Kindern Sport vermitteln: Lukas Goos und sein Podcast Kleine Otter

Wie vermittelt der Trainer oder die Übungsleiterin Kindern idealerweise Sport? Diese Frage hat Lukas Goos so umfassend umgetrieben, dass er unter die Podcaster gegangen ist.
Köln/Korbach – Am 1. Februar stellte der Lehramtstudent aus Korbach das erste Interview seines Podcasts „Kleine Otter. Kinder und Sport“ ins Netz. Auf der anderen Seite des Mikrofons saß Niels Kaffenberger, Wissenschaftler und Snowboardlehrer. Derzeit umfasst der Podcast 13 Gespräche, zuletzt ging es um Mobbing.
Immer hat Goos Menschen befragt, die Forschende und Praktiker zum Thema Sport mit Kindern sind, immer im Kopf, Brücken zu schlagen „zwischen der grauen Wissenschaft und der bunten Welt der Kinder“. Seinen Podcast kann man bei Apple Music ebenso hören wie bei Spotify oder Amazon Music. Fragen dazu hat er uns beantwortet.
Herr Goos, wie ist die Idee zum Podcast entstanden?
Beim Schwimmunterricht. Mir fiel auf, wie sehr Eltern darauf pochen, dass Kinder die richtige Schwimmtechnik lernen und dass sie es auch gern sehen, wenn die Kinder dafür mal am Beckenrand sitzen. Das ist in dem Alter aber nicht wirklich sinnig.
Warum nicht?
Grundlegende Idee ist, dass die Kinder selbst Erfahrungen machen und es sinnvoller ist, wenn sie die Dinge lernen, ohne dass sie aktiv wissen, dass sie gerade lernen. Das konnte ich zu dem Zeitpunkt noch nicht angemessen artikulieren, ich hatte keine wissenschaftliche Basis. Erst als ich mich im Institut für Vermittlungskompetenz an der Sporthochschule hier in Köln spezifisch zum Schwimmen informiert habe, kam mir der Gedanke: Diese Idee kenne ich schon.
Das müssen Sie erläutern.
Aus dem Fuß- und Handball kennt man Ballschulkonzepte und Straßenfußball-Hypothesen. Sie kommen langsam in anderen Sportarten an. Eltern und auch viele Übungsleiter*innen in Breitensportvereinen haben das nicht so auf dem Schirm.
Was meinen Sie genau?
Theorie kann nur eine Stütze für Erfahrung sein, das heißt: Die Erfahrung muss ein Kind selbst machen, Theorie kann sie ebenso wenig ersetzen wie eine Trockenübung. Und eine schlecht ausgeführte echte Bewegung ist besser als eine theoretisch erklärte. Es ist sinnvoller, dem Kind zu sagen: Versuch mal auf die andere Seite zu schwimmen, und dann erklärt man ihm erst: Okay, vielleicht versuchst du mal den Armzug, der so aussieht, oder denk mal an einen Frosch, was der mit den Beinen macht. Machen ist das Allerwichtigste, das ist es, was die moderne Sportwissenschaft sagt.
„Am Anfang war die kindliche Neugier“
Damit ist die Basis definiert, von der aus Sie gestartet sind, um Expertenwissen aus verschiedenen Sportarten einzuholen?
Am Anfang war die eigene kindliche Neugierde: Wie passt das, was für Schwimmen oder Fußball richtig ist, bei anderen Sportarten wie Tanzen, Bewegungstheater, Skifahren und Snowboard. Es geht mir um eine nachhaltige Sportvermittlung. Dabei interessiert mich besonders die emotionale Ebene.
Was heißt nachhaltig?
Dass es den Kindern Spaß macht, dass kein Druck aufgebaut wird, sie sich wohlfühlen und aus sich selbst heraus motiviert sind, sich zu bewegen.
Was meinen Sie mit der emotionalen Ebene?
In Seminaren und Weiterbildungen wird häufig kommuniziert, dass es einen Trainingsinhalt gibt und eine Trainingsmethode. Das finde ich alles im Internet, zum Beispiel auf DFB-Online die Methoden, nach denen die deutsche Nationalmannschaft trainiert. Ließe sich das einfach kopieren, wäre jeder Kreisliga-Trainer Jogi Löw. Das heißt, es muss noch irgendwas anderes geben, etwas Essenzielles.
„Ich glaube an eine Art Sportart-übergreifende Kompetenz“
Die emotionale Ebene.
Sie besteht zwischen Trainer*innen und den Lernenden und wird in Lehrgängen oft nicht einbezogen. Deshalb reden wir in meinem Podcast häufig über Dinge wie Angst, Stress, auch über Pippipausen, die Einbettung von Bewegungsaufgaben und -geschichten. Alles Dinge, die fernab von den Methoden und Inhalten passieren.
Wir verstehen Sie richtig: Diese dritte Ebene mithilfe der Gesprächspartner Laien zugänglich zu machen, ist Ihre Intension mit dem Podcast?
