Magisch: Wandern um den Monte Rosa

Gipfel und Gletscher - Das Monte-Rosa-Massiv gilt bei Liebhabern als Königin der Berge, zumindest in Europa. Vom Wallis oder auch Piemont führen Touren in die atemberaubende Gebirgslandschaft.

Das Matterhorn soll man besteigen, so lange man jung ist. “Die meisten warten zu lange“, sagt Rudi Steindl. Sie hegten ihren Traum vom Aufstieg - und plötzlich seien sie 66. Zu alt für einen Viertausender, urteilt Steindl. Er ist 51 und patentierter Bergführer seit 1987 - da sei es etwas anderes. Steindl ist durchtrainiert seit Jahrzehnten. Und er ist kein Mann, der zu viel redet. Mehr als 100 Mal war er oben auf dem Matterhorn, mehr als 1000 Mal ist er in die Viertausender Europas gestiegen, mit Kunden geht es auch in die Anden und nach Nepal. Am Schweizer Breithorn stürzte er vor zwei Jahren ab, fünf Meter in die Tiefe, Kreuzbandriss, Hüfte kaputt. Er hätte wieder als Koch arbeiten können. Doch ein Jahr später stieg Steindl wieder in den Berg. Magnetisch sei diese Anziehungskraft, sagt er. Diese Ruhe da oben, am liebsten im Herbst, wenn weniger Geröll in die Tiefe poltert und kein Schmelzwasser mehr strömt. Es sei wunderschön, schwärmt Steindl. Ein Romantiker ist er nicht. “Man muss wissen, wofür man sein Leben riskiert“, sagt er.
Von der Talstation Gornergrat-Bahn zur Monte-Rosa-Hütte
Von Zermatt aus sehen die Berge bei gutem Wetter traumhaft aus. Das Matterhorn, der Hausberg, baut sich majestätisch hinter den Gassen auf. Viele Touristen halten den freistehenden Berg mit der markanten Pyramidenform für den schönsten der Alpen. Kenner schätzen auch die Bergriesen in der Nachbarschaft, vor allem das nahe Monte-Rosa-Massiv mit seinen zahlreichen Gipfeln und Gletschern.

Bergführer Rudi Steindl wartet auf seine Kundschaft an der Talstation der Gornergrat-Bahn. Seine Tour führt von der Station Rotenboden auf die neue Monte-Rosa-Hütte. Es ist ein achtstündiger Marsch mit Gletscherquerung, für ihn ein kleiner Sommerspaziergang “zum Aufwärmen“. In der Nacht hat es in der Höhe geschneit. Auf die besorgten Fragen von Anfängern nach Kondition und Ausrüstung sagt er nur: “Passt schon. Man kann überleben.“
Der Weg zur Monte-Rosa-Hütte ist keine reine Wandertour. Mit Abstieg zum Gletscher und Aufstieg zur Hütte verlangt er auch im Hochsommer etwas Erfahrung als Bergsteiger. Im Gänsemarsch stapft Steindls Truppe von Rotenboden bergab Richtung Gletscher. Ohne Schnee lässt es sich auf dem schmalen Pfad gut laufen. Doch die Schneefelder sind eine Qual. Es gilt, in tief ausgetretenen Fußspuren Halt zu finden.
Eine Entschädigung für die Strapazen sind bei gutem Wetter die Ausblicke auf das Monte-Rosa-Massiv: Links der Gorner-Gletscher, in der Mitte der Monte-Rosa-Gletscher, rechts der Grenzgletscher, eine glitzernde Schnee- und Eiswelt - und darüber die mächtigen Gipfel.

Eine mehrere Meter lange Leiter führt steil hinunter zum Gletscher. Auf rutschigem Schnee passiert man tiefe Eislöcher und Gletscherspalten. Ein Trupp mit Steigeisen unter den Wanderschuhen kommt entgegen. Sind Steigeisen bei diesen Gefahren nicht eine gute Idee? “Man kann Menschen auch quälen“, befindet Rudi Steindl. Die neue Monte-Rosa-Hütte auf 2.883 Metern Höhe ist Schweizer Hightech mit Solarflächen, großen Fenstern, hellem Holz, eigener Weinmarke und warmen Abendessen, eingeflogen mit dem Heli. Weiter sollten Wanderer sich nicht vorwagen, das ist Bergsteiger-Revier. Abends löst der Wein die Zungen der Bergführer. Zwei Italiener sind am Liskamm abgestürzt. Der eine wusste wohl nicht, dass er auf dem schmalen Grat auf die Gegenseite springen muss, wenn der Gefährte abrutscht. Nun sind beide tot.
Ein Hauch von Himalaya
Warum zieht es Menschen dort hinauf? “Irgendwo ist immer ein Schlüsselerlebnis“, berichtet der Bergführer. Vielleicht ist es das Glücksgefühl, wenn sich die Wolken heben und atemberaubende Panoramen freigeben. Vielleicht ist es die Harmonie einer Seilschaft oder die Liebe zur unberührten Natur. Sport allein ist es selten.

