„Der TV war immer ein bisschen hochgestellt, denn da waren die ganzen Korbacher Kaufleute drin.“ Die Handballer galten im Gegensatz zu den Fußballern auch als Grünflächenzerstörer vor allem rund um den Wurfkreis. „Der Heilige Rasen im Stadion in Korbach wurde später nur für den Fußball zugelassen. Wir durften nur noch auf dem A-Platz spielen“, erinnert sich Müller.
Jahrzehntelang hatte der SV im Korbacher Handballduell sportlich die Nase vorn. Das Team spielte Landesliga bisweilen vor 1000 Zuschauern und war meist ein bis zwei Klassen höher angesiedelt als der Stadtrivale.
Doch das sollte sich ändern, als Feldhandball 1969/70 auf dem Großfeld eingestellt wurde und der Hallenhandball kam. Nur das Spiel auf dem Kleinfeld wurde fortgesetzt.
„Der TV hat viel früher mit dem Hallenhandball angefangen als wir und ist dadurch auch größer geworden, der SV hat diesen Schritt verschlafen“, erzählt Westmeier. Allerdings sei auch die Konkurrenz zum Fußball beim SV 09 immer mehr gestiegen. „Dann sind einige Spieler zu uns gewechselt“, sagt Müller und damit rückte die Fusion immer näher.
Die meisten Korbacher Handballer fanden den bundesweit ausgesprochenen Feldverweis nicht gut und sie lehnten ein Dach über dem Kopf ab. „Der Bezirk und die Kasseler Vereine forderten die Änderung, weil sie schon eine Halle hatten“, sagt Müller. Dieser Immobilienvorsprung sollte auch ein großer sportlicher Vorteil gegenüber den Vereinen aus Waldeck sein, denn dort stand noch keine Halle in dieser Größenordnung. Nicht nur die Korbacher, sondern auch die Twister und Mühlhäuser haben zwei Jahre lang ihre Heimspiele in der Kasseler Kurhessenhalle ausgetragen.
Das war nicht nur von der Entfernung her eine unangenehme Aufgabe. Denn die Handballer mussten sich die Halle mit Rindern teilen. „Nach dem Viehauftrieb am Samstagmorgen wurden die Hinterlassenschaften der Tiere zwar weggespritzt, aber der Betonboden war meist noch nicht trocken, wenn wir um 11 Uhr darauf spielten mussten“, erzählt Müller.
Der Gestank und die braunen Flecken seien aber nicht das schlimmste gewesen, sondern der Betonboden selbst. „Da ist keiner ohne Blessuren davongekommen, vor allen Knie und Ellenbogen waren fast immer blutig geschlagen, Schoner gab es damals noch nicht.“
Müller erinnert sich noch an einen Spieler aus Mühlhausen, der war schwer gefoult worden und durch den Fall war ein Teil seines Ohres abgeschliffen. „Damals gab es auch keinen Verbandskasten, kurz das Taschentuch draufgehalten, das war’s.“ Die Korbacher Handballer trainierten in der kleinen Schulturnhalle am Enser Tor. Dabei kamen abenteuerliche Übungseinheiten heraus: „Wir sind draußen von der Jugendherberge über die Straße angelaufen, die drei Stufen hoch und haben dann durch die gesamte Halle hindurch aufs Tor geworfen“, sagt Müller.
Der heutige Handball sei mit dem von vor 50 Jahren nicht mehr zu vergleichen, es sei alles viel schneller und athletischer geworden. „In den 50er und 60er Jahren haben wir uns freitags zum Training getroffen, dabei wurde eine Stunde lang der Ball in die Hand genommen und gedonnert, nicht erst warm laufen und dehnen und anderes albernes Zeug“, erzählt Müller mit einem ironischen Lächeln.
Nachdem 1970 die neue Königstorhalle in Kassel eröffnet wurde, war diese noch einige Monate die Heimspielstätte der Korbacher Handballer, ab 1970 auch für die Handballerinnen des TV Korbach. Aber 1971 zogen sie endlich in „ihre“ Kreissporthalle ein. (rsm)