2000 Asylbewerber sitzen auf Bahnhöfen fest

Budapest/Wien - Der Flüchtlingszustrom überfordert Ungarns Behörden.Derzeit sitzen bis zu 2000 Asylbewerber auf Budapester Bahnhöfen fest, weil ihnen das offenbar überforderte Einwanderungsamt keine Lager mehr zuweist.Die Budapester Polizei lässt inzwischen ausreisewillige Migranten weiterreisen.
Die ohnehin schon dramatische Flüchtlingskrise in Europa hat sich am Montag nochmals verschärft: Die ungarische Polizei zog sich Medienberichten zufolge vom Budapester Ostbahnhof zurück, wo Hunderte festsitzende Migranten seit dem Morgen in Züge nach Wien stiegen. In Berlin dementierte die Bundesregierung Gerüchte, denen zufolge Sonderzüge gechartert worden sein sollen, um Flüchtlinge von Ungarn nach Deutschland zu bringen.
Laut ungarischem Fernsehen bildeten sich nach dem Polizeiabzug lange Schlangen vor den Fahrkartenschaltern in Budapest. Seit dem Morgen seien Hunderte Flüchtlinge in die Züge nach Österreich gestiegen, meldete das Internet-Portal origo. Die Polizei hatte sie bisher daran gehindert.
Die österreichische Bundesbahn kündigte an, ihr Zugpersonal werde an der ungarischen Grenze entscheiden, ob die Züge übernommen würden oder nicht. Es solle nicht geklärt werden, ob es sich um Flüchtlinge oder andere Fahrgäste handele, sagte Konzernsprecher Michael Braun der Nachrichtenagentur APA. Allerdings könne die Beförderung abgelehnt werden, wenn jemand keine Fahrkarte habe oder der Zug überfüllt sei.
Einwanderungsamt weist keine Lager mehr zu
Derzeit sitzen laut der Hilfsorganisation Migration Aid bis zu 2000 Asylbewerber auf Budapester Bahnhöfen fest, weil ihnen das offenbar überforderte Einwanderungsamt keine Lager mehr zuweise.
"Wer nach Ungarn kommt, muss sich dort registrieren lassen und das Asylverfahren dort durchführen", forderte das Bundesinnenministerium. Die Behörde wies zudem Gerüchte zurück, wonach die Bundesrepublik syrische Flüchtlinge mit Sonderzügen nach Deutschland hole. Auch habe Deutschland keineswegs die Regel ausgesetzt, wonach derjenige Mitgliedstaat für ein Asylverfahren zuständig ist, in dem ein Asylbewerber erstmals europäischen Boden betritt.
Die ungarische Regierung hatte zuvor von Deutschland eine "Klärung der juristischen Fragen" zur Weiterreise von in Ungarn gestrandeten Flüchtlingen gefordert. "Während Ungarn sich an die EU-Regeln hält, legt Deutschland ein nachgiebigeres Verhalten an den Tag", sagte ein Regierungssprecher am Montag. Ungarn befolge die Regel, dass ein Mitgliedsland Nicht-EU-Bürger nur dann in ein anderes Mitgliedsland reisen lassen dürfe, wenn diese über ein gültiges Visum für dieses Land verfügten.
Deutschland hatte zuletzt angekündigt, syrische Asylbewerber nicht mehr in andere EU-Länder zurückzuschicken, über die sie in die Europäische Union eingereist sind.
Die östlichen EU-Staaten Slowakei, Tschechien, Polen und Ungarn wollen ihre Haltung in der Flüchtlingskrise am Freitag oder Sonntag auf einem Gipfeltreffen abstimmen. Das kündigte der slowakische Ministerpräsident Robert Fico am Montag an. Dem Druck der westlichen EU-Staaten wolle er nicht nachgeben, sagte der Linkspolitiker: Verpflichtende Quoten zur Umverteilung von Flüchtlingen innerhalb der EU würden "nur die organisierte Kriminalität" fördern.
Sondersitzung soll Verteilung des Flüchtlingsstroms klären
Die Innen- und Justizminister der 28 EU-Länder treffen sich am 14. September zu einer Sondersitzung. Bislang nehmen wenige Staaten, darunter Deutschland, das Gros der Flüchtlinge auf. Viele andere Länder weigern sich, zumeist aus Furcht vor Unmut in der Bevölkerung.
Trotz des am Sonnabend fertiggestellten Stacheldrahtzauns an der Grenze zu Serbien griff die ungarische Polizei tags darauf nach eigenen Angaben 2890 Flüchtlinge auf, die neu über die Grenze gekommen waren. Die 175 Kilometer lange Stacheldrahtsperre soll bis Ende Oktober um einen bis zu vier Meter hohen Maschendrahtzaun ergänzt werden.
Wegen österreichischer Verkehrskontrollen an der Grenze zu Ungarn bildeten sich am Montag an den Übergangspunkten kilometerlange Rückstaus. Nach dem jüngsten Flüchtlingsdrama in Österreich mit 71 Toten verstärkte neben der Alpenrepublik auch Bayern seine Fahndung nach Schleuserbanden und nahm in Grenznähe zum Nachbarland spezielle Kontrollen an den bayerischen Autobahnen auf. Allein in Österreich wurden seit Sonntag nach Polizeiangaben fünf mutmaßliche Schlepper und mehr als 200 Flüchtlinge aufgegriffen.
Illegale Einwanderung dürfe nicht mit dem Recht auf Asyl verwechselt werden, mahnte Frankreichs Premierminister Manuel Valls am Montag während eines Besuchs im nordfranzösischen Calais. Humanitäre Hilfe sei geboten, gegen Schleuser und illegale Einwanderer müsse aber entschlossen vorgegangen werden.
dpa