1. WLZ
  2. Politik

Mord an Walter Lübcke: Höchststrafe für den Hauptangeklagten – Erste Reaktionen

Erstellt:

Von: Daniel Seeger

Kommentare

Der hessische CDU-Politiker Walter Lübcke wurde erschossen: Häufig werden Politiker zum Ziel politisch motivierter Straftaten, auch in Hamburg.
Der hessische CDU-Politiker Walter Lübcke wurde 2019 erschossen. © Swen Pförtner

Nach rund sieben Monaten und über vierzig Verhandlungstagen geht der Prozess im Mordfall Walter Lübcke mit einem Urteil zu Ende.

+++ 11.10 Uhr: Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, hat das Urteil im Prozess um den Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke als „klares Zeichen gegen Rassismus und Rechtsextremismus“ bezeichnet. Das Urteil sei eine „angemessene Reaktion auf diese furchtbare Tat“, erklärte Schuster am Donnerstag in Berlin.

Zugleich wurden nach Ansicht Schusters durch den Prozess Versäumnisse bei den Sicherheitsbehörden zutage gefördert. Er hoffe, dass der Untersuchungsausschuss im hessischen Landtag Erkenntnisse gewinnen werde, „die es ermöglichen, rechte Netzwerke künftig besser auszuleuchten und aus denen dann die entsprechenden Konsequenzen gezogen werden“.

Urteil im Fall Walter Lübcke: „Die politische Aufarbeitung muss weitergehen“

Der Opferbeauftragte der Bundesregierung, Edgar Franke, nannte das Urteil einen wichtigen Schritt in der juristischen Aufarbeitung des rechtsextremistischen Attentats. „Die politische Aufarbeitung muss weitergehen“, forderte er. Der „von Hass und Menschenverachtung getriebene Mord“ bleibe eine Mahnung.

Die Demokratie müsse auf allen Ebenen viel entschiedener geschützt werden als bisher. „Rechtsextremisten bedrohen all jene, die für die Demokratie einstehen“, warnte Franke. Drohungen seien für viele, die sich politisch engagieren, beinahe Alltag geworden.

Der Hauptangeklagte  Stephan Ernst steht an seinem Platz hinter der Anklagebank, während sich sein Verteidiger Mustafa Kaplan in der Plexiglasscheibe spiegelt.
Der Hauptangeklagte Stephan Ernst steht an seinem Platz hinter der Anklagebank, während sich sein Verteidiger Mustafa Kaplan in der Plexiglasscheibe spiegelt. © DPA Deutsche Presseagentur

Mordfall Walter Lübcke: Gericht begründet das Urteil

+++ 10.50 Uhr: Trotz der harten Strafe im Prozess um den Mordfall Walter Lübcke haben sich die Geständnisse des Hauptangeklagten Stephan Ernst dem Oberlandesgericht Frankfurt zufolge mildernd ausgewirkt. „Ich habe gesagt: Ein Geständnis wirkt sich perspektivisch immer zugunsten des Angeklagten aus“, sagte der Vorsitzende Richter Thomas Sagebiel bei der Urteilsverkündung am Donnerstag. Das sei auch bei Ernst der Fall.

Zwar habe das Gericht keinen Spielraum bei der Verurteilung zu lebenslanger Haft und der Festellung der besonderen Schwere der Schuld gehabt. Aber Ernst habe nun die Möglichkeit, mit einem Aussteigerprogramm für Rechtsextreme zusammenzuarbeiten, Einfluss auf die mindestens zu verbüßende Strafe zu nehmen und Sicherheitsverwahrung zu vermeiden.

Mord an Walter Lübcke: Höchststrafe für Stephan Ernst - Markus H. kommt glimpflich davon

+++ 10.24 Uhr: Wegen des Mordes an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke (CDU) hat das Oberlandesgericht Frankfurt den Hauptangeklagten Stephan Ernst zu lebenslanger Haft verurteilt. Die Richter stellten bei der Urteilsverkündung am Donnerstag zudem die besondere Schwere der Schuld fest.

