40 Grad und lecke Leitungen: Eklatante Missstände zu Italiens Wassernot aufgedeckt - „70 Prozent verschwendet“

Italien ächzt ungebremst unter Hitze und Wasserknappheit. In der Toskana geht ein Teil der Ernte verloren, und in Rom wird es richtig heiß. Derweil klagt nicht nur ein Zivilschützer jahrelange Versäumnisse an.
München/Rom - In manchen Gegenden Italiens werden schon Messen in Kirchen abgehalten, um für Regen und ein Ende der Trockenheit zu beten. Das Mittelmeerland mit seinen knapp 60 Millionen Einwohnern hat seit Wochen unablässig mit einer nie dagewesenen Trockenheit und - damit verbunden - mit einer regional teils drastischen Wasserknappheit zu kämpfen.
Wasserknappheit in Italien: Höchste Hitzewarnstufe für Rom, Palermo, Neapel, Florenz und Bologna
Die Lage spitzt sich immer weiter zu. Das italienische Gesundheitsministerium gab für das Wochenende (2./3. Juli) die höchste Hitzewarnstufe für 22 Städte aus. Darunter sind unter anderem Rom, Palermo, Neapel, Florenz und Bologna. In der Metropole Rom mit ihren bis zu 2,9 Millionen Einwohnern soll es zum Beispiel bis zu 40 Grad warm werden.
Der Chef des Zivilschutzes kündigte deshalb drastische Maßnahmen an. „In einigen Gebieten ist es nicht ausgeschlossen, dass das Wasser - das rationiert werden muss - zuweilen auch tagsüber abgestellt wird“, erklärte Fabrizio Curcio. Aktionismus oder die Lösung? Der Zivilschützer klagte laut ARD-„Tagesschau“ schonungslos über eklatante Missstände in der italienischen Wasserversorgung.
Im Video: Schlimmste Dürre in 70 Jahren - Italien geht das Wasser aus
Und zwar von den Oberitalienischen Seen, dem Gardasee, dem Comer See und den Lago Maggiore, über Rom und die Toskana bis an die Amalfi-Küste - alles beliebte Ziele von Touristen und Urlaubern. Viele Leitungen sind überall hier schlicht leck, erzählte Curcio: „Wir haben Wasserleitungen, die bis zu 70 oder 75 Prozent Wasser verlieren. Es liegt auf der Hand, dass man eine Ressource nicht zu 70 Prozent verschwenden kann. Ich denke, dass dies wirklich ein Anreiz sein sollte, alle an einen Tisch zu bringen, um über die Infrastruktur zu reden.“
Wasserknappheit und Trockenheit in Italien: Scharfe Kritik am Umgang mit dem Trinkwasser
Das Problem ist nicht neu, trifft die Italiener aber nun umso härter, da der größte Fluss des Landes, der Po, in manchen Gebieten regelrecht ausgetrocknet ist. Schon im Hochsommer 2006 berichtete der Deutschlandfunk von „tropfenden Hähnen und lecken Leitungen“. Der Soziologe Rosario Lembo kritisierte in dem damaligen Bericht eine angeblich „feuchtfröhlichen Sorglosigkeit, mit der viele Italiener Wasser verbrauchen, als gebe es davon unendlich viel“.
Lembo meinte seinerzeit harsch: „In Deutschland bringt man schon den Kindern bei, dass sie sich erst einseifen und dann die Dusche aufdrehen sollen. Das kann man bei uns vergessen. Hier wird man dagegen von Werbung für Hydromassagen und wohltuende Bäder erschlagen. Ein kulturelles Problem, das fängt schon beiden ewig tropfenden Wasserhähnen an. Überall wird Wasser verschwendet. Niemand erachtet es als wertvoll.“
Po (Fluss)
Der Po ist mit einer Länge von 652 Kilometern der längste Fluss Italiens. Er erstreckt sich in Norditalien vom Valle Po in den Cottischen Alpen (Region Piemont) bis nach Adria in Venetien, wo er im Adriatischen Meer endet. Die ihn umgebende Po-Ebene ist die wichtigste industrielle und landwirtschaftliche Region des Landes. Dazu zählen bedeutende Städte wie Turin, Mailand, Verona, Venedig, Bologna und Parma. Der Fluss stellt hier die Trinkwasserversorgung sicher.
Ein Indiz für seine These: Die „Tagesschau“ rechnet vor, dass ein Mensch in Italien durchschnittlich 215 Liter Wasser pro Tag verbraucht, europaweit seien es dagegen im Schnitt 125 Liter. Die Wasserknappheit trifft die italienische Wirtschaft, insbesondere die Landwirtschaft, in Zeiten der Inflation schon jetzt hart. Laut Agrarverband „Coldiretti“ sind einzig in der Toskana schon 30 Prozent der Ernte wegen der Dürre und Trockenheit verloren.
Wasserknappheit in Italien: Draghi spricht von „schwersten Wasserkrise der letzten 70 Jahre“
Ministerpräsident Mario Draghi sprach kürzlich von der schwersten Wasserkrise der letzten 70 Jahre. Er hat seine Regierung beauftragt, einen Notfallplan zu erarbeiten. Auch der Regierungschef, der gerade erst vom Nato-Gipfel in Madrid zurückgekehrt ist, erwähnte eine „schlechte Wartung des Netzes“. Wie die Maßnahmen aussehen sollen, ließ Draghi bislang offen. Stattdessen lässt sich seine Regierung Zeit. Erst ab Montag (4. Juli) will sie zum Thema beratschlagen - auf Druck der Regionen aus dem Norden.
Experten rieten zuletzt sogar dazu, den bei deutschen Touristen beliebten Gardasee zwischen Riva, Salo, Desenzano, Sirmione und Bardolino abzupumpen. Kommt es wirklich so weit? Ein Ende der Trockenheit ist zumindest vorerst nicht in Sicht. (pm)