Widerstand gegen neue Asyl-Pläne der EU: Orban und Co. stoßen von der Leyen vor den Kopf
Das Konzept der EU-Kommission für eine Asylreform liegt vor - es enthält einen Mechanismus für verpflichtende Solidarität. Die Visegard-Gruppe lehnt sie jedoch ab.
- Die EU-Kommission hat ihre Vorschläge für eine Asyl-Reform vorgelegt.
- Bislang ist das Projekt an der Frage der Verteilung von Flüchtlingen gescheitert.
- Nun sollen alle EU-Staaten in Krisen ihren Beitrag zur gemeinsamen Migrationspolitik leisten.
Update vom 24. September, 21.37 Uhr: Es ist in Brüssel schon mal schwieriger gewesen, sich auf einen gemeinsamen Nenner zu einigen. Wen auch immer man fragt, alle Antworten zielen an diesem Mittag in die selbe Richtung. Das kommt beim Thema Migration nicht häufig vor. Das Problem daran ist bloß: Es ist nicht die Richtung, die die EU-Kommissionspräsidentin vorgegeben hat.
Ursula von der Leyen empfängt heute, keine 24 Stunden nach der Vorstellung ihrer Reformpläne zur Asylpolitik, die Regierungschefs aus Ungarn, Tschechien und Polen. Fast die gesamte Visegrad-Gruppe ist damit vertreten (bis auf die Slowakei). Von den Staaten, die die Aufnahme von Flüchtlingen vehement ablehnen, fehlt nur noch Österreich. Es ist ein erster, gewaltiger Härtetest für von der Leyens Entwurf einer Asylpolitik, die beschleunigte Verfahren und eine schnellere Abschiebung vorsieht. In den Augen vieler Beobachter ist die EU der Opposition weit entgegengekommen. Aber offenbar nicht weit genug.
Visegard-Gruppe sträubt sich gegen die Pläne von Ursula von der Leyen
„Es gibt keinen Durchbruch“, stellt anschließend Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban fest. Während die Kommissionspräsidentin auf die EU-Staaten ausdrücklich keinen Zwang zur Aufnahme von Migranten ausüben will und Alternativen wie die Übernahme von Abschiebungen anbietet, moniert Orban, dass auch dieses Konstrukt immer noch einen Zwang darstelle: „Umverteilung und Quoten bleiben Umverteilung und Quoten, egal mit welchem Namen.“
Das klingt schroff und fast schon demonstrativ selbstbewusst. Orban ist mit dieser Haltung nicht allein. Der slowakische Regierungschef Igor Matovic versichert via Facebook: „Pflichtquoten wird es keinesfalls geben, spielen wir doch bitte nicht verrückt!“ Sein tschechischer Amtskollege Andrej Babis hat den Eindruck, „dass die Europäische Kommission immer noch nicht verstanden hat, dass die Lösung für illegale Migration ist, illegale Migranten bereits bei ihrer Ankunft auf europäischem Boden zu stoppen“. Es sei nötig, „Hotspots“ außerhalb der EU zu errichten. Man müsse mit Staaten wie Libyen und Syrien verhandeln, damit die Menschen dort blieben. Drastischer drückt es der Pole Mateusz Morawiecki aus: „Wir wollen Probleme an der Quelle verhindern.“
Österreichs Innenminister: EU-Asyl-Pläne gehen „in die richtige Richtung“
Der Klärungsbedarf scheint nach diesem Treffen nicht geringer zu sein als vorher. Diesen Eindruck bestätigt auch eine EU-Sprecherin: „Es gab eine ganze Reihe von Fragen, die aufgeworfen wurden.“ Babis sieht nun eine „lange Diskussion“ auf die EU zukommen, in den Staaten wie im europäischen Parlament.
Österreichs Innenminister Karl Nehammer sprach dem Vorschlag immerhin zu, er bewege sich „in ganz wichtigen Themenfeldern in die richtige Richtung“. Es sei wichtig, die EU-Außengrenzen zu schützen und Menschen effizienter zurückzuführen. Sprich: Rigoros abzuschieben. Die Regierung in Wien werde den Vorschlag „genau prüfen“. Das klingt freundlicher als bei den Visegrad-Staaten, bedeutet aber das Gleiche. Eine „Einführung eines Verteilungsmechanismus durch die Hintertür“ werde es nicht geben.
Horst Seehofer fordert "Neuanfang" bei der EU-Asylpolitik - und appelliert an Mitgliedsstaaten
Update vom 23. September, 18.00 Uhr: Nach Vorstellung der Pläne der EU-Kommission für eine Asylreform hat Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) die EU-Mitgliedsstaaten zur Kompromissbereitschaft aufgerufen. Er appelliere an alle, „nicht reflexartig in Deckung zu gehen“, sagte Seehofer in Berlin. Er kündigte an, im Zuge der deutschen Ratspräsidentschaft auch in bilateralen Gesprächen nach einer Einigung zu suchen.
Horst Seehofer fordert "Neuanfang" von Asylpolitik der EU-Mitgliedsstaaten
Seehofer lobte den Vorschlag als „gute Grundlage“ für die weiteren Beratungen mit Kommission und Mitgliedstaaten. Er verwies darauf, dass das Paket auf eine verbesserte Zusammenarbeit und Möglichkeiten legaler Zuwanderung von Flüchtlingen nach Europa setze, aber auch auf einen effizienteren Außengrenzenschutz.
