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Werner Schuster: „Ein guter Test für die WM“

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Von: Manfred Niemeier

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Immer das Gesamtsystem im Blick: Skisprung-Bundestrainer Werner Schuster.
Immer das Gesamtsystem im Blick: Skisprung-Bundestrainer Werner Schuster. © Daniel Karmann

- Skisprung-Bundestrainer Werner Schuster spricht im Interview mit WLZ-FZ-Redakteur über sein Team, Lokalmatador Stephan Leyhe und die Vorfreude auf Willingen.

Herr Schuster, Sie waren am Wochenende nicht mit in Sapporo, sondern mit der Familie Ski fahren. Wie wichtig war die schöpferische Pause bei Halbzeit der Weltcup-Saison?

Es war sehr wertvoll, noch einmal aufzutanken und um noch ein paar organisatorische Dinge im Hintergrund zu erledigen. Beginnend mit den zwei Heim-Weltcups, dem Skifliegen in Vikersund, der Weltmeisterschaft und einer intensiven Skandinavien-Tour hat der Winter noch einiges zu bieten. Ich fühle mich gut erholt und gut vorbereitet.

Sie haben gesagt, dass Sie sich vor Ihrer Vertragsverlängerung bis 2019 im vergangenen Jahr schon ein paar Gedanken gemacht haben, weil die letzte Saison sehr anstrengend gewesen sei. Was ist im Job des Skisprung-Bundestrainers besonders stressig?

Das Skifahren in Hochötz war total anstrengend. Im Ernst, ich bin für das Gesamtsystem zuständig und verantwortlich. Im Leistungssport steht man ständig im internationalen Vergleich. Es sind vielschichtige, sehr interessante Aufgaben mit der großen Verantwortung einerseits gegenüber den Sportlern, andererseits auch gegenüber der Öffentlichkeit. Das zehrt natürlich an einem, aber es ist natürlich auch sehr freudvoll.

War für Sie auch ein Abschied aus Deutschland und die Nachfolge von Österreichs Cheftrainer Alexander Pointner ein Thema?

Das war nie ein Thema. Österreich ist ganz gut aufgestellt. Alexander Pointner hat sehr gute Arbeit gemacht. Jetzt hat sich der Verband für eine neue Ausrichtung entschieden und Heinz Kuttin macht das sehr umsichtig. Nein, in die Richtung habe ich nicht nachgedacht.

Ab 2008 haben Sie die deutschen Skispringer aus der Talsohle nach der Ära Hannawald/Schmitt geführt. Im vergangenen Winter wurde das Team in Sotschi Olympiasieger und Severin Freund hat die Skiflug-WM gewonnen. Trotzdem sehen Sie die DSV-Adler noch nicht auf dem Zenit.

Die Messlatte lag durch die Generation vorher sehr hoch. Um auf eine ähnliche Stufe zu kommen, muss man auch Titel gewinnen. Ich denke, da haben die Jungs im letzten Jahr gute Arbeit geleistet. Aber es bleiben noch einige Ziele übrig. Neben Severin Freund oder Richard Freitag und dem leider verletzten Andreas Wellinger, die schon Springen gewonnen haben, haben wir noch weitere Sportler, die das Zeug dazu haben. Und Titel zu gewinnen. Die Jungs sind alle zwischen 18 und 25 Jahre, das heißt, sie haben noch Potenzial in der Persönlichkeits- als auch in der Leistungsentwicklung - und deswegen sehe ich sie noch nicht am Zenit.

Hat Sie da das unbefriedigende Abschneiden bei der Vierschanzentournee in Ihrer Einschätzung, dass noch Luft nach oben ist, früh im Winter bestärkt?

Ja, natürlich. Das erste Ziel war, die Tournee erfolgreicher zu gestalten als in den Vorjahren. Genau genommen ist es auch gelungen, aber nach dem missglückten Auftakt ist auch angesichts der hohen Erwartungen in der Öffentlichkeit ein bisschen überreagiert worden. Am Ende hatten vier Leute ihre beste Tournee gesprungen und wir haben durch Richard Freitag den ersten Sieg seit zehn Jahren gefeiert. Das zeigt, wir haben uns weiterentwickelt, aber wir konnten den großen Wurf nicht landen. Das müssen wir so hinnehmen, daraus lernen und versuchen, es beim nächsten Mal besser zu machen.

