AWO-Skandal weitet sich aus - „Mafiose Strukturen“

Städtische Rechnungsprüfer finden Hinweise auf Millionenschaden durch AWO-Affäre. Sozialdezernentin Daniela Birkenfeld (CDU) holt Hilfe durch Wirtschaftsprüfer.
- Die AWO-Affäre in Frankfurt weitet sich aus.
- „Über viele Jahre hinweg wurde Geld abgezweigt und zweckentfremdet.“
- SPD-Stadtabgeordneter Holger Tschierschke zeigt sich entsetzt über „Mafiose Strukturen“.
Der Skandal um die Arbeiterwohlfahrt (AWO) Frankfurt weitet sich aus. Die Recherchen der städtischen Rechnungsprüfer hätten Hinweise darauf ergeben, dass aus den kommunalen Zuschüssen für die 18 AWO-Kitas in Frankfurt „über viele Jahre hinweg Geld abgezweigt und zweckentfremdet“ worden sei, so Manuela Skotnik, Sprecherin von Sozialdezernentin Daniela Birkenfeld (CDU).
„Noch ist nichts belegt“, fügte Skotnik im Gespräch mit der FR hinzu. Auch der genaue Umfang des entstandenen Schadens ist noch unklar. Der Frankfurter FDP-Landtagsabgeordnete und Stadtverordnete Yanki Pürsün, der sich seit Wochen in das Thema vertieft, hält „eine siebenstellige Summe“ für „sehr realistisch“.
AWO-Skandal Frankfurt: „Bargeldpool“ entstanden
Aus dem abgezweigten Geld ist nach Einschätzung des Politikers ein „Bargeldpool“ bei der AWO entstanden, aus dem dann Geld an führende Funktionäre verteilt wurde. Eine Methode sei dabei etwa gewesen, bei Einbauten in den Kitas wie Küchen höhere Standards abzurechnen, als dann tatsächlich verwendet worden seien. Der SPD-Stadtverordnete Holger Tschierschke zeigte sich gegenüber der FR „entsetzt über die kriminelle Energie, die dahintersteht“.
Es sei unfassbar, „dass ein Sozialverband dermaßen mafiose Strukturen aufbaut“. Die Stadt müsse überlegen, wie sie künftig mit Zuschussempfängern und deren Kontrolle umgehe. Der Sprecher des AWO-Kreisverbands, Johannes Frass, erklärte gegenüber der FR, die AWO habe „der Stadt vollständige Kooperation bei den laufenden Prüfungen zugesichert“. Man unterstütze die prüfenden Ämter und die ermittelnde Staatsanwaltschaft. „Wir sehen dem Ende der Prüfung offen entgegen und bitten um Geduld, bis diese abgeschlossen ist.“
Der CDU-Fraktionsvorsitzende im Römer in Frankfurt, Nils Kößler, forderte die für Kitas zuständige Bildungsdezernentin Sylvia Weber (SPD) auf, den Stadtverordneten Bericht zu erstatten. Für die CDU sei klar, dass das Controlling bei der Verwendung städtischer Zuschüsse angepasst werden müsste. Die Fachleute des städtischen Revisionsamts prüfen gegenwärtig intensiv die Verwendungsnachweise für die Kitas und andere AWO-Einrichtungen, die mit städtischem Geld unterstützt werden.
AWO-Skandal Frankfurt: „Wir setzen darauf, dass die AWO sich öffnet“
Bereits am 1. Januar 2020 hatte die Stadt als Reaktion auf die Hinweise die Zuschüsse im Umfang von drei Millionen Euro im Jahr, die quartalsweise für die 18 AWO-Kitas in Frankfurt gewährt werden, um zehn Prozent gekürzt.
Das Sozialdezernat sucht derzeit intensiv nach einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, die bei der Aufklärungsarbeit helfen soll. Sozialdezernentin Birkenfeld setzt außerdem auf die Unterstützung des neuen AWO-Präsidiums Frankfurt, das am 15. Februar gewählt werden soll. Als Vorsitzende kandidiert die langjährige frühere Managerin und Juristin Petra Rossbrey. „Wir setzen darauf, dass die AWO sich öffnet“, sagte Birkenfelds Sprecherin Skotnik.
Für die Stadt geht es auch darum, dass bei den jetzt entdeckten Unregelmäßigkeiten die Verjährungsfristen nicht verstreichen. Deshalb drückt die Sozialdezernentin intern aufs Tempo.
AWO-Skandal Frankfurt: „Wir haben recht behalten“
Allein aus dem Akteneinsichtsausschuss, den das Stadtparlament 2019 zum Betrieb von zwei AWO-Flüchtlingsunterkünften eingerichtet hatte, liegen mittlerweile rund 450 schriftliche Fragen von Stadtverordneten* an die Sozialdezernentin vor. Sie müssen jetzt von den Fachleuten des Sozialdezernats nach und nach abgearbeitet werden.
Die Kräfte innerhalb der Frankfurter Arbeiterwohlfahrt, die Rossbrey als Kandidatin vorschlagen und die auf Erneuerung setzen, fühlen sich durch die jüngste Entwicklung bestätigt. „Wir haben recht behalten“, sagte der Vorsitzende des größten Frankfurter AWO-Ortsvereins Nied, Klemens Mielke, im Gespräch mit der FR. Er berichtete von großen Befürchtungen an der AWO-Basis in Frankfurt, dass der Wohlfahrtsorganisation die Gemeinnützigkeit aberkannt werden könnte. Damit wären mehr als 1000 Arbeitsplätze bei der AWO Frankfurt in Gefahr.
Von Claus-Jürgen Göpfert
Die neue Spitze des Frankfurter Kreisverbandes zieht eine erste Bilanz des Awo-Skandals in Frankfurt. Sie ist verheerend. Derweil lässt die Stadt Frankfurt die Förderpraxis für die 18 Kitas der Arbeiterwohlfahrt von ihren Revisoren und einem privaten Unternehmen überprüfen. Die Prüfer sind dabei auf doppelt abgerechnete Verwaltungskosten gestoßen.
Der Geschäftsführer des Bezirks Hessen-Süd hat sein Amt verloren, auch weil die AWO-Bundesführung in Berlin mit der dauerhaften Sperrung der Zuschüsse drohte.*
Nun versucht die AWO einen Neuanfang: Die renommierte Compliance-Anwältin Sylvia Schenk (SPD) moderiert am Samstag den geplanten Neuanfang bei der AWO in Frankfurt. Im Interview erklärt sie, worauf es dabei ankommen wird.*
Im Rahmen des Awo-Skandals in Frankfurt hinterfragt ein FDP-Stadtverordneter den Verein "Frankfurt-Philadelphia-Gesellschaft".*
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