1. WLZ
  2. Sport
  3. Lokalsport

Willinger Skispringerin Michelle Göbel zieht erfolgreiche Saisonbilanz: Karrierewegweiser zeigt Richtung Oberstdorf

Erstellt:

Kommentare

Die Nummer eins: Die Willinger Skispringerin Michelle Göbel feiert mit DSV-Trainer André Pschera im finnischen Lahti den Gesamtsieg im Continentalcup.
Die Nummer eins: Die Willinger Skispringerin Michelle Göbel feiert im finnischen Lahti den Gesamtsieg im Continentalcup. © pr

Wenn Michelle Göbel einen großen Sprung nach vorn gemacht hat, muss das nichts heißen, schließlich ist sie Skispringerin. Doch die 19-jährige Willingerin ist durch eine starke Saison geflogen.

Willingen – Die Schülerin der Uplandschule machte sogar so einen großen Leistungssprung, dass sie an die Tür der deutschen Weltcup-Mannschaft angeklopft hat. Für die zwei Springen in Rasnov (Rumänien) wurde sie vom Bundestrainer dort hineingelassen und sammelte mit den Rängen 16 und 23 ihre ersten Weltcuppunkte.

Ihren schönsten und ihren ärgerlichsten Wettkampf erlebte Göbel bei der Junioren-WM in Kanada, wo sie mit dem Team und im Mixed-Wettbewerb jeweils eine Bronzemedaille gewann. „Der Mixed-Wettbewerb war toll und unglaublich spannend“, sagt Göbel.

Beim WM-Einzelspringen ging vieles schief

Nicht so gern erinnert sie sich an ihr vielleicht wichtigstes Springen in dieser Saison, der Einzelwettbewerb bei der Junioren-WM mit Platz zehn. „Ich wollte unter die besten sechs, aber schon nach dem ersten Sprung war alles gelaufen, weil ich beim Absprung viel zu früh war, das hat mich einige Meter gekostet, da war ich schon sehr verärgert. Beim zweiten Sprung wollte ich noch einiges rausholen, aber der war noch schlechter und die Landung auch.“

Mit einem Erfolg hat sich Göbel in dieser Saison selbst überrascht: Gesamtsieg im Continentalcup (COC). Sie habe nicht erwartet, dass sie im COC schon vorn mitspringen könne. „Als ich aber nach den ersten beiden Wettkämpfen jeweils Platz drei belegt hatte, sagte ich mir, da geht was und als ich in der Gesamtwertung immer weiter vorgerückt bin, wollte ich auch mal im gelben Leibchen der Gesamtführenden springen, das hat dann auch noch geklappt und nun darf ich es sogar behalten“, sagt Göbel, die für diesen Gesamtsieg bei acht Springen nicht einmal siegen musste: Zwei zweite Plätze, vier dritte und je ein vierter und sechster Rang reichten mit 490 Punkten für den Gesamtsieg.

Sprung in A-Kader nicht unmöglich 

Dieser Erfolg garantiert ihr in der kommenden Saison einen Platz im B-Kader des DSV, doch sie traut sich durchaus den Sprung in den A-Kader zu. „Bei den Männern kann man im COC Quotenplätze erspringen und damit einen Startplatz im Weltcup ergattern. Ich glaube, das gibt es bei den Frauen noch nicht“, erzählt Göbel, die seit Montag wieder in Willingen ist und nun viel Sitzfleisch benötigt, denn jetzt heißt es für sie Lernen fürs Abitur. Biologie und Deutsch sind ihre Lieblingsfächer. Sport war es mal, aber der ist ihr jetzt zu theoretisch geworden.

Schule und Hochleistungssport unter einen Hut zu bekommen ist wahrlich nicht einfach, obwohl die Uplandschule Willingen ein Konzept für diese Verbindung hat. Göbel rechnet vor, dass sie in diesem Schuljahr 144 Fehlstunden hatte und in den letzten drei Halbjahren habe sie wegen ihres Sports rund 320 Stunden verpasst.