Die Sportler sind immer stärker gefordert, haben 30 Springen an 16 Wochenenden auf dem Plan. Nach der Reise ins ferne Japan haben sie gleich anschließend in Willingen drei Springen in drei Tagen vor sich. Ist die Grenze erreicht?

Der Kalender ist schon ziemlich voll. Aber auf der anderen Seite wären viele andere Sportarten froh, wenn sie so viele Wettkämpfe hätten. Wir finden nicht nur alle vier Jahre bei Olympischen Spielen oder nur alle zwei Jahre bei Weltmeisterschaften statt, sondern wir finden vier Monate lang in der Öffentlichkeit statt, und das ist schon ein Privileg. Natürlich ist es nicht ganz ungefährlich, wenn die Sportler auf jeder Station Höchstleistungen bringen, da müssen sie körperlich und psychisch in einem Topzustand sein. Wer eine Pause braucht, der kann auch mal aussetzen, da suchen wir immer nach individuellen Lösungen.

Erklären sich auch einige der vielen schweren Stürze in diesem Winter mit der enormen Beanspruchung? Oder fehlte, etwa wie bei Simon Ammann, bei der durch den gebogenen Bindungsstab schwierigeren Landung einfach nur die nötige Konzentration?

Viele Stürze waren zu Beginn des Winters und von daher spielen da mehrere Faktoren rein. Einerseits hat es mit dem Material zu tun. Andererseits waren die Verhältnisse grenzwertig, aber noch verantwortbar. Etwa beim Sturz von Andreas Wellinger in Kuusamo, da war es machbar, aber halt nur ohne Fehler. Auch bei den nicht immer einfachen Schneeverhältnissen sind die Veranstalter bei der Präparierung der Schanze oft ans Limit gestoßen. Also, die Gründe sind sehr komplex.

Und jetzt wird die mentale Belastung zusätzlich gesteigert, das Springerlager wird erstmals direkt bei den Zuschauern sein. Wie sehen Sie das?

In Willingen wäre es für den Sportler definitiv besser, wenn das Springerlager oben geblieben wäre. Einfach weil da der Weg zum Anlauf viel kürzer ist, der Springer seinen Start viel besser planen kann. Es gibt doch immer wieder zeitliche Verschiebungen, auf die kurzfristig reagiert werden muss, und da ist die Standseilbahn nicht gut geeignet für. Ich hoffe, dass der Shuttle-Dienst so gut funktioniert wie in den Jahren zuvor.

Die Zuschauer dürften sich aber freuen.

Willingen hat tolle Fans und ich verstehe es auch, dass sie die Nähe der Sportler suchen. Man kann es mal ausprobieren, aber dann sollte man auch neu darüber diskutieren, was für alle das Beste ist.

Für einen wird es so oder so etwas ganz Besonderes: Stephan Leyhe. Was geben Sie dem Lokalmatadoren für die Wettbewerbe auf seiner Heimschanze mit auf den Weg?

Eigentlich nichts Besonderes. Er war 2012 ja schon einmal dabei, da hat er keine gute Figur gemacht. Inzwischen hat er sich weiterentwickelt, hat eine gute Vierschanzentournee gesprungen und ist momentan ein fixer Bestandteil des Teams. Ich denke, er soll locker und zugleich frech drauflos springen, dann kann er auch zu Hause punkten.

Wie bisher in den meisten Weltcup-Springen, auch wenn bis zur Spitze noch ein bisschen fehlt.

Für Stephan ist es wichtig, dass er sich in diesem Spitzenfeld etabliert, zumindest unter den Top 30. Er muss aber auch wissen, dass das noch nicht das Ende ist, denn ewig auf dieser Stufe macht ja auch nicht glücklich. Heuer muss er aber nicht mehr zaubern, denn er hat schon einen Riesenschritt gemacht.

Hand aufs Herz, hatten Sie Stephan Leyhe vor dieser Saison noch in Ihrem Notizblock stehen, immerhin hatte er sich zuletzt wahrlich nicht in den Vordergrund geschoben?

