Gil Ofarim angeklagt: Kretschmer fordert „Entschuldigung“ – und gerät selbst in Kritik
Die Staatsanwaltschaft Leipzig hat Anklage gegen den Musiker Gil Ofarim wegen falscher Verdächtigung und Verleumdung erhoben.
Update vom Freitag, 01.04.2022, 17.30 Uhr: Die Staatsanwaltschaft Leipzig hat Gil Ofarim wegen Verleumdung und falscher Verdächtigung angeklagt. Der Musiker hatte im vorigen Oktober in einem viralen Video Antisemitismus-Vorwürfe gegen ein Leipziger Hotel erhoben. Nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft hat sich der Vorfall aber nicht so wie geschildert zugetragen. Ofarim wollte sich auf Anfrage nicht zu den Vorwürfen äußern.
Für das weitere Verfahren gibt es mehrere Möglichkeiten: Die zuständige Kammer des Landgerichts kann die Anklage komplett zulassen, sie kann sie mit Änderungen zulassen oder sie kann sie nicht zulassen. Eine weitere Option ist, dass die Anklage zugelassen, das Verfahren aber vor dem Amtsgericht eröffnet wird. Dort würde der Fall vom Strafmaß her eigentlich hingehören. Die Staatsanwaltschaft hatte sich jedoch wegen der besonderen Bedeutung und öffentlichen Wirkung des Falls dafür entschieden, Anklage zum Landgericht zu erheben. So etwas komme in Einzelfällen vor, sagte die Gerichtssprecherin.
Eine Gerichtssprecherin teilt mit, dass jetzt eine mehrwöchige Erklärungsfrist läuft, in der sich der Künstler und seine Anwälte äußern könnte. Das Landgericht Leipzig wird in einigen Wochen entscheiden, ob es die Anklage gegen Ofarim zulässt. Bis zu einer Verurteilung gilt für Gil Ofarim die Unschuldsvermutung.

Update vom Freitag, 01.04.2022, 09.45 Uhr: Der Sänger Gil Ofarim hatte behauptet, in einem Leipziger Hotel antisemitisch angefeindet worden zu sein. Nun wurde Anklage wegen Verleumdung gegen den Musiker erhoben (s. Erstmeldung). Ofarims Management äußerte sich bislang nicht zu der neuen Sachlage. Dagegen kritisierte Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU*) Ofarim und forderte eine Entschuldigung.
Der Sänger habe „nicht nur den Mitarbeiter, das Hotel, die Stadt und Sachsen in Misskredit gebracht, sondern auch Schaden an der jüdischen Gemeinschaft angerichtet“, schrieb Kretschmer am Donnerstag (31.03.2022) auf Twitter. „Das Mindeste, was man nun erwarten kann, ist eine Entschuldigung – auch von denen, die vorschnell ihre Schlüsse gezogen und vorverurteilt haben.“
Sachsens Ministerpräsident äußert sich zu Gil Ofarim
Kretschmer wies in seinem Tweet darauf hin, dass in den vergangenen Jahrzehnten „ein großes Vertrauen zwischen Deutschen und Juden gewachsen“ sei. „Es ist ein hohes und wertvolles Gut, ein Wert, den wir uns nicht zerstören lassen“, ergänzte der Ministerpräsident.
Mit der Differenzierung zwischen Deutschen und Juden stieß Kretschmer allerdings auf Kritik. „Sehr viele Jüdinnen & Juden in Deutschland sind Deutsche. Wie die meisten Sächsinnen & Sachsen auch. Das Eine schließt das Andere nicht aus“, wies ein Twitter-Nutzer hin. „Lieber Herr Ministerpräsident. Mit Ihren Worten: Juden sind also keine Deutsche“, kritisierte der Journalist Richard Schneider. „Habe ja wirklich ne große Klappe, aber das lässt mich sprachlos zurück“, schrieb eine andere Nutzerin bei Twitter.
Gil Ofarim wegen Verleumdung angeklagt
Erstmeldung vom Donnerstag, 31.03.2022, 13.30 Uhr: Leipzig – Der Musiker und Schauspieler Gil Ofarim ist von der Staatsanwaltschaft Leipzig angeklagt worden. Das berichtet unter anderem die Nachrichtenagentur AFP. Ofarim hatte behauptet, man habe ihn in einem Leipziger Hotel antisemitisch angefeindet. Nun könnte sich der Sänger vor Gericht verantworten müssen.
Angeklagt wird der Sänger wegen des Vorwurfs der falschen Verdächtigung und Verleumdung. Ofarim hatte einem Angestellten des Leipziger Hotels* im vergangenen Jahr vorgeworfen, ihn judenfeindlich beleidigt zu haben. Laut den Ermittelnden habe sich dieser Vorwurf allerdings nicht erhärtet. Das Verfahren gegen den Hotelmitarbeiter wurde eingestellt, wie die Ermittlungsbehörde am Donnerstag (31.03.2022) mitteilte. Das gesamte Hotel-Team sei nun „nach langen Wochen und Monaten über die Entscheidung der Staatsanwaltschaft äußerst erleichtert“. Aufgrund der großen öffentlichen Wirkung des Falls sei die Anklage zum Landgericht und nicht zum Amtsgericht erfolgt.
Gil Ofarim: Anklage gegen Musiker wegen falscher Verdächtigung und Verleumdung
Ofarim hatte im Oktober in einem auf Instagram veröffentlichten Video berichtet, dass er in dem Leipziger Hotel aufgefordert worden sei, seine Kette mit Davidstern abzunehmen. Die Veröffentlichung des Videos durch Ofarim schlug hohe Wellen. Unter anderem zeigte sich der damalige Außenminister Heiko Maas „fassungslos“ und forderte einen „Schulterschluss der Gesellschaft“ gegen Antisemitismus.
Nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft trug sich der von Ofarim geschilderte Vorfall aber nicht zu. Es seien umfangreiche Ermittlungen erfolgt und zahlreiche Zeugen vernommen worden. Zudem wertete ein Digitalforensiker Aufnahmen von Videokameras aus, die im Hotelbereich hängen. „Nach Auffassung der Staatsanwaltschaft hat sich in der Gesamtschau der hieraus gewonnenen Erkenntnisse das Geschehen, wie es von Gil Ofarim in seinem veröffentlichten Video geschildert worden ist, tatsächlich so nicht ereignet“, teilte die Anklagebehörde laut dpa mit. Da damit kein Tatverdacht gegen den Hotelmitarbeiter bestehe, sei dessen Verfahren eingestellt worden.
Anklage gegen Gil Ofarim: Antisemitismusvorwürfe gegen Hotelmitarbeiter
Demgegenüber bestehe aber ein hinreichender Tatverdacht, dass Ofarim mit dem Wissen um die Unwahrheit seiner Äußerungen und in Kenntnis der sich daraus für den betroffenen Hotelmitarbeiter ergebenden ehrverletzenden und in der öffentlichen Meinung herabwürdigenden Folgen sein Video veröffentlicht habe. Außerdem werde Ofarim vorgeworfen, bei einer polizeilichen Vernehmung am 12. Oktober nicht nur den falschen Geschehensablauf wiederholt, sondern ihn außerdem ausdrücklich angezeigt zu haben.
Das Landgericht Leipzig muss nun über die Zulassung der Anklage und die Eröffnung des Hauptverfahrens entscheiden. Ofarims Management ist von der Nachrichtenagentur dpa für eine Stellungnahme des Künstlers angefragt. (sne/svw/kas/fh mit AFP/dpa) *fr.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA.