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Jetzt sechs EHEC-Tote - Streit um Gurkenherkunft

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Auch deutsche Bauern leiden unter dem Mißtrauen der Verbraucher. Hier schreddert ein Bauer seinen nicht verkaufter Salat. © dpa

Berlin - Die steigenden EHEC-Erkrankungen sind alarmierend.  Bundesweit gibt es sechs Todesfälle, die damit in Verbindung gebracht werden. Derweil wollen norddeutschen Bauern die Behörden verklagen.

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Norddeutsche Gemüsebauern wollen das Bundesverbraucherschutzministerium und das Robert-Koch-Institut verklagen: Deren Warnungen vor dem Verzehr von Gemüse in Norddeutschland wegen spanischer Gurken, die mit dem gefährlichen EHEC-Errereger befallen waren, habe zu drastischen Absatzeinbußen geführt. Der Gartenbauverband Nord und der Bauernverband Hamburg fordern deshalb Schadenersatz für ihre Verdienstausfälle.

Unterdessen ist kein Ende der EHEC-Welle in Sicht: Experten erwarten, dass die Zahl der mit dem gefährlichen Darmkeim infizierten Menschen weiter steigen könnte. Das Robert-Koch-Institut (RKI) sprach am Freitag von 276 am Hämolytisch-Urämischen Syndrom (HUS) Erkrankten - das sind 60 Fälle mehr binnen 24 Stunden. “Wir müssen aufgrund der steigenden Zahlen immer noch von einem dynamischen Geschehen ausgehen“, hieß es aus dem niedersächsischen Gesundheitsministerium in Hannover. Bundesweit sechs Todesfälle werden inzwischen mit EHEC in Verbindung gebracht. Die Suche nach der Herkunft des Erregers lief auf Hochtouren. Genauere Erkenntnisse liegen aber vermutlich erst nächste Woche vor. Eine der vier mit den Bakterien infizierten Gurken, so stellte sich inzwischen heraus, wurde aus den Niederlanden geliefert. Die anderen drei kamen aus Spanien.

Normalerweise treten in Deutschland jährlich bis zu 60 HUS-Fälle - also schwere Verläufe der EHEC-Infektion - auf. Ein Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums zitierte das RKI, ein weiterer Anstieg bei den Neuerkrankungen sei nicht auszuschließen. Es müsse davon ausgegangen werden, dass die Infektionsquelle noch aktiv sein könnte, sagte er. Die Verzehrempfehlungen des RKI - Verzicht auf rohe Tomaten, Gurken und Salat - hätten daher weiter Bestand. Instituts-Präsident Reinhard Burger erklärte in der ARD, es müssten jetzt die Infektionsketten aufgeklärt werden, um zu sehen, von welchem Lebensmittel der Erreger stamme und in welchem Bereich der Produktion, der Auslieferung oder der Verpackung der Erreger auf das Lebensmittel gekommen sei.

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In Cuxhaven starb am Morgen eine ältere Frau, bei der eine EHEC-Erkrankung nachgewiesen worden war. Von den sechs Todesfällen in Deutschland lassen sich fünf eindeutig auf eine Infektion mit dem Darmerreger zurückführen, ein Fall ist noch unbestätigt. Unklar ist auch noch, ob die an Gurken in Hamburg gefundenen Bakterien mit denen der infizierten Menschen übereinstimmten. Die entsprechenden Untersuchungen werden wohl noch Tage dauern, wie die Sprecherin des Hamburger Instituts für Hygiene und Umwelt, Sinje Köpke auf dapd-Anfrage, mitteilte.

