Bayern: Keine Verfassungsklage gegen den Bund - vorerst

München - Eine Klage Bayerns gegen Kanzlerin Merkels Flüchtlingspolitik ist seit Monaten angedroht, aber bisher nicht umgesetzt. Nun setzt sich die Staatsregierung einen Zeitrahmen.
Die Staatsregierung nimmt sich Zeit für ihre angedrohte Verfassungsklage gegen die Flüchtlingspolitik von Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) und sein Kabinett kamen am Dienstag zu dem Schluss, dass sie bis Ende Juli Zeit für einen eventuellen Gang nach Karlsruhe haben. „Eine Klage kann sicher nur das letzte Mittel sein“, sagte Justizminister Winfried Bausback nach der Kabinettssitzung.
Zunächst will die Staatsregierung die Antwort der Bundesregierung auf den Ende Januar aufgegebenen Brief abwarten, in dem das Kabinett die Klage formell angedroht hatte. In den vergangenen Tagen war viel spekuliert worden - angeheizt durch Äußerungen Seehofers - dass die Klage im Laufe der kommenden Wochen eingereicht werden könnte.
Die Staatsregierung bestellte am Dienstag zwar den Bayreuther Staatsrechtler Markus Möstl als Prozessbevollmächtigten. Doch dass nun tatsächlich geklagt werden würde, ist nach wie vor nicht abzusehen. „Wir haben uns bis heute nicht auf einen Zeitpunkt festgelegt“, sagte Staatskanzleichef Marcel Huber.
Die Staatsregierung argumentiert, dass die Grenzöffnung für Flüchtlinge die „eigenstaatliche Handlungsfähigkeit“ Bayerns beeinträchtigt - sowohl wegen der daraus resultierenden Milliardenkosten als auch wegen des hohen organisatorischen Aufwands in den Behörden.
Frist endet im Juli
Die Fachjuristen hatten in den vergangenen Tagen vor allem eine formale Frage eifrig diskutiert: Bis wann die Staatsregierung gegen Merkels Kurs gerichtlich zu Felde ziehen darf, ohne dass die halbjährige Klagefrist für Bund-Länder-Streitigkeiten verstreicht. Die Kanzlerin hatte am 4. September 2015 die Entscheidung zur Grenzöffnung für Flüchtlinge bekanntgegeben, somit würde die Klagefrist bereits am 4. März enden.
Geklagt werden kann aber auch gegen Untätigkeit des Bundes - diese Option wählt nun die Staatsregierung. Das rechtliche Argument: Merkels Grenzöffnung sei eine augenblickliche „humanitäre Aktion“ gewesen, sagte Justizminister Bausback. „Es war nicht abzusehen, dass ein Dauerzustand eintreten würde.“
Denn der Bund hat es nach Einschätzung der Staatsregierung anschließend unterlassen, nach Merkels „humanitärer Aktion“ wieder geordnete Verhältnisse an der Grenze herzustellen - und darin soll der eigentliche Verfassungsverstoß liegen. Deswegen geht das Kabinett davon aus, dass die halbjährige Frist erst mit dem bayerischen Protestbrief gegen die Untätigkeit des Bundes an der Grenze einsetzt. Somit würde die Frist erst Ende Juli enden. Bisher haben weder Merkel persönlich noch das Bundeskanzleramt oder ein Bundesministerium den Brief aus Bayern beantwortet.
Drohung von 50.000 Euro Bußgeld
Weiter beschloss die Staatsregierung am Dienstag den Entwurf für ein bayerisches Integrationsgesetz, das die Grundregeln für die Aufnahme von Einwanderern in Bayern zusammenfassen soll. Darin enthalten: Die Drohung von bis zu 50 000 Euro Bußgeld für eingewanderte Verfassungsfeinde. Das ist eine von mehreren möglichen Sanktionen, die die Staatsregierung in das Gesetz aufnehmen will. Als Beispiel nannte die Staatskanzlei im Kabinettsbulletin „radikale Imame“, die die Scharia predigten und die verfassungsmäßige Ordnung bekämpften. Nicht geplant sind Bußgelder für deutsche Verfassungsfeinde von rechts und links.
Weitere geplante Maßnahmen: Wer nicht eindeutig identifiziert werden kann, soll kein Betreuungsgeld oder andere bayerische Landesleistungen ausgezahlt bekommen. Und angesichts mancher Beschwerden über sexuelle Belästigungen in Schwimmbädern sollen die Kommunen Flüchtlingen den Zutritt zu ihren öffentlichen Einrichtungen verbieten können, wenn diese nicht einer vorherigen „Belehrung“ zustimmen.
Die Opposition sieht die CSU-Pläne skeptisch bis ablehnend. SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher bemängelte, es sei nach wie vor nicht klar, wie die Integration bewerkstelligt werden solle. „Nach schwammiger, nebulöser Darstellung (...) habe ich keine Vorstellung davon“, sagte Rinderspacher.
Die Grünen-Abgeordnete Christine Kamm kritisierte das Ungleichgewicht zwischen den Grundsätzen „fördern“ und „fordern“. Als Beispiel nannte sie die im Gesetz geplante Drohung, dass Einwanderer die Kosten von Sprachkursen zurückzahlen sollen, wenn sie nicht ordentlich Deutsch lernen. „Es gibt gar nicht genug Sprachkurse“, sagte Kamm.
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dpa