Berlin hat aber eben auch etwas Geheimnisvolles und auch etwas Offenes. Das ist, glaube ich, das, was mich in Berlin am meisten fasziniert, dass es so eine offene Stadt ist. Man kommt in ganz viele verschiedene Szenen rein, man kann sich hier in so eine Eckkneipe setzen. Als ich nach Neukölln kam, waren Studenten schon irgendwie exotisch. Heute schaut keiner mehr so richtig. Man wird geduldet.
Berlin hat was Düsteres. Berlin hat aber eben auch etwas Geheimnisvolles und auch etwas Offenes.
Hier geht es zur Besprechung von „Die Stunde der Hyänen“.
2022 Suhrkamp, ISBN-13 978-3-518-47300-9
Preis: Taschenbuch 16 €, E-Book, 13,99 €, 265 Seiten (abweichend vom Format)
Sie haben lange Jahre als Reisejournalist gearbeitet und auch Jugendromane geschrieben. Wie kam es zu einem Krimi?
Da bin ich wirklich gefragt worden. Über gemeinsame Freunde und so ist der Kontakt zu Thomas Wörtche, dem Herausgeber der Suhrkamp-Krimis, gekommen. So wurde ich gefragt, ob ich es probieren wollte. Das erste Buch (“Berlin Prepper” – werblicher Link) entstand durch meine Arbeit beim Tagesspiegel, wo es mein Job war, die Hasskommentare zu sortieren. Da hatte ich dann also diesen Strom und in diesem digitalen Volkszorn der Leute, das war so 2015, als das mit der AfD gerade erst anfing.
Ich fand es wirklich düster und finster in diesem Land, in dieser Ablehnung der jetzigen Verhältnisse. Ich sammelte die schlimmsten Kommentare, die wir auf der Arbeit gelöscht hatten. Am Ende hatte ich einen ganzen Stapel davon und dachte, daraus müsste ich was machen, weil das einfach noch nicht so bekannt war.
Wie hat sich die Gegend hier speziell in Kreuzberg, wo Ihr aktueller Krimi spielt, in den vergangenen letzten 20 Jahren geändert?
Sehr. Also in den 90ern bis Anfang der 2000er war es ein anderes, besseres Kreuzberg. Und die Bergmannstraße war total anders.
Gibt es das bessere Kreuzberg noch?
Ja, das gibt es. Beispielsweise am Chamisso Platz. Und die Bergmannstraße ist ja auch ein bisschen touristischer geworden.
Wie haben sich die Einwohner hier geändert?
Es hat sich in der Region unten am Landwehrkanal viel geändert. Hier gibt es noch sehr viele amerikanische, französische und englische Langzeit-Touristen, die einfach den für sie immer noch sehr preiswerten Wohnraum zu schätzen wissen. Und Neukölln ist auch so eine Szene für sich. Ich finde, früher war das irgendwie normaler, wenn man wenig Geld hatte. Und jetzt gibt es wirklich Leute, die arm sind, die nicht mal so richtig wissen, wie sie zurechtkommen sollen. Und in Kreuzberg war das nie irgendwie so. Jetzt nimmt es immer mehr zu, dass die Mittelklasse auf die anderen runterblickt. Man merkt es auch an der Zunahme von Eigentumswohnungen und SUV.
Das klingt nach einem vierten Berlin-Thriller. Ist da schon etwas geplant?
Ich habe schon Lust auf ein weiteres Buch, das in Berlin spielt. Aber auch Zürich interessiert mich als Stadt. Was da so mit Geld läuft. Da denke ich an die Figur eines Hochstaplers, der sich da so bewegt. Aber zurück nach Berlin. In Tegel gibt es eine Einrichtung der Sicherungsverwahrung, wo die Leute ihre Strafe abgesessen haben, aber sozusagen noch in Verwahrung sind. Dort haben sie aber auch mehr Rechte. So dürfen diese viermal im Jahr rauskomme und an gesellschaftlichen Dingen teilnehmen. Das könnte ich mir als interessantes Thema vorstellen.
Wie schreiben Sie? So wie Thomas Mann? Jeden Tag zu einer festen Zeit?
Bei Thomas Mann war es im Haus richtig großbürgerlich. Aber er war auch so ein geradezu zwanghafter Arbeiter. Es wurde immer von 9 bis 12 Uhr geschrieben. Dann durfte auch im Haus niemand etwas sagen. Das ist bei mir leider anders. Ich kann zu Hause nicht so richtig gut schreiben, da gibt es oft viel Ablenkung. Ich werde einfach nicht gerne gestört. Ich lasse mich auch viel zu leicht ablenken.
Gehen Sie zum Schreiben woanders hin?
Ja, ich gehe immer in die Staatsbibliothek. Da herrscht so eine angenehme Stille – eine Stille der geistigen Arbeit. Das hilft mir sehr, dass ich mich dann einfach auf meine Sachen konzentriere. Auch die Abgabetermine helfen mir. Es gibt immer zwei Fassungen. An der einen schreibe ich, die andere hat der Lektor schon mal gesehen. Ich finde es schwierig, über 250 Seiten zu schreiben. Ich bin eher so als norddeutscher Typ.
Ein Krimi sollte rasch gelesen werden, sodass man in der Spannung bleibt. Ich mag die Krimis von Simenon, die sind ja auch so um die 180 Seiten. Man ist trotzdem in einer gewissen Atmosphäre drin, eine eigene Welt. Das passt dann.
Wie lange brauchen Sie für ein Buch?
Ungefähr ein Jahr. Es gibt ja immer wieder Tage, wo etwas anderes ansteht und ich nicht zum Schreiben komme. Bei einer Schreibblockade gehe ich raus, um mich abzulenken.
Gibt es Krimiautoren, die Sie gerne lesen?
Also Patricia Highsmith mag ich sehr, weil sie eben auch sowas Moralisches hat und was unheimlich Offenes. Sie weiß, wozu Menschen fähig sind. Ein anderer Autor, den ich sehr schätze, ist George Higgins. Er ist super mit Dialogen und schreibt kurz und knapp. Das gefällt mir.
Wer sollte „Die Stunde der Hyänen“ lesen?
Ich würde sagen, es ist für Leute, die so ein bisschen das Wilde im Leben schätzen und sich auch nicht vor gefährlichen Verhältnissen scheuen.
Vielen Dank für das Interview.