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Katar-Korruption in der EU? Vizepräsidentin festgenommen – es dürfte nicht nur bei einem Fall bleiben

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Von: Andreas Schmid

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Eva Kaili sitzt seit 2014 im Europäischen Parlament.
Korruptionsvorwürfe in der EU: Ließ sich Vizepräsidentin Eva Kaili von Katar bestechen? © IMAGO/Eurokinissi

Ein Korruptionsskandal erschüttert die EU. Der Chef der EU-AG „Anti-Korruption“ befürchtet im Gespräch mit IPPEN.MEDIA, dass die Ermittlungen noch nicht zu Ende sind – und fordert strengere Lobbyregeln.

Straßburg – Am 21. November debattierte das Europäische Parlament über die Menschenrechtslage im Zusammenhang mit der Fußball-WM in Katar. Die Parlamentarier äußerten sich überwiegend kritisch, die Co-Chefin der europäischen Linken, Manon Aubry, trat gar mit „One-Love“-Binde ans Pult. EU-Vizepräsidentin Eva Kaili hingegen verteidigte Katar. Nun sieht sich dem Vorwurf ausgesetzt, dafür bezahlt worden zu sein.

Am Freitag wurde die griechische Abgeordnete Kaili in Zusammenhang mit Korruptionsermittlungen der belgischen Justiz festgenommen. Dabei geht es um den Verdacht, dass sie sich von einem „Golfstaat“ bestechen ließ. Dieser stehe im Verdacht, „wirtschaftliche und politische Entscheidungen des Europäischen Parlaments zu beeinflussen“, indem er „beträchtliche Geldsummen zahlt oder erhebliche Geschenke verschenkt“. Begünstigte seien dabei Persönlichkeiten mit einer „politisch und/oder strategisch bedeutenden Position“ im EU-Parlament.

Laut Medienberichten handelte sich dabei um WM-Gastgeber Katar. Noch am Abend wurde ihre Mitgliedschaft in der sozialdemokratischen Fraktion im Europaparlament suspendiert. Ihre griechische Partei Pasok schloss die frühere Journalistin ebenfalls aus. Am Sonntag entscheidet die Justiz, ob Haftbefehl erlassen wird.

Katar-Korruption in der EU? „Ich befürchte fast, dass wir noch nicht am Ende der Ermittlungen sind“

Laut Staatsanwaltschaft gab es 16 Durchsuchungen und insgesamt fünf Festnahmen, darunter ein früherer Europaabgeordneter aus Italien sowie nach dpa-Informationen auch der Lebensgefährte Kailis. Für den Grünen-Europapolitiker Daniel Freund könnte damit noch nicht Schluss sein. „Ich befürchte fast, dass wir noch nicht am Ende der Ermittlungen sind“, sagt der Co-Chef der Arbeitsgruppe Anti-Korruption im Gespräch mit IPPEN.MEDIA.

Korruptionsskandal im EU-Parlament: Fall Kaili zeigt offensive Einflussnahme auf EU-Gesetzgebung

Es gelte die Unschuldsvermutung, doch um Interessen durchzusetzen, brauche man Mehrheiten, meint Freund. „So ist es im Fifa-Exekutivkomitee, und so ist es im Europäischen Parlament. Die Entscheidungen des Parlaments dreht man ja nicht mit einer Vizepräsidentin.“ Katar soll sich die WM auch mithilfe von Schmiergeldzahlungen an Fifa-Delegierte gesichert haben. Kaili ist eine von 14 Vizepräsidentinnen oder -präsidenten des Parlaments. Ihr Einfluss ist damit überschaubar. Damit liegt es nahe, dass auch noch andere Politiker bestochen wurden oder werden sollten. Die Ermittlungen haben gerade erst begonnen.

Laut Freund zeigt der Fall Kaili, „wie offensiv Drittstaaten versuchen, Einfluss auf die europäische Gesetzgebung zu nehmen.“ Daher müsse man dagegen vorgehen. Die Lobbyregeln in der EU seien „eigentlich relativ stark“, meint Freund. „Drittstaaten sind davon aber bisher vollkommen ausgenommen. Hier muss die EU umgehend reagieren.“ So müsse Lobbying von Drittstaaten ins Lobbyregister aufgenommen werden, sodass Treffen mit Ministern oder Delegationen anderer Länder transparent werden. „Für Korruption darf es in der EU keine Toleranz geben.“

Daniel Freund bei einer Pressekonferenz der EU
Daniel Freund sitzt seit 2019 im Europäischen Parlament und setzt sich dort vor allem gegen Korruption ein. „Korruption ist eine der größten Bedrohungen für unsere Demokratie“, meint der Grünen-Politiker. © IMAGO/Dwi Anoraganingrum

In ihrer Rede am 21. November sprach auch Kaili über Korruption. Nachdem sie Katar einen „historischen Wandel“ attestiert und als „Vorreiter bei Arbeitsrechten“ bezeichnet hatte, meinte sie in Richtung Kritiker: „Sie schikanieren sie und beschuldigen jeden, der mit ihnen spricht oder sich auf sie einlässt, der Korruption.“ Ein Satz, der heute in einem ganz anderen Licht steht.

Die Rede von Eva Kaili im Wortlaut

„Frau Präsidentin, die Fußballweltmeisterschaft in Katar ist heute der Beweis dafür, wie die Sportdiplomatie einen historischen Wandel in einem Land bewirken kann, dessen Reformen die arabische Welt inspiriert haben. Ich habe nur gesagt, dass Katar ein Vorreiter bei den Arbeitsrechten ist, indem es das Kafala-System abgeschafft und den Mindestlohn gesenkt hat. Trotz der Schwierigkeiten, die selbst europäische Unternehmen bei der Durchsetzung dieser Gesetze haben, haben sie sich freiwillig zu einer Vision verpflichtet und sich der Welt geöffnet.

Dennoch rufen einige hier dazu auf, sie zu diskriminieren. Sie schikanieren sie und beschuldigen jeden, der mit ihnen spricht oder sich auf sie einlässt, der Korruption. Aber trotzdem nehmen sie ihr Gas. Noch immer machen ihre Unternehmen dort Milliardengewinne.

Ich wurde als Griechin belehrt, und ich erinnere uns alle daran, dass wir Tausende von Toten zu beklagen haben, weil wir es nicht geschafft haben, legale Wege der Migration in Europa zu finden. Wir können für unsere Werte werben, aber wir haben nicht das moralische Recht, Vorträge zu halten, um billige Medienaufmerksamkeit zu bekommen.

Und wir drängen unsere Art nicht auf, wir respektieren sie, auch ohne LNG. Sie (die Kataris, d. Red.) sind eine neue Generation intelligenter, hochgebildeter Menschen. Sie haben uns geholfen, die Spannungen mit der Türkei abzubauen. Sie haben uns in Afghanistan geholfen, Aktivisten, Kinder und Frauen zu retten. Sie haben uns geholfen. Und sie sind Friedensvermittler. Sie sind gute Nachbarn und Partner. Wir können einander helfen, die Unzulänglichkeiten zu überwinden. Sie haben bereits das Unmögliche erreicht.“ (Andreas Schmid)

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