Auf der italienischen Seite des Monte-Rosa-Massivs liegt eine andere Welt. Die fast 2.500 Meter hohe Monte-Rosa-Ostwand gilt vielen als beeindruckendste Steilwand Europas, die einzige mit einem Hauch von Himalaya. Die Ost- und Südseite des Massivs wirken lieblicher als der Schweizer Norden. Tief eingeschnittene Täler führen vom palmengesäumten Lago Maggiore bis an den Fuß der Ostwand. Gute Ausgangsorte für Wanderungen auf der italienischen Seite sind Macugnaga oder Alagna. Der Schweizer Perfektionismus weicht schlagartig italienischem Laissez-faire. Die Bergorte haben sich ihren dörflichen Charme bewahrt. Von Pecetto aus schaffen es Wanderer auch ohne Lift in gut zwei Stunden über gewundene Pfade und Schotterwege auf 1800 Meter Höhe zum Belvedere. Die “schöne Aussicht“ verspricht nicht zu viel: Es präsentieren sich die Bergriesen Strahlhorn (4190 Meter), Cima di Jazzi (3.804 Meter) und die komplette Ostwand mit dem Nordend (4.609 Meter), der Dufourspitze (4634 Meter), der Zumsteinspitze (4.563 Meter) und der Signalkuppe (4554 Meter). Wenn sich der blaue Himmel über den Schneegipfeln wölbt, fühlt man sich wie in einem Amphitheater aus Bergen.
Ulrike von Leszczynski, dpa
REISE-INFO ZU WANDERN UM DEN MONTE ROSA
ANREISE IN DIE SCHWEIZ: Die Matterhorn Gotthard Bahn fährt direkt nach Zermatt. Mit dem Auto bis Täsch, von dort geht es ausschließlich mit der Bahn weiter nach Zermatt. Autos sind dort verboten. Mit dem Flugzeug bis Zürich und von dort mit dem Fernzug nach Brig oder Visp. Dort gibt es Anschluss an die Matterhorn Gotthard Bahn.
ANREISE NACH ITALIEN: Am schnellsten ins Piemont geht es vom Flughafen Mailand-Malpensa aus mit einem Leihwagen. Internationale Züge halten in Verbania und Domodossola. Von dort aus gibt es Bus-Verbindungen nach Macugnaga. Die nächste regionale Bahnstation von Alagna aus ist Varallo Sesia, 36 Kilometer entfernt. Von dort aus fahren Busse oder Taxis.
REISEZEIT: Die besten Monate für Wanderungen am Monte Rosa sind Juli und August. Auf dem Weg zur Monte-Rosa-Hütte ist eine gletschertaugliche Ausrüstung Pflicht. Auf der italienischen Süd- und Ostseite reichen in der Regel gute Wanderschuhe. Im Hochsommer gibt es dort auf halber Höhe (2000 Meter) in der Regel keinen Schnee und kein Gletschereis.
WOHNEN: Zermatt ist sehr teuer. Unter 50 Schweizer Franken (rund 46 Euro) ist in der Hochsaison selbst im Schlafsaal eines Hostels kaum ein Bett zu bekommen. Spitzenhotels nehmen für ein Doppelzimmer oft mehr als 300 Franken (275 Euro). In den italienischen Bergdörfern sind die Preise erheblich moderater. In einem einfachen Albergo gibt es für 50 Euro bereits ein Zimmer mit Vollpension. Im Hotel kostet ein Dopplezimmer rund 80 bis 120 Euro die Nacht.
SPRACHE: In Zermatt wird Deutsch gesprochen. In den Bergdörfern im italienischen Piemont geht es jenseits der Touristen-Informationen ganz ohne ein paar Brocken Italienisch nur schwer weiter, manchmal hilft Französisch. Englisch sprechen fast nur junge Leute.
MEHR INFO: Schweiz Tourismus, Rossmarkt 23, 60311 Frankfurt, (Tel.: 00800/100 200 30, www.myswitzerland.com). Italienische Zentrale für Tourismus ENIT, Barckhausstrasse 10, 60325 Frankfurt (Tel.: 069/23 74 34, E-Mail: frankfurt@enit.it).