Genau. Ich glaube daran, dass es eine Art Sportart-übergreifende Kompetenz gibt, die Übungsleiter*innen haben können. Speziell im Kontext Kinder. Es bedeutet, wenn ich kompetent bin im Trainieren von Fußball, dann kann ich mit dieser speziellen Kompetenz auch Schwimmen unterrichten oder sogar Sportarten, die ich selbst nicht beherrsche – mit ein paar grundlegenden Ideen.

Wie finden Sie ihre Gesprächspartner?
Da es sich zum großen Teil um einen wissenschaftlichen Podcast handelt, suche ich sie anhand ihrer wissenschaftlichen Veröffentlichungen aus, zum Teil auch danach, ob sie Kinder haben oder in welchem Bereich sie forschen. Den Snowboarder Niels Kaffenberger etwa habe ich gefragt, weil ich wusste, er forscht ganz speziell im Snowboarden für Kinder im Alter von zwei bis fünf Jahren. Beide Komponenten sind wichtig: Der spezielle Bezug zu Kindern und die wissenschaftliche Expertise; Doktortitel aufwärts ist da ein Kriterium.
„Es ist interessant, wie man Handball einem fünfjährigen Kind erklärt oder Tanzen. Da muss man neu reflektieren.“
Wie bauen Sie Ihre einzelnen Interviews auf – zum Beispiel mit inhaltlich wiederkehrenden Elementen?
Es gibt vier immer wiederkehrende Rubriken: Eine kleine Geschichte, die meistens zu Beginn kommt; sie soll bewegend sein, mit dem Sport und einem Kind zu tun haben. Dann frage ich nach einer Erfahrung, von der sich die Interviewgäste wünschen würden, dass jedes Kind sie macht. Zum Schluss gebe ich immer noch Raum für etwas, das den Interviewpartnern am Herzen liegt. Die vierte Kategorie ist neu, da habe ich mich geärgert, dass sie mir so spät eingefallen ist: Erklär doch mal deine Sportart, als wäre ich fünf Jahre alt.
Da sind die Wissenschaftler gezwungen sehr verständlich zu formulieren.
Genau. Es ist interessant, wie man Handball einem fünfjährigen Kind erklärt oder Tanzen. Da muss man neu reflektieren, und es zeigt sich außerdem, wie wichtig die Empathiefähigkeit gegenüber Kindern ist.
Wie bereiten Sie sich auf die Interviews vor?
Ein Grundgerüst generiere ich aus meinem eigenen Wissen sowie aus Rückmeldungen von Eltern oder aus dem Freundeskreis. Es gibt viele Dinge, die ich nicht auf dem Schirm habe. So haben mir unabhängig voneinander verschiedene Mütter die Frage gestellt, wie das mit Skifahren mit Windeln ist.
„Ein süßer eingängiger Name, den es so noch nicht gibt“
Sie betreiben großen Aufwand: Haben Sie die Absicht, mit den Podcasts Geld zu verdienen?
Perspektivisch würde ich gerne zum Schwerpunkt Kinder und Sport forschen, am liebsten an der Sporthochschule. Durch den Podcast generiere ich qualitative Inhalte, die ich für meine Forschung nutzen kann. Er ist der Grundstein für meine weitere Karriere, falls ich in der Wissenschaft bleibe. Das ist das Hauptmotiv. Natürlich freue ich mich, wenn mich jemand sponsern möchte, auf meiner Steady-Seite meinem Newsletter abonniert oder als Unterstützer 2,50 Euro im Monat spendet. Aber die erste Motivation ist meine eigene Neugierde und der Gedanke, dass ich Kindern eine schöne Zeit bereiten kann. Die Karriere steht an zweiter Stelle –ganz zum Schluss kommt der finanzielle Faktor.
Wie sind Sie auf den Namen Kleine Otter für Ihren Podcast gekommen?
Das war zunächst ein Arbeitstitel. Ein guter Freund und ich hatten überlegt, eine Schwimmschule zu gründen, und wir redeten auch über Namen. Wir hatten im Kopf, dass der Otter das Tier des Jahres 2020 war, er verspielt ist, an Land lebt, aber gern schwimmt – genau wie meine Schwimmkinder. Als ich mich dann entscheiden musste, einen Namen für den Podcast zu finden, ist es bei den kleinen Ottern geblieben. Die kann ich super illustrieren, in einem Kinderbuch verarbeiten, eine kleine Marke draus machen. Ein süßer, eingängiger Name, den es so noch nicht gibt. Jeder mag Otter.
Wie viele Hörer finden Sie pro Folge ungefähr?
Im Mittel 250. Das ist ganz okay, da die Phase des Marketings noch gar nicht richtig angefangen hat. Alles was bis jetzt passiert ist, ist Mundpropaganda und ein bisschen Facebook und Instagram.
Wo soll es noch hingehen?
Perspektivisch habe ich den Verdacht, dass sich der Grundgedanke, wie vermittele ich Kindern Sport, auch auf Sprache und Musik übertragen lässt. Ich studiere ja auch Französisch und spiele Gitarre. Irgendwann wird es keine Sportarten mehr geben, die ich untersuchen kann. Vielleicht wird es dann die kleinen Otter Sprache und Musik geben.