Der Mitangeklagte, Markus H., ist zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden. Diese lautete auf ein Jahr und sechs Monate wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz. Ursprünglich war H. wegen Beihilfe zum Mord angeklagt gewesen.

Update vom 28.01.2021, 08:00 Uhr: Nächtliche Warteschlangen vor dem Oberlandesgericht Frankfurt: Um zur Urteilsverkündung im Prozess um den Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke einen Platz im Zuschauerraum zu bekommen, waren zahlreiche Prozessbesucher schon Stunden vor Verhandlungsbeginn erschienen.

„Ich bin seit gestern um 17 Uhr hier“, sagte ein Mann aus der nordhessischen Heimatregion Lübckes, der auf Platz 1 in der Warteschlange war. Viele hatten sich mit Decken, Regenschirmen Thermoskannen und wärmenden Decken auf eine lange Nacht eingestellt. Wegen der Corona-Maßnahmen muss auch im Gerichtssaal Abstand gehalten werden. Im Zuschauerbereich finden daher nur 18 Besucher Platz, außerdem gibt es 19 Plätze für Journalisten auf der Pressetribüne.

Mord an Walter Lübcke: Urteil am Oberlandesgericht Frankfurt fällt heute

Erstmeldung vom 27.01.2021: Frankfurt/Kassel - Ein außergewöhnlicher Mordprozess neigt sich seinem Ende. Am heutigen Donnerstag (28.01.2021) wird das Urteil im Mordfall Walter Lübckeam Oberlandesgericht Frankfurt erwartet. Der wegen Mordes angeklagte Stephan Ernst hat bereits gestanden, für den Tod des Kasseler Regierungspräsidenten verantwortlich zu sein. Der CDU-Politiker Lübcke wurde im Sommer 2019 auf der Terrasse seines eigenen Wohnhauses im Wolfhager Ortsteil Istha, rund 20 Kilometer von Kassel entfernt, erschossen. Dass Ernst zu einer langen Haftstrafe verurteilt wird, gilt als sicher. Die Bundesanwaltschaft fordert eine lebenslängliche Haft mit anschließender Sicherungsverwahrung. Walter Lübcke war der erste amtierende deutsche Politiker, der nach dem Jahr 1945 in Deutschland getötet wurde.

Die Verteidiger des Hauptangeklagten Stephan Ernst, Mustafa Kaplan, plädiert auf Totschlag. Er bestreitet, dass Ernst den Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke aus niederen Beweggründen getötet hat. Ernst sei einem Irrglauben aufgesessen, „im Allgemeininteresse zu handeln“. Er habe Lübcke seit 2015 für die Migrationspolitik der Bundesregierung und die Gräueltaten des IS verantwortlich gemacht.

Rechtextremer Hass auf Walter Lübcke nahm seinen Anfang bei einer Bürgerversammlung

In besagtem Jahr hatte sich Lübcke in Ernsts letztem Wohnort Lohfelden (Kreis Kassel) auf einer Bürgerversammlung für Geflüchtete eingesetzt und die Migrationspolitik der Bundesregierung unterstützt. Unter anderem sagte er dort, nachdem er sich bei ehrenamtlichen Helfer:innen bedankt hatte: „Ich würde sagen, es lohnt sich, in unserem Land zu leben. Da muss man für Werte eintreten, und wer diese Werte nicht vertritt, der kann jederzeit dieses Land verlassen, wenn er nicht einverstanden ist.“ Das sei die Freiheit eines jeden Deutschen.

Ein Video von dieser Aussage verbreitete sich daraufhin rasend schnell im Internet. Walter Lübcke wurde insbesondere in rechtsextremen Kreisen zum Feindbild stilisiert und erhielt eine regelrechte Flut von Drohungen. In einem Interview mit der Kasseler Tageszeitung HNA* blieb Lübcke einige Tage später bei seiner Aussage. Sie sei an jede gerichtet gewesen, die mit ihren Zwischenrufen auf der Versammlung ihre Verachtung gegenüber dem deutschen Staat ausgedrückt hätten. Unter diesen waren auch Anhänger der rechtsextremen Pegida-Bewegung, die sich zur gezielten Provokation verabredet hatten. Was Lübcke nicht ahnen konnte: Auch Stephan Ernst, der später für seinen gewaltsamen Tod verantwortlich sein würde, war auf dieser Veranstaltung anwesend.

