„Maischberger“: Özdemir zeigt Verständnis für Klimaschützer - und warnt vor Ersatz von Tierschutzgesetz

Wie viel ist uns unser Fleisch wert? Sorgt das Bürgergeld für soziale Ungerechtigkeit? „Maischberger“ gibt in diesen Streitfragen einige Denkanstöße.
München – Die Klimaaktivisten beherrschen seit Monaten die hiesigen Schlagzeilen. Ihr ziviler Ungehorsam brachte ihnen neben einer Menge Aufmerksamkeit vor allem die Wut vieler Mitbürger ein. Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) ging in seiner Jugend selbst aktiv für den Klimaschutz auf die Straße. Heißt er die radikalen Proteste der „Letzten Generation“ gut?
„Ich verstehe ihren Zorn. Ich verstehe ihre Ungeduld. Auch den Ärger über uns Politiker“, zeigt Özdemir bei „Maischberger“ zunächst Verständnis für die Aktivisten. Gleichzeitig verweist er darauf, dass die Aktionen nur Menschen inspirieren, die beim Thema Klimarettung ohnehin schon mit an Bord sind. Den Zweifelnden schrecken diese Maßnahmen eher ab.
Der Grünen-Politiker wirft darüber hinaus einen Blick auf die Weltpolitik. In Ländern wie den USA und Brasilien waren Populisten wie Donald Trump eine Gefahr für den Klimaschutz. Diese Männer haben eingeleitete Schritte maßgeblich blockiert. Als Sandra Maischberger an die Versäumnisse in Deutschland erinnert, muss jedoch auch Özdemir einräumen: „Es ist zu wenig und es ist zu spät.“
Özdemir bei „Maischberger“: Kein Ersatz des Tierschutzgesetzes durch das Tierhaltungskennzeichen
Mehr Tempo will der Minister nun bei der Ernährungsreform vorlegen. „Aus Gründen des Klimaschutzes müssen wir runter mit dem Fleischkonsum“, drängt er. Den Bauern müsste mehr Platz für weniger Tiere zur Verfügung stehen. Dafür erhielten die Viehbesitzer massive Entschädigungen aus dem Bundeshaushalt. „Das ist eines der größten Reformvorhaben in der deutschen Landschaftspolitik“, beschreibt Özdemir sein Mammut-Projekt.
Gleichzeitig betont er, wie hart er beispielsweise für das Tierhaltungskennzeichen kämpft, das im Januar eingeführt wird. Da Brüssel jeden Schritt absegnen muss, blieben einige Punkte, die er umsetzen wolle, auf der Strecke. Aber: „In dieser Legislaturperiode habe ich beim Schwein alles und dann fange ich an mit den weiteren Nutztierarten.“ Schneller geht es leider nicht.
Die Verbraucher sollten sich laut Özdemir trotz des neuen Zertifikats beim Fleischkonsum zurückhalten, denn: „Das Tierhaltungskennzeichen ersetzt nicht das Tierschutzgesetz“. Viele Tierhaltungsprozesse sind immer noch nicht überprüfbar. Vorschriften wolle der bekennende Veganer den Menschen in Ernährungsfragen allerdings nicht machen. Die Politik zeige nur Angebote auf. „Wie Sie sich ernähren, das entscheiden schon noch Sie.“
Bürgergeld: Unverzichtbar oder ungerecht? - Hartz-IV-Bezieherin erklärt ihren Zustand
Menschen mit geringem oder gar keinem Einkommen sind in ihrer Entscheidungsfreiheit derzeit aufgrund der grassierenden Inflation beschnitten. Susanne Hansen, Hartz-IV-Empfängerin, bringt die Situation der Betroffenen auf den Punkt: „Es reicht nur noch zum Allernötigsten.“ Die Texterin beschreibt außerdem, wie Menschen unter dem Stigma „Hartz IV“ zu leiden haben. „Die Leistungsgesellschaft guckt dich schief an, wenn du Hartz IV bekommst.“
„Maischberger“ - das waren ihre Gäste am 22. November
- Cem Özdemir, B‘90/Grüne, Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft
- Nora Seitz, Fleischermeisterin aus Chemnitz
- Susanne Hansen, Hartz-IV-Bezieherin aus Hamburg
- Gerhard Delling, Sportmoderator und Journalist
- Anna Schneider, „Welt“-Chefreporterin
- Hajo Schumacher, Kolumnist und Autor
Das Bürgergeld soll hier Abhilfe schaffen. Kann es den Empfängern zumindest finanzielle Sicherheit gewährleisten? Hansen antwortet mit einem klaren „Nein“, weil es sich beim Hartz-IV-Nachfolger nur um einen minimalen Inflationsausgleich handle. Fleischermeisterin Nora Seitz wird mit ihren Gedanken vielen Zuschauern aus der Seele gesprochen haben. Die Unternehmerin kennt viele Betroffene, die in der aktuellen Krise auf die Erhöhung des Bürgergelds angewiesen sind. Sie begrüßt die Aufstockung deshalb. Auf der anderen Seite prangert sie die fehlenden Sanktionen an.
Bürgergeld gegen Hartz-IV: Spielt die Politik ihre Bürger gegeneinander aus?
Hansen wirft ein, dass lediglich 3 % der Hartz-IV-Bezieher mit Sanktionen belegt werden. Der Rest sollte wegen dieser schwarzen Schafe nicht in Schutzhaft genommen werden. Die Unterstützerin der Bewegung „IchBinArmutsbetroffen“ wittert hinter der Debatte ein Kalkül der Bundesregierung: „Es ist eine Politik, die darauf aus ist, Arm gegen Ärmste auszuspielen.“
Seitz stimmt diesem Argument nicht zu. In ihren Augen habe die Politik aber zu dieser emotional geführten Diskussion um das Bürgergeld beigetragen. Eigene Mitarbeiter, die den Mindestlohn bekämen, hätten am Ende des Tages weniger raus als die Empfänger der Sozialleistungen. Dies werte das Produkt Arbeit ab.
„Maischberger“ – Das Fazit der Sendung
Nora Seitz fasste einen Teil der Sendung mit der Frage „Was ist Arbeit in Deutschland noch wert?“ sehr gut zusammen. Die Geschäftsinhaberin prangert damit sowohl die fehlende Diskrepanz zwischen Bürgergeld und Mindestlohn als auch das Konsumverhalten der Menschen an, die die Billigartikel im Supermarkt den Qualitätsprodukten in der Fleischerei vorzögen.
Cem Özedemir regt die Bürger im Kampf um Tier- und Klimaschutz ebenfalls dazu an, ihr Kaufverhalten zu hinterfragen. Die Politik könne zwar Alternativen darlegen, die Wahl liegt letztlich aber bei jedem Einzelnen selbst. (Kevin Richau)