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Chemikalie fehlt: So ist die Lage in Klärwerken im Kreisteil Melsungen

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Von: Fabian Becker, William-Samir Abu El-Qumssan, Damai Dewert

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Noch entspannt: Heidi Dippel, Leiterin der Melsunger Kläranlage zeigt, wo die Aluminiumverbindung zugeführt wird. Aktuell drohen keine Engpässe der wichtigen Chemikalie.
Noch entspannt: Heidi Dippel, Leiterin der Melsunger Kläranlage zeigt, wo die Aluminiumverbindung zugeführt wird. Aktuell drohen keine Engpässe der wichtigen Chemikalie. © Damai Dewert

Der Krieg in der Ukraine wirkt sich auch auf die heimischen Kläranlagen aus. Wegen fehlender Chemikalien mussten Abläufe aufwendig umgestellt werden.

Kreisteil Melsungen – In den Kläranlagen ist dieser Tage viel zu tun. Im laufenden Betrieb müssen Chemikalien getauscht werden, die zum Binden oder Fällen von Phosphat notwendig sind. Städte und Gemeinden im Kreisteil sind unterschiedlich vom Mangel an Fällmitteln betroffen. Wir haben in den Kommunen nachgefragt, wie die Lage ist.

Als „Arbeit am offenen Herzen“, bezeichnete Nadine Finn, Melsungens Bauamtsleiterin, die sensiblen Umstellungen, die den Betrieb der Kläranlage zudem verteuern.

Klärnalgen fehlt Eisenchloridsulfat

Den kommunalen Kläranlagenbetreibern fehlt in Deutschland seit Monaten Eisenchloridsulfat. Die Chemikalie wird unter anderem benötigt, um Phosphat im Abwasser zu binden – beziehungsweise auszufällen. Ohne den Einsatz von Fällstoffen wie Eisenchloridsulfat oder Alternativen seien die Überwachungs- und Grenzwerte für Phosphat nicht einzuhalten, sagt Finn.

In Melsungen und vielen anderen Kläranlagen käme daher mittlerweile eine Aluminiumverbindung zum Einsatz. Doch die Umstellung der Chemikalien im laufenden Betrieb sei heikel und gefährde den Ablauf der Klärung.

Bei der zuerst eingesetzten Aluminiumverbindung sei es nach kurzer Zeit ebenfalls zu Lieferengpässen gekommen – der Betrieb musste erneut umgestellt werden. Die derzeit eingesetzten Fällstoffe hätten sich natürlich in kürzester Zeit stark verteuert. Das Aluminium sei doppelt so teuer wie das Eisenchloridsulfat, sagt Heidi Dippel, Leiterin der Melsunger Kläranlage, dabei aber nur halb so wirksam. An die Melsunger Kläranlage ist auch die Gemeinde Körle angeschlossen.

Abwasser wird in Fulda geleitet

„Wir wissen gerade nicht, wie sich die Anlage verhält, wenn wir wirklich eine ungewollte Einleitung bekommen“, sagt Finn. Würde der Überwachungswert gerissen, werde dennoch in die Fulda eingeleitet. Das sei alternativlos, komme doch ständig Abwasser nach. Für Melsungen zuständig ist wegen der großen Kapazitäten das Dezernat für Kommunales Abwasser beim Regierungspräsidium.

Die Mitarbeiter zögen regelmäßig Proben, der Überwachungswert liege bei 0,7 Milligramm, werde er überschritten, müsste die Stadt Melsungen mehr für die Einleitung bezahlen.

Eine akute Bedrohung für die Fulda sehe sie aktuell nicht. Die Lagerbestände reichten jedoch immer nur für maximal drei Monate.

Morschen: „Unser Vorrat reicht noch für mindestens sechs Monate“, berichtet Martina Krug, Wärterin der Mörscher Kläranlage auf Anfrage. Als das Thema aufkam, habe sie gleich Kontakt zu den Fällmittelherstellern aufgenommen. „Erst war ungewiss, wann wir beliefert werden können. Aber dann ging es doch zügig.“ Der jährliche Bedarf an Fällmitteln wie Eisen(III)-chloridsulfat liegt in Morschen bei rund 15 Tonnen. Die Herausforderung sei nun, immer wieder lieferfähige Lieferanten ausfindig zu machen.

Immer mehr Fällmittel wird benötigt

„Überraschend ist, dass die Beschaffenheit des Schmutzwassers immer schlechter wird“, sagt Krug. Dadurch sei immer mehr Fällmittel nötig, um die Grenzwerte nicht zu überschreiten. Erklären kann sich die Klärwärterin die Entwicklung trotz umfangreicher wöchentlicher Proben nicht.

In Felsberg gibt es drei Kläranlagen. Die Hauptlast trägt die Kläranlage in Felsberg, an die die Kernstadt und zwölf weitere Stadtteile angeschlossen sind. Abwasser aus Hilgershausen werde über eine eigene Kompaktkläranlage entsorgt, Helmshausen und Hesserode verfügen über eine Pflanzenkläranlage, die keine Fällmittel benötigt.

Bürgermeister Volker Steinmetz spricht in Felsberg von einer schwierigen Versorgungslage. Für die nächsten Wochen sei aber noch genug Fällmittel vorhanden, und die Situation sei noch nicht akut. Betroffen seien vor allem Fällmittel auf Eisenbasis. Polymere zur Klärschlammaufbereitung gebe es noch genug. Die Stadt benötigt laut Steinmetz jährlich mehr als 80 000 Liter an Fällmitteln.

Lieferzeiten werden länger

„In Malsfeld gibt es bisher kaum Lieferengpässe“, sagt Klärwerkleiter Kai Helfers. „Wir mussten vergangenes Jahr nur einmal zehn Tage auf eine Lieferung warten.“ In der Gemeinde wird Polyaluminiumchlorid zur Abwasserreinigung genutzt. „Das ist teuerer, wird daher weniger verwendet und ist noch relativ gut erhältlich.“ Etwa 1500 Kubikmeter Abwasser wird in Malsfeld damit gereinigt. „Wir bestellen in Containern mit jeweils 1,2 Tonnen für 750 Euro.“ Ein Container reiche für rund 40 Tage, vorrätig habe die Gemeinde derzeit etwa 1,5 Container. Wenn der Nachschub völlig ausfällt, müsste der Vorrat also etwa 60 Tage reichen.

„Es ist auf jeden Fall ein Problem“, sagt Jörg Emilius vom Spangenberger Bauamt. Im Herbst habe die Stadt bereits auf den Mangel an Fällmitteln reagiert und gegengesteuert. Doch die Lieferzeiten würden immer länger werden. Noch ist laut Emilius aber kein kritischer Zustand in Spangenberg erreicht.

Guxhagen hat kein eigenes Klärwerk. „Guxhagen ist im Abwasserverband Edermünde“, erklärt Bauamtsleiter Steffen Tasler. „Wir haben nur die Teichkläranlage in Ellenberg.“ Das heißt: Die Feststoffe werden in Klärgruben gesammelt, über die jeder Haushalt verfügt und die zwei Mal im Jahr geleert werden. „Die Abwässer fließen über einen Überlauf in die Teichkläranlage, wo sie durch ein Schilffeld laufen und dabei durch die Wurzeln gereinigt werden.“ Die Gemeinde brauche daher keine Fällmittel. (Damai D. Dewert/Fabian Becker/William Abu El-Qumssan)

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