Germanwings-Absturz: Angehörige gedenken der Opfer

Haltern - Stilles Gedenken an die Toten der Germanwings-Katastrophe: Am ersten Jahrestag des Absturzes in den französischen Alpen mit 150 Toten haben Menschen in Deutschland und Frankreich der Opfer gedacht.
Update vom 19. Mai 2016: Ein Flugzeug mit der Nummer MS804 ist am Donnerstag über dem Mittelmeer abgestürzt. Wir halten Sie im News-Ticker auf dem Laufenden.
Mehr als 600 Hinterbliebene versammelten sich am Donnerstagmorgen im Alpendorf Le Vernet. An einer dort in Erinnerung an die Opfer errichteten Stele gedachten sie um genau 10.41 Uhr mit einer Schweigeminute der Toten - zu diesem Zeitpunkt hatte Copilot Andreas Lubitz die Maschine an einem Berghang zerschellen lassen.
Verlesen wurden bei der vom Germanwings-Mutterkonzern Lufthansa organisierten und streng abgeschirmten Zeremonie auch die Namen der Opfer. Auf dem Friedhof von Le Vernet, wo die nicht identifizierten sterblichen Überreste der Toten in einem Gemeinschaftsgrab bestattet liegen, wurden anschließend Blumenkränze vor einer neuen Gedenktafel mit den Namen der Opfer niedergelegt. Die Hinterbliebenen konnten außerdem auf einen Gebirgspass mit Blick auf die Absturzstelle laufen.
Ein Jahr nach Germanwings-Absturz: Gedenken an die Opfer
Der Germanwings-Airbus war am 24. März 2015 auf dem Flug von Barcelona nach Düsseldorf in den südlichen französischen Alpen abgestürzt. Alle 150 Menschen an Bord kamen ums Leben, unter ihnen 72 Deutsche und 50 Spanier. Unter den Opfern waren auch 16 Schüler und zwei Lehrerinnen des Joseph-König-Gymnasiums in Haltern am See. Sie waren auf dem Rückflug von einem Besuch bei einer spanischen Partnerschule.
Der Absturz hatte insbesondere nach Bekanntwerden der Unglücksursache weltweit für fassungsloses Entsetzen gesorgt: Den Ermittlungen zufolge ließ Copilot L. die Maschine absichtlich abstürzen, um sich das Leben zu nehmen. Der 27-Jährige hatte in der Vergangenheit unter schweren Depressionen gelitten und informierte sich in den Tagen vor dem Absturz im Internet über Möglichkeiten eines Suizids.
Lufthansa-Chef Spohr: Trauer braucht Zeit und Orte
Zu der Zeremonie reisten auch Lufthansa-Chef Carsten Spohr und Germanwings-Geschäftsführer

Thomas Winkelmann. Spohr sprach den Angehörigen sein tiefes Mitgefühl aus und sicherte den Hinterbliebenen die Unterstützung der Fluggesellschaft zu. "Dieses Unglück können auch wir nicht lindern, aber wir können zumindest den Angehörigen beistehen", sagte Spohr vor der Trauerfeier.
Seit dem Unfall vor einem Jahr seien Gedanken bei den Opfern und ihren Angehörigen, sagte Spohr nach Angaben von Teilnehmern der Trauerfeier am Donnerstag in Le Vernet. Daran habe sich nichts geändert.
Lufthansa und Germanwings hätte auch viele Kollegen beim Unglück verloren. Doch was sei dies gegen die Katastrophe, die das Unglück im Leben der Angehörigen angerichtet habe. Dies übersteige alle Vorstellungen, sagte Spohr demnach. Briefe und E-Mails, die ihn erreichten, sowie persönliche Gespräche hätten ihn tief erschüttert.
Der Lufthansa-Chef versicherte, sein Unternehmen werde sich weiter um die Gedenkenstätten in Deutschland, Frankreich oder Spanien kümmern. Trauer benötige nicht nur Zeit, sondern auch Orte, sagte Spohr.
