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Angst vor Krieg mit Russland: Mädchen wendete sich mit Bitte an Bundeskanzler Adenauer

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Von: Peter Pauls

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Bundeskanzler Konrad Adenauer an seinem Schreibtisch, Brief von Elisabeth aus dem Jahr 1951.
Bundeskanzler Konrad Adenauer an seinem Schreibtisch, Brief von Elisabeth aus dem Jahr 1951. © dpa / Stiftung Bundeskanzler Adenauer Haus

Aus Angst vor einem Krieg mit Russland schlug Elisabeth 1951 Bundeskanzler Adenauer einen Beitrag zur Lösung des Konflikts vor – im Grunde hat sie damit eine diplomatische Grundregel formuliert, meint unser Gastautor Peter Pauls.

Köln – Vor über 71 Jahren, Ende 1951, schrieb die elf Jahre alte Elisabeth aus Kevelaer (Nordrhein-Westfalen) einen Brief an den damaligen Bundeskanzler Konrad Adenauer. Als Fünfjährige hatte sie in Rolandseck in Remagen bei Bonn erleben müssen, wie in der Endphase des 2. Weltkrieges Bomben um sie herum einschlugen und detonierten. Wie durch ein Wunder explodierte der Sprengkörper nicht, der vor das Haus fiel, in dem sie und ihre Familie sich zu jener Zeit aufhielten. Ein Blindgänger. Seither hatte das Kind einen geschärften Sinn für das, was es in Nachrichtensendungen hörte oder aus den Reden der Erwachsenen mitnahm.

Brief an Konrad Adenauer: „Würde mich freuen, wenn Sie auf meinen Vorschlag eingehen“

„Ich habe eine große Bitte an Sie,“ schrieb sie an den „lieben Herrn Dr. Adenauer“. „Ich höre so oft, dass wir mit Russland keinen Frieden haben. Ich muss immer daran denken, dass es Krieg geben könnte und kann schon nicht mehr ruhig schlafen.“ In schöner Schreibschrift schlägt sie Adenauer vor, den Diktator Josef Stalin und seinen Außenminister Wischinski einzuladen und zu bewirten, um anderntags die anstehenden Probleme zu lösen. „Vielleicht sagen sie dann zu allen Vorschlägen ja. Wie wäre das schön, und wir könnten alle wieder ganz beruhigt sein und ohne die Angst, dass wieder Krieg käme. Ich würde mich freuen, wenn Sie auf meinen Vorschlag eingehen. Schreiben Sie mir recht bald.“ Den kompletten Wortlaut des Briefes finden Sie hier. Adenauer antwortete tatsächlich. „Du brauchst keine Angst zu haben, dass wir Krieg bekommen“, schrieb der damals 75-jährige Kanzler an die „liebe Elisabeth“. „Der liebe Gott wird schon helfen, dass wir Frieden behalten.“

„Meine Eltern hatten keine Ahnung von dem Brief an Bundeskanzler Adenauer“

Der Brief von Elisabeth ist vor wenigen Wochen im Archiv der Stiftung Bundeskanzler-Adenauer-Haus entdeckt worden. In dessen Vorstand sitzt seit 32 Jahren der Kölner Kanzler-Enkel, der Notar Konrad Adenauer. Er schickte mir eine Kopie und nach einigen Telefonaten gelang es mir, mit der Schreiberin zu sprechen, die heute zwar über 80 Jahre alt ist, am Telefon jedoch klingt, als sei sie eine junge Frau. Ob ihr die Eltern halfen, das Schreiben zu formulieren? „Die hatten keine Ahnung.“ Und wie sie davon erfuhren? „Ich wurde in das Büro meines Vaters zitiert. Der sagte: Du hast einen Brief bekommen. Da ist ein Adler drauf.“ Waren die Eltern stolz auf ihre Tochter? „Ich denke mal.“ Wie sie heute über die Elfjährige denkt, die sich damals ein Herz fasste? „Ich bekomme Gänsehaut, wenn ich daran denke.“

24RHEIN-Gastautor Peter Pauls ist Vorsitzender des Kölner Presseclubs. Zuvor war er lange Jahre Chefredakteur der Tageszeitung Kölner Stadt-Anzeiger. Dieser Beitrag stammt aus dem Newsletter des Kölner Presseclub, den Sie hier abonnieren können

Das erinnert mich an Nelson Mandela, der als Verhandlungsführer der schwarzen Bevölkerungsmehrheit einen Bürgerkrieg in Südafrika abwendete. 1993 hatte der Mord an dem schwarzen Freiheitskämpfer Chris Hani die Lage zwischen Schwarzen und rechtsgerichteten Weißen so zugespitzt, dass man mit einem Bürgerkrieg rechnen musste.

