Update vom 23. Juli, 10.40 Uhr: Durch russische Angriffe sind im Zentrum der Ukraine mindestens drei Menschen getötet worden. Bei den Toten handele es sich um einen Soldaten und zwei Wachleute einer Umspann-Station, sagte der Gouverneur der Region Kirowograd, Andrij Raikowytsch, ukrainischen Medien. Neun weitere ukrainische Soldaten seien verletzt worden. Die russischen Angriffe richteten sich demnach gegen Bahnanlagen und einen Militärflugplatz. Raikowytsch zufolge wurden insgesamt 13 russische Raketen abgefeuert. Die Angaben lassen sich nicht unabhängig bestätigen.
Indes setzen ukrainische Truppen nach Angaben des britischen Verteidigungsministeriums ihre Gegenoffensive im südlichen Cherson fort. Das Ministerium in London sprach im letzten Geheimdienstbericht zum Ukraine-Krieg von schweren Kämpfen in der Region innerhalb der letzten 48 Stunden. Russische Einheiten würden dabei versuchen, die ukrainische Gegenoffensive mit Artillerieangriffen entlang des Inhulez-Flusses ins Stocken zu bringen.
Update vom 23. Juli, 8.42 Uhr: Im besetzten südukrainischen Gebiet Cherson sind Angaben aus Kiew zufolge mehr als 1000 russische Soldaten von ukrainischen Streitkräften eingekesselt worden, berichtete die Deutsche Presse-Agentur. Unweit der Siedlung Wyssokopillja seien die Russen in eine „taktische Umzingelung“ geraten, sagte der Berater von Präsident Wolodymyr Selenskyj, Olexij Arestowytsch, am Freitagabend. Sie hätten erfolglos einen Durchbruch versucht. Bestätigungen von russicher Seite gab es dazu nicht. Auch unabhängig ließen sich die Angaben Arestowytsch nicht überprüfen.
Im Gebiet Cherson, das die russische Armee seit Beginn des Krieges weitgehend unter Kontrolle gebracht hatte, hatte die ukrainische Armee zuletzt mehrere Gegenoffensiven gestartet. Auch mithilfe westlicher Waffen will die Ukraine verlorene Gebiete zurückerobern. Die US-Zeitung Wall Street Journal schrieb unterdessen unter Berufung auf Äußerungen Selenskyjs, die ukrainische Armee verzeichne mittlerweile deutlich geringere Verluste als noch vor einigen Wochen.
Indes wurden am Samstagmorgen mehrere „starke Einschläge“ aus Charkiw gemeldet, zitiert The Guardian den Bürgermeister Ihor Terekhov. Russland bestätigte den Angriff bislang nicht.
Update vom 22. Juli, 22 Uhr: Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) wirft Russlands Streitkräften Folter von Kriegsgefangenen und Zivilisten in der Ukraine vor. In den südlichen Regionen Cherson und Saporischschja hätten Befragungen Dutzender Personen 42 Fälle offenbart, in denen russische Besatzungstruppen Zivilisten entweder verschwinden ließen oder sie auf andere Weise willkürlich festhielten. Einige hätten keinen Kontakt zur Außenwelt gehabt, viele seien gefoltert worden. Von drei betroffenen Kriegsgefangenen seien zwei gestorben.
„Russische Truppen haben die besetzten Gebiete der Südukraine in einen Abgrund der Angst und wilden Gesetzlosigkeit verwandelt“, wurde Yulia Gorbunova, die leitende Ukraine-Forscherin bei Human Rights Watch, zitiert. Bei Folter, unmenschlicher Behandlung sowie willkürlicher und rechtswidriger Inhaftierung von Zivilisten handle es sich um offensichtliche Kriegsverbrechen. „Die russischen Behörden müssen solche Misshandlungen sofort beenden und verstehen, dass sie zur Rechenschaft gezogen werden können und werden.“
Update vom 22. Juli, 19.20 Uhr: Russische Streitkräfte sollen nach ukrainischen Angaben eine Schule in der Stadt Kramatorsk beschossen haben. Die Angreifer sollen die Schule mit Iskander-Raketen beschossen und dabei völlig zerstört haben. Bei dem Angriff sollen demnach drei Menschen ums Leben gekommen sein. Die Leichen sollen bei der Beseitigung der Trümmer entdeckt worden sein.
Die russische Militärführung dementiert die Vorwürfe. Man habe bei dem Angriff „bis zu 300 Nationalisten“ getötet. Die Berichte lassen sich zum aktuellen Zeitpunkt nicht unabhängig prüfen. Die Großstadt Kramatorsk zählt neben der nahe gelegenen Stadt Slowjansk als nächstes Ziel der russischen Streitkräfte im Kampf um die selbsternannte Volksrepublik Donezk.