Gleichzeitig erinnerte der Vorstandsvorsitzende, es sei einer der Piloten des Konzerns gewesen, der die Katastrophe herbeigeführt habe. Deswegen würden Lufthansa und Germanwings selbstverständlich ihren Beitrag zur Aufklärung des Absturzes leisten.
Schweigeminute in Haltern
In der nordrhein-westfälischen Kleinstadt versammelten sich ebenfalls um 10.41 Uhr dutzende Menschen zu einer Schweigeminute. Vor dem Gymnasium in Haltern versammelten sich vor allem Mitschüler, Lehrer und Bürger aus dem Ort vor einer mit Blumen und Kerzen geschmückten Gedenkstätte an der Schule. In der ganzen Stadt läuteten die Kirchenglocken.
In Haltern schloss sich an die Gedenkminute eine ökumenische Andacht in der katholischen Stadtkirche am Marktplatz an. „Es ist mit Sicherheit das Schlimmste und Schwierigste, was dieser Stadt nach dem Zweiten Weltkrieg passiert ist“, sagte Bürgermeister Bodo Klimpel vor der Andacht.
Das Unglück ist nach den Worten von Schulleiter Ulrich Wessel gerade in der betroffenen Jahrgangsstufe weiterhin "präsent". Die Schüler hätten teilweise ihre besten Freunde verloren, sagte Wessel im Bayerischen Rundfunk. Die Schule versuche zum Alltag zurückzukehren, "aber nicht um den Preis des Vergessens oder Verdrängens willen, sondern aus einer würdigen Erinnerung heraus".
Merkel sichert Hinterbliebenen Solidarität zu
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) versicherte den Trauernden in Haltern, sie seien "in Ihrem Schmerz nicht allein". Unzählige Menschen, auch die Mitglieder der Bundesregierung, "sind in Gedanken bei Ihnen", schrieb die Kanzlerin in einem Beitrag für die "Halterner Zeitung". Der Bürgermeister der Stadt, Bodo Klimpel (CDU), sagte, Haltern am See nehme das Unglück als Bestandteil der Stadtgeschichte an. "Wir haben gemeinschaftlich erklärt, dass wir die Opfer nicht vergessen möchten."
Streit um Entschädigungen dauert an
Opferanwälte werfen der Lufthansa vor, wegen der Krankheitsgeschichte des Piloten eine Mitverantwortung an der Katastrophe zu tragen. Sie wollen die Fluggesellschaft in den USA verklagen, wo L. an einer Lufthansa-Flugschule ausgebildet wurde. Dort sollen auch Entschädigungszahlungen in Millionenhöhe für die Angehörigen erstritten werden.
Lufthansa-Chef Spohr bekräftigte in Le Vernet seinen Willen zu „konstruktiven Lösungen“ bei den Entschädigungen. „Wir haben von Anfang an gesagt, wir werden uns großzügig zeigen und haben uns auch im ersten Jahr großzügig gezeigt“, sagte er. Für jedes Opfer wurde nach Angaben von Germanwings eine Soforthilfe von 50.000 Euro gezahlt. Dazu sollen 25.000 Schmerzensgeld für jeden Toten gezahlt werden. Nächste Angehörige sollten ohne weitere Prüfung 10.000 Euro bekommen.
EU-Kommissarin: Nach Germanwings-Absturz ist Sicherheit verbessert
Die zuständige EU-Kommissarin sieht derweil eine bessere Sicherheitslage im europäischen Luftverkehr. „Unmittelbar nach dem Absturz empfahl die Europäische Agentur für Flugsicherheit den Luftfahrtunternehmen, dass sich jederzeit zwei Personen im Cockpit aufhalten sollten. Dies ist nunmehr gängige Praxis in der EU.“
Gedenken an Opfer der Germanwings-Katastrophe
afp/dpa