Staatsanwalt sieht die Tötung Walter Lübckes in der Tradition des NSU

Für Oberstaatsanwalt Killmer steht die Ermordung Walter Lübckes in einer Tradition von Nazi-Untergrundkämpfern der Nachkriegszeit, über die Ermordung Rudi Dutschkes bis hin zu den Taten des NSU. In seinem Plädoyer sagte er: „Es war ein Angriff auch auf unseren Rechtsstaat und die demokratischen Werte, für die Doktor Lübcke in besonderer Weise gestanden hat.“ Er forderte die Höchststrafe für Ernst. Der Anwalt der Familie Lübcke sprach in seinem Plädoyer als Vertreter der Nebenklage mit Blick auf die beiden Angeklagten von einem Versagen des Verfassungsschutzes. Eigentlich habe man gedacht, dass der Staat nach den NSU-Morden aufgewacht sei, doch trotz einer immensen Welle von Hassbotschaften habe keiner etwas gemerkt.

Der Angeklagte Stephan Ernst, selbst über Jahre in der rechtsextremen Szene aktiv, zeigte vor Gericht wiederholt Reue, brach während der Verhandlung in Tränen aus und entschuldigte sich bei der Familie Lübcke. Nach dem Prozess wolle er an einem Aussteigerprogramm für Rechtsextremisten teilnehmen.

Lübcke-Prozess: Mitangeklagter Markus H. fordert Freispruch

Neben Stephan Ernst steht als Mitangeklagter Markus H. vor Gericht. Wie auch Ernst gehörte dieser über viele Jahre zur rechtsextremen Szene. Ihm wird von der Staatsanwaltschaft Beihilfe zum Mord vorgeworfen. Er soll unter anderem die Waffe besorgt haben, mit der Ernst Lübcke tödlich verletzte. Außerdem soll er, so die Staatsanwaltschaft, Ernst weiter radikalisiert und zu gemeinsamen Schießübungen mitgenommen haben.

Während die Familie Lübcke Markus H. als Mittäter sieht*, forderte Oberstaatsanwalt Dieter Killmer in seinem Schlussvortrag kurz vor Weihnachten für die Beihilfe zum Mord eine Freiheitsstrafe von neun Jahren und acht Monaten. Die Verteidiger von H. fordern indes einen Freispruch und eine Entschädigung für ihren Mandanten. Weil der Staatsschutzsenat sogar eine Beihilfe in Zweifel gezogen hatte, wurde H. bereits am ersten Oktober nach rund einem Jahr aus der Untersuchungshaft entlassen. H. soll auch das Video ins Internet gestellt haben, das Lübckes Aussagen auf der Bürgerversammlung zeigt und mit Kommentaren gegen den Regierungspräsidenten versehen haben.

Lübcke Prozess: Viele Fragen bleiben am Oberlandesgericht Frankfurt ungeklärt

Im Verlauf des Prozesses um den Mord an Walter Lübcke konnten nicht alle offenen Fragen abschließend geklärt werden. Viele Zeugen aus dem Umfeld des Hauptangeklagten zeigten sich wenig kooperativ. Immer wieder sprachen sie von Erinnerungslücken. Ebenso verweigerte der Mitangeklagte Markus H. seit seiner Festnahme die Aussage.

Stephan Ernst wird neben dem Mord an Walter Lübcke vorgeworfen, im Januar 2016 im nordhessischen Lohfelden (Kreis Kassel) auf einen Iraker eingestochen zu haben. Das seit dem Vorfall unter schweren körperlichen und psychischen Folgeschäden leidende Opfer des Angriffs tritt, wie auch die Familie Lübcke, als Nebenkläger auf. (Daniel Seeger)*hna.de ist Teil des bundesweiten Ippen-Digital-Redaktionsnetzwerkes.

Auch interessant

Kommentare