Gastronomen nach Lockerungen: „Sollen wir die Restaurants überhaupt wieder öffnen?“

Restaurants öffnen nach den Corona-Lockerungen wieder. Bei Gastronomen sorgt das nicht nur für Freude.
- Das Coronavirus* hatte zur Schließung von Restaurants geführt
- Nach den Lockerungen darf in Hessen wieder serviert werden
- Viele Gastronomen sehen in Frankfurt die Entwicklung mit gemischten Gefühlen
Frankfurt - Seit Mittwochabend bekommt der Frankfurter Gastronom James Ardinast immer wieder Glückwunschanrufe und E-Mails. Denn seitdem ist klar, dass auch in Hessen als Teil der Corona-Lockerungsmaßnahmen die Restaurants nach fast zweimonatiger Schließung wieder aufmachen dürfen. Am Donnerstag wurden die Auflagen von Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) konkretisiert.
Am 15. Mai dürfen Restaurants wieder öffnen. Um die Abstandsregeln einhalten zu können, ist pro fünf Quadratmeter ein Gast zugelassen. Das gilt nicht für Familien oder Hausstände. Service- und Küchenkräfte müssen Mund-Nasen-Masken tragen, Gäste nicht.
Trotz Corona-Lockerungen: Restaurant in Frankfurt erwägt Insolvenz
Ardinast sagt: „Die Leute gratulieren uns, dass wir endlich wieder öffnen dürfen. Aber wir fühlen uns nicht nach feiern. Ich überlege, ob wir unsere Restaurants überhaupt wieder öffnen sollen. Denn klar ist, dass wir nicht zu 100 Prozent den Betrieb wiederaufnehmen dürfen. Rentiert sich das, wenn wir nur 30 bis 40 Prozent der Plätze bestuhlen dürfen und damit auch nur 30 bis 40 Prozent Umsatz machen? Schließlich müssen wir dafür den Kostenapparat wieder anschmeißen, den wir jetzt gerade auf ein Minimum runtergefahren haben.“
James Ardinast betreibt mit seinem Bruder David Ardinast mehrere Gastrobetriebe im Frankfurter Bahnhofsviertel. 120 Mitarbeiter inklusive Aushilfen arbeiten dort. „Wir überlegen auch, wie wir damit umgehen werden, wenn, wie Bundesarbeitsminister Hubertus Heil sagt, davon auszugehen ist, dass die Corona-Pandemie uns mindestens noch eineinhalb Jahre beschäftigen wird. Lohnt es sich da eher, Insolvenz anzumelden als unter solchen Auflagen wiederzueröffnen? Wir brauchen endlich einen nachhaltigen Fahrplan mit Perspektiven.“
Gesenkte Mehrwertsteuer für Restaurants in Frankfurt nicht hilfreich
Dass das Bundeskabinett nun eine Senkung der Mehrwertsteuer für die Gastronomie von 19 auf 7 Prozent ab 1. Juli für ein Jahr beschlossen habe, helfe nicht wirklich. Es sei zwar ein Schritt in die richtige Richtung, aber „es bringt erst was, wenn wir wieder uneingeschränkt öffnen dürfen und dann auch nicht nur für zwölf Monate“. Dreimal die Woche liefern sie israelische Speisen ihres Restaurants Bar Shuka aus. „Aber wir verdienen damit kein Geld, das ist gerade mal kostendeckend. Zumindest verdienen sich unsere Mitarbeiter etwas dazu.“ Zweimal seien sie bereits in Vorkasse mit den Gehältern gegangen. „Wir rechnen damit, dass wir in den nächsten Tagen von den sehr überlastenden Jobcentern das Kurzarbeitergeld überwiesen bekommen.“
In einigen Restaurants ist die Stimmung Dank Corona-Lockerungen besser
Positiver gestimmt ist Youssef El Machit, Inhaber des Tafelspitz und Söhne am Offenbacher Wilhelmsplatz. Er bereitet sich gemeinsam mit acht Angestellten auf die Öffnung seines Restaurants vor. „Wir sind sehr froh, dass wir so bald wie möglich wieder aufmachen dürfen“, sagt El Machit. Es sei schön zu sehen, wie auch die Motivation bei seinen Mitarbeitern wieder steige.
