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„Ich vermisse John sehr“

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Für die „Süddeutsche Zeitung“ ist er „Deutschlands einzige Rocklegende“: Klaus Voormann (71).

Nur wenige kennen die Beatles so gut wie Klaus Voormann. Der Grafiker und Musiker lernte die Fab Four 1960 in Hamburg kennen, wäre beinahe selbst Band-Mitglied geworden.

Er blieb John Lennon, Paul McCartney, George Harrison und Ringo Starr auch dann verbunden, als es die Gruppe nicht mehr gab. Wir sprachen mit dem 71-Jährigen, der heute am Starnberger See lebt.

Herr Voormann, im Herbst vor 50 Jahren haben Sie die Beatles in einem Kellerclub an der Hamburger Reeperbahn zum ersten Mal gesehen. Können Sie sich noch daran erinnern?

Klaus Voormann: Ja, es war das erste Mal, dass ich eine Rockband auf einer Bühne sah. Ich fand die Musik schon gut, als ich sie durchs Fenster hörte. Manche sagen heute, die Beatles hätten damals nicht richtig auf ihren Instrumenten spielen können. Das stimmt aber nicht. Sie waren einsame Buben, die für einen Appel und ein Ei auftraten und auf der Reeperbahn herumvegetierten. Irgendwann habe ich John angesprochen, obwohl ich damals noch nicht so gut Englisch konnte. Ich hatte das Cover dabei, das ich für das Album „Walk - Don’t Run“ von den Ventures entworfen hatte.

Sie arbeiteten damals als Grafiker bei der „Hörzu“ und gestalteten nebenbei Platten-Cover für die Deutsche Grammophon.

Voormann: Ja, „Walk - Don’t Run“ war mein erstes Cover. Ich zeigte es John und fragte, was er davon hält. Er sagte: „Sprich mal mit Stuart, er ist der Künstler in der Band.“

Stuart Sutcliffe, der Bassist, der die Beatles 1961 verließ und dessen Nachfolger Sie beinahe geworden wären.

Voormann: Ja, ich wäre damals gern dabei gewesen.

Aber als Sie John fragten, sagte der, dass sich Paul, der bis dahin Gitarrist war, gerade einen Bass gekauft habe. Überlegen Sie manchmal, wie Ihr Leben verlaufen wäre, wenn Sie ein Beatle geworden wären?

Voormann: Ich habe nie darüber nachgedacht. Das machen andere vielleicht.

Sie haben einmal gesagt, als Bassist wären Sie besser gewesen als Paul McCartney. Wie haben Sie das gemeint?

Voormann: Das habe ich nie gesagt. Manchmal wird mir so etwas in den Mund gelegt, weil es eine gute Schlagzeile ist. Paul hat eine völlig andere Art, Bass zu spielen. Er ist sehr melodisch, das finde ich toll. Ich komme mehr aus der Rhythm’n’Blues-Ecke.

Trotzdem haben die Beatles Sie berühmt gemacht. Für die Gestaltung des „Revolver“-Covers bekamen Sie 50 Pfund und einen Grammy. Das ist nicht viel Geld.

Voormann: Überall in der Welt sah man das Cover, auf Tassen und T-Shirts. Da ärgerst du dich. John hatte mich angerufen und gefragt, ob ich eine gute Idee hätte. Bis dahin hatten die Cover stets nur Fotos der Beatles gezeigt. Ich habe mir dann die neuen Songs angehört. Sie klangen überwältigend und waren ein Schritt in die Zukunft, aber nicht mehr klassische Hits. Deshalb habe ich ein Cover gemacht, das dafür sorgt, dass das Publikum das Album trotzdem annimmt.

Sie haben die Beatles also noch ein Stück berühmter gemacht. Und haben Sie nicht auch dafür gesorgt, dass die Fab Four Pilzköpfe trugen?

Voormann: Nein, der erste mit einem Pilzkopf war Jürgen Vollmer, ein Kommilitone aus der Kunstschule. Er hat die Frisur John und Paul bei einem Urlaub in Paris verpasst.

Wieso haben John Lennon und Paul McCartney so gut zusammengepasst?

Voormann: Sie haben sich perfekt ergänzt. Paul ist der Perfektionist, während John im Studio ein bisschen hektisch arbeitete. Als wir 1970 mit der Plastic Ono Band sein erstes Solo-Album eingespielt haben, wollte er die Musik so schnell wie möglich aufnehmen. Die Platte ist meine Lieblings-LP, weil sie so roh und direkt klingt. Niemand wollte etwas übertünchen mit einer großen Produktion.

Sehen Sie Paul McCartney und Ringo Starr noch ab und zu?

Voormann: Manchmal treffen wir uns - etwa beim Konzert anlässlich des ersten Todestages von George Harrison 2002 in London. Dann reden wir, wie alte Freunde reden, die sich lang nicht gesehen haben. Aber ansonsten lass ich die Burschen in Ruhe. Jeder hat sein eigenes Leben: Ich bin hier in Deutschland, und die tigern in der Weltgeschichte rum.

Zuletzt haben Sie Ihr Album „A Sideman’s Journey“ veröffentlicht - mit Paul und Ringo. Rufen Sie einfach Ihren Kumpel an und fragen: „Paul, hast du Lust mitzuspielen?“

Voormann: Eigentlich war es mir unangenehm, die alten Freunde um einen Gefallen zu bitten. Dann habe ich aber eine E-Mail an Pauls Firma geschickt, und irgendwann rief er zurück und war begeistert. Ihm hat auch gefallen, dass es eine Charity-Sache war.

Ein Teil der Erlöse kam den Ogalala-Dakota-Indianern zugute, deren Reservat teilweise mit Giftstoffen verseucht ist.

Voormann: So etwas ist in Pauls Sinn. Er wusste aber auch noch, wie wir 1962 im Hamburger „Top Ten“ erstmals gemeinsam Musik gemacht haben. Stuart wollte mit seiner Freundin auf dem Sofa sitzen, drückte mir seinen Bass in die Hand und sagte: „Spiel mal.“ Ich hatte Riesenangst und wollte nicht auf die Bühne. Also setzte ich mich davor und spielte mit den anderen „I’m In Love Again“ von Fats Domino. Paul konnte sich noch daran erinnern und fragte: „Warum besucht du mich nicht in meinem Studio in East Sussex?“ So haben wir es gemacht.

Im Februar standen Sie mit Yoko Ono, Sean Lennon und Eric Clapton als Yoko Ono Plastic Band in New York auf der Bühne. Sie sind also noch nicht raus aus dem Musikgeschäft.

Voormann: Yoko hatte mir eine Mail geschrieben und gefragt, ob ich mitmachen würde. Es war ein sehr bewegender Moment, nach 40 Jahren wieder gemeinsam auf der Bühne zu stehen, aber man hat John ständig in Gedanken vor sich. Ich vermisse ihn sehr.

Sind Sie heute eigentlich reich?

Voormann: Überhaupt nicht. Ich habe einen großen Fehler gemacht: Ich hätte Songs schreiben sollen. Mit Ringo und George hätte es die Möglichkeit gegeben. Aber damals dachte ich: Es gibt so viele Leute, die so viele gute Lieder schreiben. Dann muss ich das nicht auch noch machen. Als Songschreiber hätte ich richtig viel Geld verdienen können. Immerhin habe ich viel Kohle bekommen, nachdem ich Trio produziert hatte. „Da, Da, Da“ wurde sieben Millionen Mal verkauft. Andererseits: Geld ist nicht alles im Leben.

Von Matthias Lohr

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