Update vom 22. Juli, 15.06 Uhr: Nach Angaben des ukrainischen Militärs haben die russischen Streitkräfte trotz des Artillerie- und Raketenbeschusses in der Region Donezk keine Fortschritte erzielen können. Derzeit finden die intensivsten Gefechte in der Ostukraine unmittelbar westlich von Lyssytschansk und südlich von Bachmut statt.
Das in den USA ansässige Institute for the Study of War (ISW) erklärte in seiner jüngsten Einschätzung der Lage, das russische Militär unternehme bislang „nicht wesentlich“ mehr Operationen als zur Anfang des Monats erklärten Operationspause. Teilweise beobachte man sogar noch weniger Truppenbewegung.
„Das Ausbleiben erfolgreicher Bodenangriffe“ entspreche der Einschätzung des ISW, „dass die russische Offensive wahrscheinlich ohne die Einnahme (...) von Bachmut enden wird“, so der ISW.
Update vom 22. Juli, 11.19 Uhr: Der Kreml verfolgt seit März verschärft Kritiker – Grundlage ist ein neues Gesetz gegen die Verbreitung angeblicher „Fake News“ über russische Streitkräfte. 15 Jahre Straflager drohen. Die selbsternannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk in der Ostukraine haben daher nun offenbar die Suchmaschine Google blockiert, wie das ukrainische Exil-Portal Nexta berichtet. Gemeinsam mit dem Kreml wollten deren Führer so die „Sicherheit und den umfassenden Schutz“ der dortigen Bewohner gewähren, meldete auch Euro Weekly News.
„Der Westen und die Ukraine üben einen beispiellosen Druck auf die Republiken aus und gefährden die physische und psychische Sicherheit“, zitiert das Portal Telegram-Beiträge des Separatistenführer Denis Puschilin. „Diese unmenschliche Propaganda hat schon lange alle Grenzen überschritten. Es kam zu echten Bedrohungen gegen Russen“, schrieb Puschilin demnach weiter. Falls Google wieder zurück zur „Mitte von Recht, Moral und gesundem Menschenverstand“ finde, werde man die Aktivitäten des Konzerns nicht mehr behindern.
Vergangene Woche war Google von einem Moskauer Gericht zu umgerechnet etwa 360 Millionen Euro Strafe verurteilt worden, weil er kritische Artikel zum Ukraine-Krieg nicht gelöscht hat. Fraglich ist laut Beobachtern, ob Google zahlen wird. Es hatte sich nach Beginn von Moskaus Invasion in die Ukraine aus Russland zurückgezogen.
Erstmeldung vom 22. Juli: Kiew - Die russische Armee schwächelt im Ukraine-Krieg offenbar. „Ich glaube, ihnen geht bald die Puste aus“, lautet eine aktuelle Einschätzung von Richard Moore, Chef des britischen Auslandsgeheimdienstes MI6. Ähnlich äußert sich nun das kanadische Militär.
Die Truppen hätten wahrscheinlich nicht mehr die Kraft, ihre Kriegsziele in dem Land zu erreichen, zitiert der Kyiv Independent aus entsprechenden offiziellen Tweets. Grund sei eine „erhebliche“ Anzahl an Toten und Zerstörung von Kriegsgerät aufseiten der Russen.
Das kanadische Militär geht demnach davon aus, dass der Kreml nun eine „neue Begründung“ für Gebietsverluste in der militärischen Auseinandersetzung finden müsse.
Unterdessen hat sich Kiew bereit erklärt, teilweise Minen aus dem Schwarzen Meer zu entfernen. Hintergrund seien die aktuellen Verhandlungen zum Getreide-Streit in Istanbul. Bei einer möglichen Freigabe der Ware sei dies Teil eines „Deals“. Diese Infos zitiert das Nachrichtenportal Nexta aus einem Artikel der New York Times, die sich wiederum auf Insider beruft.
Kremlchef Wladimir Putin hatte der Ukraine mit Präsident Wolodymyr Selenskyj wiederholt vorgeworfen, die Getreidelieferungen über das Schwarze Meer selbst zu hintertreiben. Russland sei bereit, den Schiffen freies Geleit zu gewährleisten. Zuvor müssten die Ukrainer jedoch die Minen in den eigenen Häfen räumen.
Beobachter sagen laut der Nachrichtenagentur AFP jedoch: Die Gefährdung geht durch Minen aus, die sowohl russische als auch ukrainischen Einheiten gelegt haben.
Selenskyj gibt sich unterdessen optimistisch, sowohl in Bezug auf die Getreide-Verhandlungen, als auch auf die militärische Lage. Bei einem Treffen mit den Chefs der Aufklärung, des Militärs und des Innenministeriums sei die Lage an der Front und die Versorgung der eigenen Truppen mit neuen Waffen besprochen worden.
Wir „waren uns einig, dass wir ein erhebliches Potenzial haben, unsere Streitkräfte an der Front voranzubringen und den Besatzern erhebliche neue Verluste zuzufügen“, sagte Selenskyj. (frs mit AFP und dpa)