Parlamentssitzungen bald per Livestream ins Wohnzimmer

Die Awo Schwalmstadt drängt seit Monaten darauf, dass Sitzungen von Stadtparlament und Ausschüssen übertragen werden sollten. Wir beleuchten die Hintergründe und wie es funktionieren kann.
Schwalm – Vor einem Jahr wurde in Deutschland der erste Coronafall festgestellt, vieles auch im kommunalpolitischen Alltag hat sich seitdem stark verändert – verändern müssen. Immer wieder konnte in jüngerer Zeit so nur ein Ausschuss statt des gesamten Kommunalparlaments als „Notorgan“ tagen. Überall mussten größere Räume für mehr Abstand ausfindig gemacht werden.
Doch wie ist es eigentlich um neuartige Konferenz- und Übertragungswege bestellt, damit zum Beispiel Bürger Sitzungen ohne Ansteckungsrisiko verfolgen können? Reinhold Kuchler (Awo Schwalmstadt) fordert schon seit Mai 2020 klar und deutlich, dass solche Übertragungssysteme eingerichtet werden, damit Menschen, die nicht mehr sehr mobil oder besonders infektionsgefährdet sind, teilhaben können an politischen Entscheidungsprozessen.
Testlauf in Homberg
In der Kreisstadt Homberg gab es soeben einen Testlauf: Am Montagabend wurde erstmals eine Ausschusssitzung als Hybridsitzung angeboten. Die Mitglieder trafen sich in der Stadthalle, Zuhörer und Magistrat konnten von zu Hause aus zusehen und -hören. Thema war auch die Weiterentwicklung des Krankenhausgeländes (HNA berichtete), Klimaschutzmanagerin Helene Pankratz stellte etwa die Pläne für die frühere Homberger Klinik vor. Der Ablauf in der Halle konnte live mitverfolgt werden. Präsentationen wurden für Anwesende in der Stadthalle auf eine Leinwand projiziert, für Daheimgebliebene auf dem eigenen Bildschirm geteilt.
Für eine Bauausschusssitzung war das Interesse groß, bis zu 26 Zuhörer schalteten sich über das Onlineprogramm Webex ein. Nachgebessert werden muss wohl am Ton, einige Sprecher waren für Online-Teilnehmer nur schwer zu verstehen, hatten sie kein Mikro, funktionierte es gar nicht. Das Bild der Liveübertragung mutete etwas zu dunkel an.
Pläne für Schwalmstadt
Auch in Schwalmstadt könnte eine Livestreamübertragung Realität werden: Laut Kuchler befasste sich der Magistrat im Sommer damit und beabsichtigte, einen Förderantrag im Programm „Starke Heimat Hessen“ beim Land zur Projektberatung zu stellen, Frist war Ende August. Laut Kuchler könnte das aux Systemhaus (Treysa) diese Beratung leisten. Ob der Antrag erfolgreich war, darüber habe er, Kuchler, trotz Anfrage im November von Bürgermeister Stefan Pinhard aber noch keine Antwort bekommen. Auf HNA-Anfrage gestern bestätigte Pinhard aber, dass der Förderantrag gestellt wurde im Landesprogramm „Starke Heimat Hessen, Digitalisierung der Kommunen“, auch sei Kontakt mit Fachleuten aufgenommen worden. Pinhard: „Wir sind derzeit dabei, das weitere Vorgehen in dieser Angelegenheit zu prüfen.“
Thema in Parlamenten
Dafür einsetzen wolle sich nun die SPD-Fraktion, informierte Reinhold Kuchler nun unsere Zeitung. Sie bringt in die nächste Stadtverordnetensitzung am 4. Februar einen Prüfantrag ein: Der Magistrat soll ein Konzept – verschiedene Varianten, technische Möglichkeiten, Kosten, etc. – zur Übertragung der Stadtverordnetenversammlungen per Livestream vorlegen. Die Anregung der Awo sei in der Coronakrise mit all ihren Folgen wichtig für Information, Meinungsbildung und Teilhabe, besonders die der so bezeichneten „Corona-Risikogruppen“. Es wäre im Altkreis Ziegenhain ein Novum, bisher gibt es hier solche Übertragungen noch nirgends. Das muss aber nicht so bleiben.
So sagte gestern zum Beispiel Bürgermeister Marian Knauff (Neukirchen) auf HNA-Anfrage: „Aufgrund der Situation in der Pandemie stehe ich dem offen gegenüber.“ Das papierlose Sitzungssystem laufe im zudem im Kneippheilbad schon geraume Zeit gut, alle Stadtverordneten und der Großteil des Magistrats wurden mit Geräten ausgestattet. (Anne Quehl und Chantal Müller)