Denn die Zeit seit dem Corona-Lockdown war für das Tafelspitz nicht ganz einfach. „Wir haben zu Beginn einen Lieferservice angeboten, das hat aber leider gar nicht funktioniert“, berichtet der Inhaber. Gutbürgerliche Küche, wie sie das Tafelspitz anbietet, eigne sich nicht so zum Liefern. Nach zwei Wochen stellte El Machit den Service ein, die Kosten waren nicht gedeckt. Seitdem hat das Tafelspitz an den Markttagen bis 14 Uhr geöffnet und verkauft über die Theke Grüne Soße und Pesto. „Dabei geht es aber weniger darum, ein paar Euro zu verdienen, sondern mehr darum, mit den Menschen in Kontakt zu bleiben“, sagt El Machit.
Zwar geht er davon aus, dass der Anfang etwas verhalten ausfallen könnte, da viele Menschen Angst vor einer Ansteckung hätten. Aber er hat auch schon Reservierungsanfragen bekommen – noch bevor der genaue Öffnungstermin festgestanden habe.
Corona ist für viele Restaurants eine finanzielle Herausforderung
Luigi Lavorato, Inhaber des Restaurants Neuer Haferkasten in Neu-Isenburg, sagt von sich selbst, er sein ein Kämpfer. „Natürlich ist die Aussicht, dass wir nach wochenlanger Schließung* wieder öffnen dürfen, eine gute Nachricht“, sagt Lavorato. Momentan bietet er seine italienischen Speisen zum Mitnehmen an. „Es ist nicht soweit, dass wir Angst haben, pleite zu gehen, aber es ist eine finanzielle Herausforderung“, sagt Lavorato. Schließlich seien Personal und Miete teuer.
Der Öffnung unter Auflagen blickt er optimistisch entgegen: „Die Menschen wollen wieder raus.“ Dass der Neue Haferkasten einen großen Gastraum und eine weitläufige Terrasse hat, sei ein Vorteil. So könne man die Abstandsregeln leichter einhalten. Trotzdem, denkt Lavorato, werde es wohl bis Dezember dauern, bis sich die Gewinne wieder normalisiert haben würden.
Viele Fragezeichen wegen Corona nach Öffnung der Restaurants
Lorna O’Sullivan, Geschäftsführerin der Sachsenhäuser Apfelweinwirtschaft Dauth-Schneider, sagt: „Während unser To-go-Geschäft am Anfang noch ganz gut lief, habe ich das Gefühl, dass die Leute jetzt die Schnauze voll haben, aus Pappschachteln zu essen. Im gesamten April haben wir so viel eingenommen wie normalerweise an einem gut laufenden Samstag.“ Das alles habe noch funktioniert, weil sie ein Familienbetrieb seien. „Mein Vater kocht. Meine Mutter und ich stehen am Fenster und liefern aus*.“ Die 38 Mitarbeiter seien gerade zu 100 Prozent in Kurzarbeit.
„Bezüglich der Öffnung habe ich noch viele Fragezeichen im Kopf. Wenn wir beispielsweise nur 25 Prozent der Kapazitäten bestuhlen dürfen, muss ich dann die Leute bitten, nach zwei Stunden zu gehen, damit ich genug Umsatz mache?“ Die Gelassenheit, essen zu gehen, sei weg. „Ich frage mich: Haben die Leute überhaupt Lust, essen zu gehen, wenn es so viele Regeln gibt? Oder sagen sie: ‚Dann bestelle ich mir lieber eine Pizza nach Hause‘?“ Sie könne es nicht einschätzen. „Rennen uns die Gäste die Bude ein oder haben sie zu viel Angst, sich mit Covid-19 anzustecken?“
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