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Nach Paris-Attentaten: Was Sie über die Terrorgefahr wissen müssen

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Terror-Verdacht in Deutschland: Polizisten untersuchen am Donnerstag in Berlin ein verdächtiges Transportfahrzeug.
Terror-Verdacht in Deutschland: Polizisten untersuchen am Donnerstag in Berlin einen Transporter. Zuvor waren zwei Islamisten festgenommen worden. Der Tatverdacht gegen sie hat sich aber nicht erhärtet. © picture alliance / dpa

München - Ermittler haben nach den Anschlägen in Paris viele Details zusammengetragen. Doch es bleiben Fragen: Wie groß ist die Terrorgefahr in Deutschland? Wie radikal ist die Salafisten-Szene? Und können wir noch unbesorgt auf die Weihnachtsmärkte gehen?

Die wichtigsten Fakten zu den Paris-Attentätern

Sieben der Attentäter vom 13. November sind tot, zwei weitere werden noch gesucht. Zweifelsfrei identifiziert haben die französischen Behörden vier der sieben Getöteten, alle sind Franzosen.

Islamist Abaaoud Anschlag Paris
Der mutmaßliche Drahtzieher der Paris-Anschläge: Abdelhamid Abaaoud © AFP

Drahtzieher der Anschläge ist nach bisherigem Kenntnisstand Abdelhamid Abaaoud (28). Der Belgier lebte in Molenbeek, einem Stadtteil Brüssels. Abaaoud soll in Syrien für den IS gekämpft haben und stand auf den Fahndungslisten. Offenbar hatte Abaaoud einen weiteren Anschlag im Pariser Büroviertel La Défense geplant. Er starb beim Polizeieinsatz im Pariser Vorort Saint-Denis. Eigentlich hatten die Behörden ihn in Syrien vermutet.

Nach wem wird gefahndet, wer wurde verhaftet?

Gesucht werden Salah Abdeslam (26) und Mohamed Abrini (30). Abdeslam ist der Bruder von einem der Attentäter, die sich in der Konzerthalle Bataclan in die Luft sprengten. Der VW Polo, mit dem die Terroristen zum Bataclan fuhren, wurde auf seinen Namen gemietet. Abdeslam ist es wohl gelungen, sich nach Syrien abzusetzen. Mohamed Abrini fuhr den Renault Clio, der bei den Anschlägen in Paris benutzt worden war. Fünf weitere Männer stehen im Verdacht, an den Anschlägen beteiligt gewesen zu sein. Einer erstickte im Bataclan, einer starb beim Polizeieinsatz. Gegen zwei eventuelle Unterstützer – beides Belgier aus dem Brüsseler Stadtteil Molenbeek – wurde Haftbefehl erlassen. Ein 29-jähriger Franzose soll den mutmaßlichen Drahtzieher Abaaoud untergebracht haben.

Gibt es Verbindungen der Attentäter nach Deutschland?

Nein, sagt das Bundesinnenminister Heiko Maas (SPD): „Nach dem derzeitigen Ermittlungsstand gibt es keinen gibt es keinen Bezug zwischen Deutschland und den Anschlägen in Paris.“ Zu einem anderen Ergebnis kommen Recherchen des „Spiegel“. Demnach hatte Abdelhamid Abaaoud Kontakt zu einer Gruppe junger Islamisten aus dem Dinslakener Stadtteil Lohberg. Die deutschen Islamisten seien 2013 nach Syrien in den Dschihad gezogen.

Auf den A8 hatte die Polizei nach den Attentaten einen Waffenhändler aus Montenegro gestoppt. Der Mann kam in Untersuchungshaft. Der Verdacht, er könnte mit den Terroristen in Frankreich unter einer Decke stecken, hat sich aber bisher nicht erhärtet. Nach einem Hinweis hatte die Polizei am 24. November in Ostwestfalen nach dem flüchtigen Salah Abdeslam gesucht. Mehrere Personen wurden kontrolliert, Abdeslam war nicht darunter – es war ein falscher Alarm.

Und was ist mit dem geplanten Anschlag in Hannover?

Der Hinweis, dass es beim Länderspiel zwischen Deutschland und den Niederlanden einen Terroranschlag geben könnte,

Sicherheitskräfte im Stadion von Hannover
Schwerbewaffnete Polizsiten im Stadion von Hannover: "Ob diese Hinweise tatsächlich zutrafen, wissen wir bisher nicht" © picture alliance / dpa

kam vom israelischen Geheimdienst. „Ob diese Hinweise tatsächlich zutrafen, wissen wir bisher nicht“, so Innenminister Thomas de Maizière am 24. November im Bundestag. Das Spiel war aus Sicherheitsgründen abgesagt worden. Da die Behörden noch nicht wissen, ob es konkrete Anschlagspläne in Hannover gab, ist es hinfällig, über mögliche Verbindungen nach Paris nachzudenken.