In der Asylpolitik werde ein „Neuanfang“ gebraucht, sagte Horst Seehofer. „Jetzt besteht die Chance, dass es zu diesem Reset kommt.“ Er bewertete die Einigungschancen bei vielen Aspekten als „hoch“. Bei der Frage der Solidarität bei der Aufnahme von Flüchtlingen sei es aber „schwierig“, räumte der Innenminister, der kürzlich von Komiker und Satiriker Jan Böhmermann wüst beleidigt wurde, zugleich ein.

Seehofer kündigte an, dass der Ministerrat am 8. Oktober über den Kommissionsvorschlag beraten werde. Danach solle es erneut weitere bilaterale Gespräche geben, um im Dezember bei einer weiteren Ratssitzung nach einer politischen Verständigung zu suchen. Sollte es erforderlich sein, werde es im November einen weiteren Rat geben. Wenn es nicht gelinge, eine Einigung aller 27 Länder zu erreichen, sollten „möglichst viele“ für eine gemeinsame Lösung gefunden werden.
EU-Asylreform: Druck auf Ungarn und Co.? Von der Leyen stellt neue Pläne vor
Update vom 23. September, 13.22 Uhr: Seit Jahren streiten die EU-Staaten über die gemeinsame Asyl- und Migrationspolitik. Wie akut die Lage ist, hat jüngst die Brandkatastrophe im Flüchtlingslager Moria gezeigt. Gelingt nun ein Neustart? Die EU-Kommission hat ihre Pläne für die Reform des europäischen Asylsystems vorgestellt. Sie sehen unter anderem vor:
- schnellere Asylverfahren an den Außengrenzen
- mehr Abschiebungen
- und die Ernennung eines „Rückführungskoordinators“
Wichtig ist auch ein neuer geplanter Verteilungsmechanismus: Bei hohen Flüchtlingszahlen sollen alle Mitgliedstaaten zu „Solidarität“ mit den Ankunftsländern verpflichtet werden - sei es über die Flüchtlingsaufnahme oder über Hilfe bei Abschiebungen. Gleichzeitig plant die Kommission mehr legale Möglichkeiten zur Einwanderung.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen appellierte an die Mitgliedstaaten, eine Lösung für die seit Jahren umstrittene Migrationsfrage zu finden (siehe Ursprungsmeldung). Die Pläne gehen nun an die Mitgliedstaaten und das Europaparlament. Die Kommission forderte beide Seiten angesichts der „Dringlichkeit der Situation vor Ort in mehreren Mitgliedstaaten“ auf, sich „bis zum Jahresende“ auf die „Grundprinzipien“ der Reform zu einigen.
Ob der Plan eine Chance auf Umsetzung hat, ist offen. Ähnliche Versuche waren in den vergangenen Jahren gescheitert. Die EU-Staaten streiten seit Jahren über die gemeinsame Asyl- und Migrationspolitik. Knackpunkt war stets die verpflichtende Verteilung Schutzsuchender auf alle EU-Staaten.
Von der Leyen kündigt radikale Änderung der Migrations-Politik an - „Werden Dublin-Verordnung abschaffen“
Ursprungsmeldung vom 16. September: Brüssel - Bundeskanzlerin Angela Merkel* (CDU*) ist dem Vernehmen nach unzufrieden mit der EU-Migrationspolitik - besonders, nachdem sie und Innenminister Horst Seehofer (CSU*) nach dem verheerenden Brand im griechischen Lager Moria* ankündigten, dass Deutschland mehr als 1500 Flüchtlinge aufnehmen werde und dafür teils harsche Kritik kam .
Nun will EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen der geplanten Asylreform das bisherige Regelwerk über Bord werfen. „Wir werden die Dublin-Verordnung abschaffen“, sagte von der Leyen am Mittwoch vor dem Europaparlament. „Wir werden es durch ein neues europäisches System zur Migrationssteuerung ersetzen.“ Dieses werde „gemeinsame Strukturen zu Asyl und Rückführen“ haben und „einen neuen starken Solidaritätsmechanismus“ beinhalten.
Flüchtlings-Debatte nach Moria-Brand: Von der Leyen erklärt das Retten von Leben auf See für „nicht optional“
Die EU-Kommission will am kommenden Mittwoch einen Vorschlag für einen „neuen Pakt zu Migration“ vorlegen. Von der Leyen twitterte zu dem Thema: „Leben auf der See zu retten ist nicht optional und die Länder, die ihre rechtlichen und moralischen Pflichten erfüllen, müssen sich auf die Solidarität der gesamten EU verlassen können.“
Moria-Inferno verschärft Flüchtlings-Frage: Von der Leyen will Dublin-Regeln abschaffen
Die bisherigen Dublin-Regeln legen fest, dass für Asylanträge grundsätzlich das EU-Land zuständig ist, in dem ein Flüchtling zuerst europäischen Boden betritt. Dies führte dazu, dass Länder an den Außengrenzen der Union in der Flüchtlingskrise vollkommen überlastet waren und dann vielfach Migranten in andere EU-Staaten weiterreisen ließen.
Seitdem strebt die EU eine Reform ihres Asylsystems an. Alle Versuche waren bisher aber an der Frage der Verteilung von Flüchtlingen gescheitert. Insbesondere osteuropäische Regierungen lehnen die Aufnahme von Migranten kategorisch ab, um Hauptankunftsländer an den EU-Außengrenzen wie Griechenland oder Italien zu entlasten. (AFP/frs) *Merkur.de gehört zum Ippen-Digital-Redaktionsnetzwerk.