„Wasserkrieg“ in Italien: Sorgen um Gardasee und Po-Ebene – „Könnte eine Katastrophe geben“

Am Gardasee und in der Po-Ebene regnet es nach wochenlanger Trockenheit wieder. Dennoch bleiben die Probleme in Norditalien wegen der Dürre gigantisch. Auch am beliebten Gardasee.
München/Sirmione/Ferrara - Leichte Regenschauer. Was wie eine gewöhnliche Wettervorhersage klingt, sorgt in Norditalien an diesem Sonntag (7. August) und am Montag für kollektives Aufatmen. Auch wenn es nur um den berühmten Tropfen auf den heißen Stein geht. Bildlich gesprochen.
Trockenheit und Wassermangel in Norditalien: Endlich Regen zwischen Gardasee und Adria
So war laut Online-Portal wetter.com für die Großstadt Turin im Piemont für diesen Sonntagabend ab 19 Uhr leichter Regen angekündigt. Dasselbe galt im Tagesverlauf für den Touristen-Hotspot Sirmione am Gardasee. Es galt auch für Piacenza, das in der Region Emilia-Romagna in der Ebene des Flusses Po liegt. Hier betrug die Regenwahrscheinlichkeit am Sonntag bis zu 90 Prozent. Etwas weiter östlich in Richtung Adria in Ferrara soll sie laut wetter.com am Montag bei bis zu 80 Prozent liegen. Es ist das erste Mal seit Wochen in vielen Gegenden Norditaliens, dass es wieder regnet. Folgen von Dürre und Trockenheit alarmieren trotzdem.
Auch am Gardasee, dem mit 50 Kubikkilometern Fassungsvermögen größten Wasserreservoir Oberitaliens. Die Anliegergemeinden und die nationale Regulierungsbehörde liegen seit Wochen im Clinch, weil Wasser über die Schleusen bei Peschiera del Garda über den Zufluss Mincio in den Po abgelassen wird.
Dürre in Norditalien: Streit um Wasser zwischen Gardasee-Gemeindeverband und Behörde
„Wir müssen unsere Schifffahrt und die Fische schützen und gleichzeitig sicherstellen, dass die Bauern rund um den See auch im August noch ihre Kulturen bewässern können“, erklärte Pierlucio Ceresa, Geschäftsführer des Gemeindeverbands Garda, kürzlich. Er verwies auf einen der tiefsten Pegelstände der letzten Jahre. Der um 30 Kubikmeter pro Sekunde erhöhte Abfluss bringe dem Fluss Po seiner Meinung nach nichts, erzählte Ceresa: „Der Fluss bräuchte zum jetzigen Zeitpunkt mindestens 500 zusätzliche Kubikmeter pro Sekunde. Das Einzige, was wir mit dieser Maßnahme erreichen, besteht darin, dass nach dem Po auch noch der Gardasee krank wird.“
Das Einzige, was wir mit dieser Maßnahme erreichen, besteht darin, dass nach dem Po auch noch der Gardasee krank wird.
Zur Einordnung: Zuletzt war der Gardasee noch mit über 60 Prozent seines ursprünglichen Volumens gefüllt. Doch: Meuccio Berselli, Leiter der überregionalen Regulierungsbehörde für den Po, ist anderer Meinung als der Gemeindeverband Garda. Er forderte vehement „Kollegialität und Zusammenarbeit“. Mehrere Medien schrieben schon von einem „Wasserkrieg“.
Laut Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) decken nationale Gesetze das Abpumpen von Wasser in Krisensituationen ab. Und: Wie der österreichische Standard schreibt, sind zum Beispiel die Reserven beispielsweise aus dem Lago Maggiore aufgebraucht.
Trockenheit in Norditalien: Dramatische Situation in der Po-Ebene zwischen Turin, Parma und Adria
Geradezu dramatisch ist die Lage mit Blick auf die Po-Pegelstände in der Messstation von Pontelagoscuro bei Ferrara. Bereits Ende Juni flossen hier nur noch 180 Kubikmeter pro Sekunde in Richtung Adria, normal wären dort 1500 bis 2000 Kubikmeter Wasser. Die Folgen für Natur, Landwirtschaft sowie andere Branchen in Italien sind verheerend.
„Im Moment haben wir noch genug Wasser in Ostana, aber die Situation ist ernst. In vielen anderen Orten ist es bereits schwierig, Wasser zu bekommen. Das Wasser wird bereits aus den Städten in die Bergregion gebracht“, erklärt Emanuela Zilio der Zeit. Zilio ist Mitbegründerin der NGO „Kooperative Viso a Viso“ in Ostana, wo in den Cottischen Alpen der Po entspringt. Sie erzählt: „In den Bergen wird es immer wärmer und die Baumarten, die kühlere Temperaturen brauchen, sterben ab. Das Gleiche gilt für Fische, Insekten und Pflanzen – sie verschwinden und andere Arten siedeln sich an.“
Im Video: Dürre und Waldbrände in Italien: Gardasee abgepumpt - Mehrheit der Brände vermeidbar
312 Kilometer weiter in Boretto bei Parma sind die Auswirkungen anders geartet. „Den Pegel des Pos habe ich noch nie so niedrig gesehen. Er liegt aktuell 4,18 Meter unter dem Meeresspiegel. Dieses Jahr ist es noch schlimmer als bei der schweren Dürre 2003. Mein Betrieb wurde schon durch die Einschränkungen in der Corona-Pandemie schwer getroffen. Jetzt kann die ‚Stradivari‘ wieder nicht auslaufen“, schildert Giuliano Landin, der Betreiber eines Ausflugs- und Vergnügungsschiffes der Zeit.
Sorgen um Gardasee und Fluss Po: Landwirtschaft und andere Branchen in Norditalien betroffen
Schiffskapitän Landin schlägt vor: „Um der Wasserknappheit zu begegnen, könnte man zum Beispiel alle 40 bis 50 Kilometer Dämme bauen. Niedrig genug, damit sie das Wasser nur bei geringem Stand zurückhalten, um das Ökosystem zu schützen.“
Wenn es nicht sehr bald regnen wird, gibt es hier eine Katastrophe.
Denn: Vielerorts lässt die steigende Wassertemperatur den Sauerstoffgehalt sinken, ganze Bestände gezüchteter Weichtiere und Fische gehen verloren. „Wenn es nicht sehr bald regnen wird, gibt es hier eine Katastrophe“, meint Paolo Carrà, Präsident der Reisbauern von Novara, Biella und Vercelli. 4000 Betriebe produzieren dort im Piemont pro Jahr 800.000 Tonnen Reis - 27 Prozent der gesamten EU-Produktion.
Die Reisbauern rechnen wegen der Wasserknappheit und Dürre mit Ernteausfällen von 50 bis 70 Prozent. Es regnet zwar wieder etwas in Norditalien. Dennoch bleiben die Probleme gigantisch. (pm)