Wir haben schon an ihn geglaubt, denn eigentlich hätten wir ihn aus dem Kader werfen müssen, weil er die Ergebnisse nicht hatte. Aber auch die B-Kader-Trainer, allen voran Ronny Hornschuh, haben gemeint, wir sollten es noch einmal mit ihm probieren. Er hat das Vertrauen gerechtfertigt.

Er ist aber schon 23 Jahre alt, für einen Skispringer nicht mehr ganz so jung.

Wir haben die letzten Jahre relativ lange im Continentalcup an den Sportlern festgehalten, ihnen ausreichend Entwicklungszeit eingeräumt. Im letzten Jahr ist Marinus Kraus hochgekommen und hat zu einem wesentlichen Teil zum Olympiasieg beigetragen. Heuer war es Markus Eisenbichler und er hat schon über 300 Weltcup-Punkte geholt. Beide sind ein Jahr älter als Stephan Leyhe. Er ist also der dritte Springer, der einfach seine Zeit gebraucht hat, um sich in der Spitze zu etablieren. Unser System hat sich also bewährt.

Experten wie Dieter Thoma oder Toni Innauer sehen bei dem Schwalefelder keine großen Fehler, sehen eine gute Basis für noch größere Weiten. Wenn Sie genau hinschauen, wo gibt es das größte Entwicklungspotenzial?

Ich stimme den Experten zu, er hat eine gute, solide Grundtechnik. Aber er muss körperlich noch zulegen und er kann seinen Sprungstil insgesamt noch ein bisschen aggressiver gestalten. Er muss in den nächsten zwei Jahren noch ein bisschen mehr das Limit suchen, dann hat er die Chance, noch einen Schritt nach vorne zu machen. Im Moment ist er grundsolide, so wie ein Tennisspieler, der die Bälle immer wieder super zurückspielt, aber irgendwann muss er auch Punkte machen. Das kann er sich für nächstes Jahr vornehmen, sein Gesamtkonzept noch ein bisschen offensiver zu gestalten.

Wenn Stephan Leyhe seine Möglichkeiten ausschöpft, was trauen Sie ihm dann zu?

Das liegt an ihm. Der Weg steht ihm offen, wir werden ihn dabei bestmöglich unterstützen. Die Luft nach oben wird natürlich immer dünner. Ich will da für ihn kein Limit einziehen, er muss einfach weiterarbeiten.

Weit vorne sollen in Willingen andere landen. Was trauen Sie Ihren Sportlern zu, nachdem etwa ein Richard Freitag in Sapporo geschwächelt hat?

Ja, Richard Freitag ist im Moment ein bisschen wetterwendisch unterwegs. Er hat heuer schon grandiose Leistungen erbracht, ich denke, er wird sich bis zur Weltmeisterschaft wieder fangen. In Willingen ist traditionell Severin Freund unser bester Mann. Als Skiflug-Weltmeister hat das beste Gefühl, wie man diese Großschanze bewältigen kann. Markus Eisenbichler war letztes Jahr im Training schon sehr gut, vielleicht kann er das diesmal umsetzen. Wir müssen schauen, dass wir die Jungs zusammenhalten und in diesen kurzen Schwächephasen nicht überreagieren. Ich denke, die Heim-Weltcups erst in Willingen und dann in Neustadt sind ein guter Test für die WM, und da versuchen wir uns bestmöglich zu präsentieren.

Severin Freund hat 2011 am Mühlenkopf gewonnen, vor einem Jahr war er zweimal Zweiter. Wie hat er das freie Wochenende genutzt?

Indem er sich erholt hat. Er hat den Auftrag gekriegt, wenig zu trainieren, vielleicht mal zwei Tage mit seiner Freundin wegzufahren, um die Akkus voll aufzuladen. Weil die beiden Heim-Weltcups sind für die besten deutschen Springer ungleich belastender als für die ausländischen Konkurrenten.

Wie groß ist Ihre Vorfreude auf Willingen?

Sehr groß, ich bin inzwischen sehr, sehr gerne in Willingen. Wir haben hier doch ein paar gute Erfolge gefeiert. Wir haben natürlich alles schon erlebt, aber was wir dort immer erleben, ist die perfekte Organisation und die unendliche Begeisterung des Publikums. Deswegen fahre ich sehr gerne dorthin und hoffe, dass wir mit unseren Leistungen den Leuten was zurückgeben können.

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