritisiert, dass der hessische Aktionsplan „Solidarität mit der Ukraine“ aus seiner Sicht noch nicht gegriffen habe. Er fragt nach den versprochenen „unbürokratischen“ Hilfen: „Was wird geleistet? Welche Lösungen gibt es?“ Antworten des Sozialministeriums auf Fragen unserer Zeitung dazu stehen noch aus.
Fast drei Monate nach der Ankunft der ersten Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine haben manche noch keine Geldleistungen erhalten, die ihnen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zustünden. Zwei Ukrainerinnen, die seit dem 9. März hier seien, hätten außer jeweils 400 Euro von der Stadt noch keine Leistungen bekommen. Die privaten Gastgeber müssten für Essen und andere alltägliche Dinge zahlen. Sogar für ärztliche Leistungen habe Michael Ahls Rechnungen beglichen, da die Geflüchteten noch nicht krankenversichert seien. Der Kreis würde 40 Euro pro untergebrachte Person für die Nebenkosten zahlen, doch das ist aus der Sicht von Michael Ahls nur ein Tropfen auf den heißen Stein.
Er erwartet keine finanzielle Entschädigung für die Hilfe, die er gerne leistet. Er wünscht sich nur ein schnelleres und effektiveres Vorgehen vonseiten der Behörden.
„Die riesige Euphorie lässt nach“, sagt der Bürgermeister von Diemelstadt, Elmar Schröder. „Ich hatte von Anfang an die Sorge, dass die Menschen, die privaten Wohnraum bereitstellen, langfristig an ihre Grenzen kommen.“ Er findet auch, dass der Landkreis „nicht schnell genug zahlt“. Die Stadt habe daher weiteres Geld an die Flüchtlinge ausgezahlt.
Geflüchteten aus der Ukraine stehen in Deutschland bestimmte Leistungen und Rechte nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu. Bei der Anmeldung bei den Städten und Gemeinden erhalten Flüchtlinge einen finanziellen Vorschuss, oft 200 Euro. Zur finanziellen Not der Flüchtlinge äußert sich der Kreis wie folgt: „Reicht diese erste Zahlung nicht aus, um die Wartezeit bis zur Fiktionsbescheinigung zu überbrücken, können sie von den Kommunen – nach Rücksprache mit dem Landkreis – auch weitere Zahlungen im Rahmen der geltenden Regelungen bekommen, die später – sobald der Antrag auf Unterstützungsleistungen bewilligt ist – verrechnet werden. Leistungen werden dabei auch rückwirkend vom Zeitpunkt der Antragsstellung gezahlt.“
Wie lange es bis zur Bewilligung dauert, hänge von verschiedenen Faktoren ab: beispielsweise von der Vollständigkeit des Antrags und der Unterlagen, ob bereits ein Konto eröffnet wurde, auf das das Geld überwiesen werden kann und auch vom Arbeitsaufkommen in der Verwaltung.
„Viele Schwierigkeiten entstehen, weil die Behörden schlecht vernetzt zu sein scheinen.“ So ist die Erfahrung der Ehrenamtlichen, die im Johannesbezirk der evangelischen Kirche in Korbach Treffen für ukrainische Flüchtlinge organisieren. Sie fragen sich: „Wie geht es nach den Behördengängen weiter?“ Und beklagen: „Den Ehrenamtlichen fehlt ein Fahrplan.“
Zwei Korbacher, die zwei Ukrainer privat aufgenommen hatten, kritisieren die lange Bearbeitungsdauer auf dem Amt ebenfalls. Hinzu kamen in ihrem Fall oft Missverständnisse wegen Sprachbarrieren. Ein weiteres „arges Problem“ sei der Umgang mit Kriegserlebnissen gewesen. „Sollten wir die Menschen mit ihren Erinnerungen konfrontieren oder sollten wir sie eher in Ruhe lassen?“ Außerdem haderten die Ukrainer nun mit dem Gefühl, sozial abgestiegen zu sein.
Diemelstadt beispielsweise will aufgrund solcher Herausforderungen in den nächsten Monaten ein Integrationsbüro einrichten.
Dringend benötigt würden mehr Deutschkurse, sagt Michael Ahls, damit die Erwachsenen die Sprache lernen und einen Beruf ausüben können. Zwar wollten viele zurück in ihre Heimat. Doch wann das möglich sein wird, weiß niemand. Die Kreisvolkshochschule (Vhs) bietet bereits im Auftrag des Landkreises Deutschkurse an. „Allerdings können wir die Nachfrage nicht zu hundert Prozent decken, auch nicht in allen Orten“, erklärt Manuel Wolf, Direktor der Vhs. Das Problem sei, dass es zu wenige adäquate Kursleiter gebe.
Kinder und Jugendliche haben es nach den Erfahrungen mancher Flüchtlingshelfer etwas einfacher, sofern sie eine Schule besuchen, die Intensiv-Sprachkurse anbietet. Hier gebe es durchaus gute Beispiele.
Dagegen hakt es aber noch bei Betreuungsangeboten für Kinder im Kita-Alter. Das bestätigt Christian Rehkate vom Zweckverband Evangelischer Kindertagesstätten Nordwaldeck: „Wir möchten diese Kinder gerne aufnehmen, weil es für die Integration so wichtig ist. Allerdings sind die Einrichtungen zu stark ausgelastet. Ukrainische Kinder sofort aufzunehmen, während andere schon lange auf der Warteliste stehen, wäre den Eltern nicht zu vermitteln.“ (Stefanie Rösner)