Mit neun Jahren stand Anna Häfele das erste Mal auf Sprungski, mit 15 startete sie im Ladies Grand-Prix; so hieß der erste internationale Wettbewerb der FIS für die Frauen. Die gebürtige Willingerin erinnert die Anfänge als familiär, aber auch improvisiert mit ein bisschen Do-it-yourself-Charakter. „Bei vielen Nationen mussten die Frauen alles aus eigener Tasche bezahlen. Da war der Deutsche Ski-Verband schon weiter und unterstützte uns. Von daher war es faszinierend, wie viele Frauen schon damals mit dabei waren“, erzählt sie.
Das Tempo der femininen Schanzeneroberung sieht Anna Häfele insgesamt kritisch. „Es hätte sich alles etwas früher oder schneller entwickeln können“, sagt sie und verweist auf die Nordische Kombination für Frauen, bei der zwischen der Einführung eines Continental-Cups und des ersten Weltcups lediglich drei Jahre verstrichen.
„Beim Frauen-Skispringen hat man damals versäumt, es genauso zielstrebig zu fördern, weil man leider kein Potenzial gesehen hat“, sagt die Willingerin, die mit ihrem Partner im Raum Düsseldorf wohnt.
Gegenwind kam auch schon mal mit medizinisch fragwürdigen Argumenten auf. „Bei der Landung zerreißt es die Gebärmutter“, warnte etwa der damalige FIS-Präsident Gian-Franco Kasper in den Nuller-Jahren. „Da haben alle Skispringerinnen gesagt, der Typ ist doch aus dem Mittelalter“, erinnert sich Häfele.
Beim Blick auf die eigene Laufbahn ist sie mit sich im Reinen. Für ganz vorne habe es zwar nicht gereicht, sagt sie, Kleinigkeiten hätten gefehlt.„Ich wäre gern noch ein bisschen weiter nach vorn gekommen, denke aber, ich war doch grundsolide mit dabei.“ Es war ihre Entscheidung, als sie 2015 aufhörte.
Zu ihren Nachfolgerinnen hat sie teils noch einen direkten Bezug. Über Katharina Althaus, derzeit die Nummer eins im DSV, sagt sie, bei ihr habe sich das Talent früh herauskristallisiert. Mit Juliane Seyfarth, eine weitere aktuelle Olympia-Fahrerin, teilte sie jahrelang das Zimmer.
Anne Häfele schaut mit Wärme auf die vergangenen Wettkampftage: „Wenn man das im Fernsehen sieht, die ganze Kulisse mit dem Schnee, die perfekt präparierten Schanzen, und du denkst, da war ich auch schon: Das war schon eine sehr geile Zeit“, sagt sie.
Wie Jenna Mohr hätte auch Anna Häfele die heutige Generation der Springerinnen gern live auf der Heimatschanze fliegen sehen. „Gerade Willingen empfinde ich als sehr schöne Schanze, die locker auch von Frauen gesprungen werden kann.“
Für sie sei ein Weltcup mit Frauen und Männern nur eine Frage der Zeit gewesen. Die dazugehörige Partykulisse können Althaus und Co. hoffentlich in einem Jahr erleben. Was die Zukunft des weiblichen Springens angeht, denkt Anna Häfele ähnlich wie Jenna Mohr. „Es würde helfen, wenn sie genau wie im Biathlon mit dem Herrenzirkus mitfahren würden.“ Am besten auch bei der Vierschanzentournee: „Für die meisten Ausrichter sollte es kein Problem sein, ein zusätzliches Springen mit ins Programm zu nehmen.“ (Gerhard Menkel)