Aber es gab doch Festnahmen von Islamisten in Berlin...

In der Hauptstadt hat die Polizei am vergangenen Donnerstag drei Tunesier festgenommen, die der islamistischen Szene zugeordnet werden. Bei Razzien wurden aber weder Sprengstoff noch Waffen gefunden. Hinweise dass die Männer einen Anschlag geplant hatten, erhärteten sich nicht. „Es gibt keinen dringenden Tatverdacht, deswegen sind die Männer wieder frei“, so ein Sprecher der Staatsanwaltschaft.

Welche Gefahr geht von Islamisten in Deutschland aus?

Nach Zahlen aus 14 der 16 Bundesländer gehen die Behörden von 7845 Salafisten in Deutschland aus. Die „Bild“ hat die Zahl „9000 bis 10.000“ berichtet und sich auf hochrangige Sicherheitskreise berufen. Die meisten Salafisten sind in Nordrhein-Westfalen aktenkundig (2250). In Hessen sind es 1650, in Berlin 670. Von den 670 Berliner Extremisten gelten 350 als gewaltorientiert. Rund 750 Salafisten aus Deutschland sind nach Syrien und in den Irak ausgereist, etwa ein Drittel ist zurückgekehrt. Generell sei die Bedrohungslage in Deutschland „ernst“, so Bundesinnenminister Thomas de Maizière. Er sieht die Sicherheitsbehörden „gut aufgestellt“.

Doch es gibt auch andere Stimmen. Wir haben einfach zu wenig Personal“, zitiert der „Focus“ einen Berliner Staatsschützer: „Allein um die 80 bekannten salafistischen Gefährder in Berlin zu kontrollieren, wären 200 sogenannte Mobile Einsatzkommandos notwendig. Bayern hat bereits reagiert und will 300 neue Stellen bei den Sicherheitskräften schaffen – besonders bei der Schleierfahndung. Doch die Polizisten müssen erst noch ausgebildet werden und kommen im Laufe des nächsten Jahren in den Einsatz. Bund und Länder haben in den vergangenen 15 Jahren rund 16.000 Stellen bei der Polizei abgebaut. Gewerkschafter beklagen seit langem, dass die Beamten überfordert sind.

Sind Terrorängste also begründet?

Deutschland hatte schon einmal eine heiße Phase des Terrors. Im „Deutschen Herbst“ 1977

Deutsche im Fadenkreuz des Terrors im Herbst 1977: Die entführte Lufthansa-Maschine Landshut.
Deutsche im Fadenkreuz des Terrors im Herbst 1977: Die entführte Lufthansa-Maschine Landshut. © picture alliance / dpa

töteten RAF-Terroristen den Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer. Zuvor hatte ein mit der RAF verbündetes Palästinenser-Kommando die Lufthansa-Maschine „Landshut“ entführt. Der RAF-Terror schockierte damals die Bevölkerung. Die Bedrohung für den Staat, die damals gefühlt wurde, hat es rückblickend nicht gegeben.

Psychologen sehen in der Angst eine Reaktion aus der Evolution. Sie rettete unseren Vorfahren oft das Leben. Laut Jens Hoffmann vom Darmstädter Institut für Psychologie und Bedrohungsmanagement löst Angst ein Fluchtverhalten aus. „Das spüren viele auch heute. Das muss erkannt und gewürdigt werden. Wir sollten überlegen, welche Konsequenzen etwa der Besuch einer Großveranstaltung haben kann und wie hoch das Risiko sein könnte. Aber: Dies sollte keinesfalls zu einer langfristigen Vermeidungsstrategie führen“, so Hoffmann zur „Ärzte-Zeitung“. Er empfiehlt: Sich keine Terror-Videos im Internet anzusehen und, wenn die Ängste länger anhalten, sich psychologische Hilfe zu suchen. Übrigens: Allein auf Autobahnen sterben in Deutschland pro Jahr 350 Menschen – meist durch Raserei. Angst hat aber wohl kaum ein Autofahrer, wenn er dort schnell unterwegs ist.

Wie sicher sind nun unsere Weihnachtsmärkte?

"Unsere Sicherheitsbehörden sind nach den Anschlägen in Paris äußerst sensibel und wachsam", so ein Sprecher des bayerischen Innenministeriums. Konkrete Hinweise auf eine Bedrohung auf Weihnachtsmärkten haben die Behörden nicht. Dennoch zeigt die Polizei dort bundesweit verstärkt Präsenz. Außerdem ist für die Sicherheitsbehörden Alltag, Großveranstaltungen abzusichern und Drohungen einzuschätzen. Einen lückenlose Überwachung kann es aber nie geben. Zudem gibt es Einzeltäter, die sich im Stillen radikalisieren und den Sicherheitsbehörden bis zu einem Anschlag gar nicht auffallen.

mb

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