Spanien sieht keine Beweise für EHEC-Erreger von heimischen Bauern

Die spanischen Behörden sahen zunächst keine Beweise dafür, dass Produkte von Bauernhöfen des Landes für die EHEC-Infektionen verantwortlich sind. Eine Untersuchung solle klären, ob die Gurken bereits in Südspanien oder erst auf Transport nach Deutschland mit dem Erreger infiziert worden seien, sagte die spanische Landwirtschaftsministerin Rosa Aguilar. “Nach jetzigem Stand haben wir keinen Beweis, der darauf hindeuten könnte, dass die Verunreinigung im Ursprungsland stattgefunden hat“, erklärte sie. Es gebe unterschiedliche EHEC-Bakterienstämme und jener, der in Deutschland gefunden worden sei, sei in Spanien sehr selten.

Eines der zwei betroffenen Unternehmen, Pepino Bio Frunet mit Sitz in Malaga, erklärte auf dapd-Anfrage, dass eigene Tests an den Gurken des betroffenen Bauern keine Verunreinigung ergeben hätten. Eine Sprecherin äußerte die Vermutung, dass die Erreger in Deutschland an die Gurken gelangt seien. Der Hamburger Gemüsehändler Uwe Behncken erklärte, die fragliche Palette mit 180 Kisten Gurken sei auf einem Lastwagen gegen die Bordwand gerutscht. Die Gurken hätten keinen Kontakt mit dem Boden gehabt, es seien nur 14 Kisten beschädigt und damit unverkäuflich geworden.

Auch mehrere deutsche Fachleute hielten die Sturz-Theorie für Unfug. “Dass die belasteten Gurken von einer einzigen Palette stammten, die durch ein Umkippen verseucht wurde, können wir aufgrund der Probenentnahme an unterschiedlichen Stellen ausschließen“, teilte Hamburgs Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD) mit. “Auch kann Ware von einer einzigen Palette unmöglich zu EHEC-Primär- Infektionen mit diesem Ausmaß führen.“

Ihr liege eine E-Mail des Großhändlers in Hamburg vor, wonach eine Palette mit 180 Kisten Gurken vom Transporter gekippt und auf den Boden gefallen sei. Außerdem seien die deutschen Proben zweieinhalb Wochen nach Auslieferung gemacht worden, als die Gurken schon halb verschimmelt in einem Lager gestanden hätten. “Wir wollen auch nach der Wahrheit suchen“, sagte die Pepino-Bio-Frunet-Mitarbeiterin. Sie hoffe, dass Tests in Spanien und anderen Exportländer der Gurken die eigenen Proben bestätigen. Gleichzeitig kritisierte sie die deutschen Behörden, die Pepino Bio Frunet nicht über das genaue Ergebnis der Analysen informiert hätten.

Auf dem Hamburger Großmarkt waren am Donnerstag vier mit dem EHEC-Erreger infizierte Gurken gefunden worden, drei aus Spanien. Bei der vierten Gurke gibt es eine Spur in die Niederlande. Der Sprecher der Gesundheitsbehörde der Hansestadt, Rico Schmidt, erklärte, die Ermittlungen liefen noch.

Bauernpräsident fordert schärfere Regeln für Import-Gemüse

Bauernpräsident Gerd Sonnleitner verlangte unterdessen schärfere Regeln für Importgemüse. “Wir fordern, dass es in der EU einheitliche Standards gibt. Diese Regeln müssen auch für Drittländer gelten, die zu uns liefern“, sagte Sonnleitner der in Düsseldorf erscheinenden “Rheinischen Post“.

Scharfe Kritik übte er in der “Berliner Zeitung“ am RKI: Dessen Empfehlung, kein Gemüse aus Norddeutschland zu kaufen, sei für die Bauern verheerend gewesen. Jeder, der nur ein bisschen Ahnung von der Natur habe, wisse, dass es in Norddeutschland in dieser Jahreszeit keine Freilandgurken und Tomaten gebe. “Die konnten also gar nicht mit Gülle in Berührung kommen“, erklärte er. Der Gartenbauverband Nord und der Bauernverband Hamburg kündigten an, das RKI und das Bundesverbraucherschutzministerium auf Schadensersatz zu verklagen.

dapd/dpa

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