Rätselhafter Geisterflug über Europa: Warum stürzte die Cessna in die Ostsee?
Im September stürzte ein Flugzeug vor Lettland in die Ostsee. Das Flugzeug war auf dem Weg nach Köln. Jetzt offenbart ein Bericht neue Details.
- Am 4. September stürzte die Cessna 551 mit der Kennung „OE-FGR“ vor der Küste Lettlands in die Ostsee. Das Privatflugzeug war auf dem Weg von Spanien nach Köln. Stattdessen stürzte die Maschine jedoch nach einem stundenlangen Geisterflug in die Ostsee.
- Ende November hat die Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU) einen neuen Zwischenbericht zu dem Absturz herausgeben, der beschreibt, wie Peter Griesemann und seine Familie die letzten Minuten an Bord erlebten.
- Das Wrack wurde in 60 Metern Tiefe geortet. Auf eine Bergung wird verzichtet, weil sich die BFU dadurch keine neuen Erkenntnisse erwartet.
- Nach Einschätzung der lettischen Behörden sind alle Insassen der verunglückten Maschine ums Leben gekommen. Die Leichen wurden allerdings noch nicht gefunden. Bei dem Piloten der Unglücksmaschine handelt es sich um den bekannten Kölner Karnevalisten Peter Griesemann. Auch seine Ehefrau Juliane, Tochter Lisa und deren Freund waren mit an Bord.
- Dieser Text wird laufend aktualisiert.
Köln/Riga – Am Sonntag, 4. September, stürzte ein Privatjet vor der lettischen Küste in die Ostsee. Dabei handelt es sich um eine Cessna 551 mit dem Kennzeichen OE-FGR. Das Flugzeug war eigentlich auf dem Weg von Spanien nach Köln und wurde vom Kölner Karnevalisten Peter Griesemann geflogen. Wie es zu dem Unglück kommen konnte und warum die Maschine stundenlang als Gesiterflug über Europa flog. Der Überblick.
- Flugzeugabsturz Ostsee: Was ist passiert?
- Flugzeugabsturz Ostsee: Der aktuelle Stand?
- Flugzeugabsturz Ostsee: Alle Infos zu den Insassen
- Die Flugroute der Cessna 551 mit dem Kennzeichen OE-FGR
Cessna 551 stürzte in die Ostsee: Was ist passiert?

Das Privatflugzeug war am Sonntag, 4. September, auf dem Weg von Jerez (Südspanien) zum Flughafen Köln/Bonn. Dort kam die Cessna 551 mit der Kennung „OE-FGR“ allerdings nie an. Bereits kurz nach dem Start brach die Kommunikation mit dem Flugzeug ab – nachdem Pilot Peter Griesemann Druckprobleme in der Kabine meldete.
Obwohl die Kommunikation abbrach, flog das Flugzeug per Autopilot weiter – und zwar quer über Europa. Es war der Beginn des Geisterflugs, der noch immer für Rätsel sorgt. Dadurch starteten sogar Abfangjäger aus Frankreich, Deutschland und Dänemark. Die aktuelle Vermutung, warum es zu dem Unglück kam: Ein Druckabfall in der Kabine des Flugzeugs, worauf die Insassen bewusstlos geworden sind. Bestätigt wird das auch dadurch, dass die Abfangjäger keine Bewegung im Cockpit der Cessna erkannten. Die offizielle Absturzursache steht allerdings noch nicht fest.
Da das Flugzeug entgegen der Erwartungen über keinen Flugschreiber (Black Box) oder einen Voice-Recorder verfügte, verkompliziere die Ermittlungen noch mehr. „Vielleicht könnten die Schalterstellungen im Cockpit Rückschlüsse geben, was in der Luft passiert ist. Ob dies ausreicht, um die Ursache zu ermitteln, ist aber unklar“, sagt Germout Freitag, Sprecher der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU).
Fest steht: Per Autopilot flog der Privatjet unter anderem über Spanien, Frankreich und Luxemburg. Um 17:45 Uhr (deutsche Sommerzeit) dann auch im deutschen Luftraum. Wenige Minuten später überflog die Cessna den Zielflughafen in Köln – ohne zu landen. Stattdessen ging es weiter in Richtung Nord-Osten. Nach mehreren Kursänderungen kreist die Maschine um 19:40 Uhr (deutsche Sommerzeit) schließlich über die Ostsee, wenige Minuten später brach der Kontakt komplett ab: Die Cessna 551 stürzt um 19:44 Uhr westlich der lettischen Hafenstadt Ventspils ins Meer.
Wird die Cessna nach dem Absturz in die Ostsee geborgen?
Zwar wurden bereits in den ersten Tagen nach dem Absturz mehrere Trümmer- und Wrackteile der Cessna sowie persönliche Gegenstände der Insassen gefunden, doch viele Fragen sind noch immer offen. Die offizielle Suchaktion ist bereits seit mehreren Wochen beendet. Das Wrack liegt in circa 60 Metern Tiefe. Die Ermittlungen laufen weiter.
Lange Zeit wurde auch überlegt, ob die Cessna geborgen wird oder nicht. Denn solch eine Aktion ist äußert aufwendig und kostspielig. Ende November dann die Entscheidung: „Wir haben entschieden, das Luftfahrzeug nicht zu bergen, weil keine neuen Erkenntnisse zu erwarten sind“, sagte ein BFU-Sprecher am 30. November. Ob die Leichen der Insassen noch gefunden werden, ist nicht klar. Zuletzt hieß es, dass es unklar ist, ob sich die Leichen überhaupt im Wrack befinden.
Am 29. November veröffentlichte die Bundesstelle für Fluguntersuchung den Zwischenbericht zum Absturz der Cessna von Peter Griesemann. Dieser Bericht offenbart, wie die Personen an Bord ihre letzten Minuten erlebten – und zeichnet eine sekundengenaue Chronik der Tragödie nach. Mittlerweile steht auch fest, dass das Wrack nicht geborgen wird.
Kölner Peter Griesemann und Familie befanden sich im Flugzeug
In der Cessna 551 sollen sich vier Insassen befunden haben. Von ihnen fehlt immer noch jede Spur. Allerdings wurden wenige Tage nach dem Absturz menschliche Körperteile nahe der Unglücksstelle entdeckt. Nach Einschätzung der lettischen Behörden sind alle Insassen der verunglückten Maschine ums Leben gekommen. „Die Geschwindigkeit zum Zeitpunkt des Aufpralls war sehr hoch und das Flugzeug ist in viele kleine Teile zerbrochen“, sagte der Leiter des lettischen Seerettungskoordinationszentrums, Peteris Subbota.
Die Identität der Passagiere wurde noch nicht offiziell von den Behörden bestätigt. Es soll sich allerdings um Peter Griesemann, seine Ehefrau Juliane, Tochter Lisa und deren Freund handeln. Das bestätigt die Griesemann-Gruppe, bei der der 72-Jährige Unternehmensgründer war. Griesemann galt als feste Größe im Kölner Karneval. Die vier seien „auf unfassbar tragische Weise bei einem Flugzeugabsturz aus dem Leben gerissen worden“, teilten die Blauen Funken mit, bei denen er von 2014 bis 2018 Präsident und zuletzt Ehrenpräsident war.
„Für seine Tätigkeit und all das, was Peter Griesemann für die Blauen Funken, den Bauverein und den Karneval getan hat, ist das Wort ‚Dank‘ zu klein“, so der emotionale Nachruf des Traditionskorps. „Er hat die Gesellschaft maßgeblich geprägt und sein Fußabdruck wird ewig bleiben.“
Peter Griesemann: Pilot der abgestürzten Cessna und ehemaliger Funken-Präsident
► Er war von 2014 bis 2018 Präsident der Blauen Funken.
► Von 2000 bis 2014 war er Senatspräsident des Traditionskorps.
► Zuletzt wurde er zum Ehrenpräsidenten der Karnevalsgesellschaft ernannt.
► Außerdem setzte sich Griesemann für den Ausbau des Funken-Turms in Köln ein und war Vorstandsmitglied des Festkomitees.