Nur kurzfristiges Planen möglich

Dem Lernstoff ständig hinterherzuhecheln ist schon schwierig genug, aber das Skispringen nimmt auch keine Rücksicht auf Bedürfnisse von Schülerinnen und Schüler. Termine und Absprachen können sich täglich verändern. „Das war in dieser Saison richtig ätzend“, sagt Göbel. „Am Anfang bekommen wir einen Kalender mit unseren Terminen, aber sobald der erste Wettkampf vorbei ist, schauen die Trainer, wo man leistungsmäßig steht und dann wird von Woche zu Woche oder eher von Tag zu Tag entschieden, wie es weitergeht und dann bekommst du einen Tag vorher gesagt, dass du irgendwo hinreisen musst zum nächsten Wettkampfort, der vielleicht mehrere hundert oder tausend Kilometer weit entfernt ist.“

Das sei für Teamkolleginnen, die bei der Bundeswehr oder Bundespolizei angestellt seinen, kein Problem, aber „für mich als Schülerin war das wirklich nervig, weil ich musste immer mit der Schule absprechen, ob ich die Freistellung auch erhalte.“ Spontanität ist hier gefragt und möglichst wenig Bürokratie. Das Hotel wird vom Verband gebucht und der Trainer gebe die Uhrzeit an, wann die Sportlerinnen im Hotel sein sein sollten. Doch damit nicht genug. Auf die Frage, um was sie sich noch so selbst kümmern müsse, sagt Göbel: „Eigentlich um alles.“

Es darf im Leben nicht nur Skispringen geben

Michelle Göbel fährt oft mit dem Auto zum Wettkampfort, fast nie mit dem Zug. Unpünktlichkeit kann sie bei ihrem eng getakteten Sportlerinnenleben nicht gebrauchen.

„Wir treffen uns mit Trainern oder Teamkolleginnen meistens an einer Autobahnraststätte, dann muss ich schauen, wie komme ich zurück und wie geht es mit dem Gepäck, wenn ich am Flughafen stehe?“ Göbel wird bei diesen organisatorischen Dingen von ihren Eltern oder von Helfer des Ski-Clubs unterstützt. Anfangs wollten ihr viele Leute dabei helfen und sie entlasten.

„Das fand ich auch ganz nett, aber dann hatte jeder von fünf verschiedene Leuten was anderes geplant und es ging überhaupt nichts mehr. Ich musste mir dann vom Trainer immer anhören, dass das bei mir alles nicht funktioniere. Seither kümmere sie sich lieber selbst darum, auch um das Gepäck. Ich habe zwei Paar Skier, drei Anzüge, zwei Paar Schuhe und das andere Sprungzeug in einer großen Reisetasche. „Da die Skier nicht ins Auto passen, gebe ich sie öfter meinen Trainern mit.“ Eigene Kosten kämen aber nicht mehr auf sie und ihre Familie zu.

Bewerbung für die Bundeswehr

Allerdings kommt auf Michelle Göbel ein neuer Wohnort zu. Sie habe sich bei der Bundeswehr beworben, erzählt sie und Kaderathletinnen sollten in Oberstdorf wohnen. Dort würde sie dann mit der Nationalmannschaft trainieren.

Freut sie sich auf diesen Umzug? „Ehrlich gesagt, nicht so richtig. Die trainieren ganz anders als ich in Willingen, auch viel mehr, jeden Tag zwei Einheiten“, sagt Göbel. Aber ist es nicht schön, dass sie sich jetzt nur noch auf ihren Sport konzentrieren kann, keine Schule mehr? „Ja, schon, aber ich weiß nicht, ob das gut ist, wenn man von morgens bis abends nur noch Skispringen im Kopf hat und nichts anderes mehr. Man muss den Kopf auch wieder freikriegen.“

Und wann zieht Göbel nach Oberstdorf? Sie lacht etwas verschmitzt bevor sie antwortet: Die Schule ende am 7. Juli, das sei schon mitten in der Sommersaison. „Vielleicht bleibe ich noch ein Jahr in Willingen, einige Dinge möchte ich auch noch selbst entscheiden.“ Da weiß jemand scheinbar genau was er will. rsm

Auch interessant

Kommentare