„Wenn wir gegeneinander kämpfen, wird das Land zerstört werden, das wir beide lieben“

Mandelas Gesprächspartner war der frühere Armeegeneral Constand Viljoen, der als wahrscheinlicher Anführer eines Aufstands galt. „Jetzt sitzen wir an diesem Tisch und reden“, erinnerte sich Mandela gegenüber Journalisten – einer davon war ich – an das Gespräch. „Wenn wir gegeneinander kämpfen, wird viel Blut fließen und das Land zerstört werden, das wir beide lieben. Und doch werden wir eines Tages wieder an diesem Tisch sitzen müssen, um Frieden zu finden. Warum tun wir es nicht jetzt und zerstören unser gemeinsames Land nicht?“ Mandelas Worte überzeugten Viljoen, der fortan in reaktionären Kreisen „Judas“ genannt wurde. Der Bürgerkrieg fand nicht statt und Nelson Mandela wurde 1994 der erste schwarze und demokratisch gewählte Präsident aller Südafrikaner.

Hoffen wir, dass der Ukrainekrieg ein Ende findet. Es wird ja nicht nur ein Land und seine Bevölkerung zugrunde gerichtet, auch der Aggressor ruiniert sich. Gewinner kennt dieser Krieg nicht. Vielleicht findet sich ein Mensch von der Statur eines Nelson Mandela? Oder wenigstens ein Funke Einsicht? (pp/IDZRNRW)

Dokumentiert: Das schrieb Elisabeth 1951 an Bundeskanzler Adenauer

Lieber Herr Dr. Adenauer!

Ich heiße Elisabeth und bin 11 Jahre alt. Ich wohne in Kevelaer. Ich habe eine große Bitte an Sie. Ich höre so oft, dass wir mit Russland keinen Frieden haben. Ich muss immer daran denken, dass es Krieg geben könnte und kann schon nicht mehr ruhig schlafen. Ich möchte Ihnen gerne einen Vorschlag machen: Ich habe schon mal gehört, dass der russische Herr Wischinski nicht gut schlafen kann. Wenn Sie ihn nun mal mit Stalin nach Deutschland einladen würden und sie hier mal richtig verwöhnten und Ihnen vor allem nach einem sehr guten Essen ein schönes, weiches Bett geben würden. Ob das nicht helfen könnte, dass Sie dann am anderen Tag mit Erfolg mit Ihnen verhandeln könnten? Vielleicht sagen sie dann zu allen Vorschlägen ja. Wie wäre das schön und wir könnten alle wieder ganz beruhigt sein und ohne die Angst, dass wieder Krieg käme. Ich würde mich freuen, wenn Sie auf meinen Vorschlag eingehen. Schreiben Sie mir recht bald. Ich bin nämlich gespannt!!! Zum Schluss wünsche ich Ihnen noch ein recht frohes Weihnachtsfest.

Herzliche Grüße
Ihre Elisabeth (Kevelaer, den 14.12.1951)

Dokumentiert: Das antwortete Bundeskanzler Adenauer der Elisabeth

Liebe Elisabeth!

Deinen Brief vom 14. d. Mts. habe ich bekommen. Du brauchst keine Angst zu haben, dass wir Krieg bekommen. Der liebe Gott wird schon helfen, dass wir Frieden behalten.

Dir und Deinen Eltern wünsche ich ein frohes Weihnachtsfest und alles Gute für das Jahr 1952.

Mit freundlichen Grüßen
Adenauer (Rhöndorf/Rhein, den 24.12.1951)

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