Große Trauerfeier in Köln nach Flugzeugabsturz in der Ostsee
„Peter hat über Jahrzehnte viel in der Stadt bewegt als Unternehmer und als Karnevalist. Peter hatte nur Sachverstand und Unternehmergeist, er hatte auch viel Herz für die Menschen und den Fastelovend“ erklärt Christoph Kuckelkorn, der Präsident des Festkomitees Kölner Karneval.
Am 17. September fand schließlich eine große Trauerfeier im Kölner Dom statt. Hunderte Menschen kamen. Neben Kuckelkorn und dem Festkomitee Kölner Karneval kondolieren viele weitere Karnevalsgesellschaften. Auch Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker äußerte sich. Das berichtet der Kölner Stadt-Anzeiger. An die Hinterbliebenen habe sie unter anderem folgende Sätze geschrieben: „Die Nachricht von dem tragischen Unglück habe ich mit ehrlicher Betroffenheit aufgenommen und sie erfüllt mich mit großer Bestürzung. Mein sehr herzliches Beileid zu Ihrem unermesslichen Verlust.“
Die letzten Minuten an Bord der Cessna, bevor sie in die Ostsee stürzte
Chronik des tragischen Absturzes am 4. September 2022
► 14:57:00 Uhr (deutscher Zeit): Das Flugzeug startet auf der Piste 20 des Flughafen Jerez in Spanien zu einem privaten Flug zum Flughafen Köln-Bonn.
► 15:30:00 Uhr: Die Maschine erreicht die geplante Reiseflughöhe.
► 15:30:26 Uhr: Der Pilot meldet sich bei der spanischen Flugsicherung und wünscht einen schönen guten Nachmittag, noch ist alles in Ordnung.
► 15:42:14 Uhr: Der Pilot meldet sich beim Lotsen und berichtet von einem Problem mit der Klimaanlage; fordert sofortigen Sinkflug an. Auf Rückfrage antwortet der Pilot: „Wir haben ein Problem mit der Klimaanlage, eh, Druckverlust“. Währenddessen sind deutliche Hintergrundgeräusche zu vernehmen.
► 15:42:46 Uhr: Der Lotse erbittet vom Piloten noch einmal eine Bestätigung seiner Sinkflug-Anfrage. Darauf antwortet der Pilot allerdings nicht mehr. Auch weitere Anfunk-Versuche in der Folge verlaufen erfolglos.
► 16:06:55 Uhr: Die spanische Flugsicherheit funkt den Sektor des französischen Flugsicherheitskontrollbezirks in Bordeaux an und informiert darüber, dass man den Funkkontakt zur Cessna verloren habe.
► 16:16:23 Uhr: Die Cessna 551 dringt in den französischen Luftraum ein. Jagdflugzeuge werden alarmiert und fliegen der Maschine hinterher. Um 16:22:00 erreicht eines der alarmierten Flugzeuge die in konstanter Höhe in nordöstliche Richtung fliegende Maschine von Griesemann. Diesen entdecken die beobachtenden Piloten „handlungsunfähig“ auf seinem Sitz, neben ihm baumelt eine unbenutzte Sauerstoffmaske.
► 17:43:00 Uhr: An der luxemburgisch deutschen Grenze kurvt das Flugzeug nach Norden und dreht anschließend nach Nordosten, in Richtung Zielflughafen Köln/Bonn. Südlich Euskirchen, dreht das Flugzeug und fliegt in nordöstliche Richtung weiter.
► 18:50:00 Uhr: Das Flugzeug verlässt den deutschen Luftraum und wird nachfolgend von dänischen und schwedischen Alarmrotten sowie schließlich von Piloten einer in Estland stationierten Alarmrotte der NATO begleitet. Sämtliche Anfunk-Versuche schlagen bereits seit Stunden fehl.
► 19:30:00 Uhr: Die Cessna 551 geht in einen Sinkflug über.
► 19:45:00 Uhr: Nach einem spiralförmigen Sinkflug stürzt die Maschine in die Ostsee.
(jw mit dpa) Dieser Text wird laufend aktualisiert.