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Willinger Schanzenchef Rohn: Wir sind gut in der Zeit

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Von: Gerhard Menkel

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Pistenwalze vor freiwilligen Helfern im Steilhang an der Mühlenkopfschanze Willingen.
Schnee schieben im steilen Hang: Die Pistenwalze vor Free Willis bei der Arbeit. Hinten links Schanzenchef Andi Rohn. © Artur Worobiow

Der Weltcup ohne Zuschauer, er kann kommen. Beim Ski-Club sind sie jedenfalls fast so weit. „Wir sind gut in der Zeit und haben keinen gewaltigen Druck“, sagt Schanzenchef Andi Rohn.

Willingen – Es hat geschneit im Upland, nicht zu knapp. Normalerweise würde der Schneefall so kurz vor dem Skisprung-Weltcup eine zusätzliche Stufe der Betriebsamkeit zünden. Doch Andi Rohn wirkt an diesem Sonntagmorgen am Telefon recht entspannt. Zwar rechnet der Schanzenchef des Ski-Clubs Willingen mit Niederschlägen noch den ganzen Tag, aus der Ruhe bringen sie ihn nicht.

Anders also sonst können beim kommenden Weltcup nämlich die Flocken auf Steh- und Sitztribünen an der Mühlenkopfschanze einfach liegenblieben. Sie werden nicht gebraucht. „Wenn wir die Tribünen noch räumen müssten, dann müsste Manpower kommen“, weiß Rohn. Der Ski-Club hätte leicht 80, 90 Free Willis mit Schippen und Besen zusammentrommeln müssen. So bleiben die Folgen des himmlischen Schneemachens überschaubar.

Rohn rechnet zu dieser Stunde zum Beispiel nicht mehr damit, dass im Anlauf noch die Spur gefräst werden kann. Was für Sonntag geplant war. Sie würde doch bloß zuschneien. Auch muss womöglich die Pistenwalze noch mal ran, um den Neuschnee vom Aufsprunghügel und aus dem Auslauf zu schieben. Beide Schanzenbereiche waren bis Samstagabend grob fertiggestellt.

Der dritte Weltcup für Rohn als Chef

Rohn erwartet keine Probleme: „Wenn der Untergrund hält, dann schabt die Walze praktisch nur den Neuschnee oben ab.“ Die Arbeit ist nicht trivial: „Es müssen vorgeschriebene Schneehöhen eingehalten werden“, erläutert Rohn. Der Technische Delegierte wird am Donnerstag schauen, dass etwa die Werbebanden komplett sichtbar sind.

Meistens ist die Abnahme der Schanze eine Formalität – beim Ski-Club sammelt sich die Erfahrung aus mehr als 25 Jahren Weltcup. Für Rohn ist das Skispringen am Wochenende sein dritter Weltcup als Chef an der größten Großschanze der Welt. Seit Mitte Dezember arbeiten er und seine Teams daran, sie in eine professionelle Wettkampfstätte für etwa fünf Dutzend Flugathleten zu verwandeln.

Gut 3500 Kubikmeter Kunstschnee haben sie mit ihren „Kanonen“ hergestellt, oft in Nachtschichten, weil manchmal nur bei Dunkelheit die Temperaturen tief genug fallen. „Es hat sich gezogen, mal einen Tag, mal zwei Tage“, sagt Rohn, Er hat es lieber, wenn es ein paar Tage lang durchgängig knackig kalt ist und die Beschneiung am Stück stattfindet.

Vor vier Tagen startete der Ski-Club mit der Präparierung der Schanze. Tausende Kubikmeter Schnee sind bewegt, der 110 Meter lange Anlauf mit einer etwa 35 Zentimeter dicken Schicht aus purem Eis belegt. Dahinter steht tägliches Bewässern und ein Verbrauch von etwa 8000 Liter Wasser. „Ich bin immer darauf bedacht, dass wir Vorlauf haben“, sagt Rohn und erinnert an ein Jahr, als sie erst drei, vier Tage vor der Abnahme mit dem Präparieren beginnen konnten. „Das heißt unheimlichen Stress und manchmal auch ein paar böse Worte.“

Maik Löwenstein mit Schneefräse
Schiebung: Maik Löwenstein mit Schneefräse. © Artur Worobiow

Ein Zeitpuffer erlaubt entspannteres Arbeiten. Wie schnell etwas schiefgehen kann, erfuhren die Helfer erst wieder am Donnerstag. Das 1100 Meter lange Stahlseil, an dem die Pistenwalze hängt, riss und der Fahrdienst musste über Nacht vom Hersteller in Laupheim südlich von Ulm ein neues herankarren.

Als größte Aufgabe steht außer dem Fräsen der Spur noch der Feinschliff aus, den das Team Aufsprung bewerkstelligt. Den „Hobel“, der zum Einsatz kommt, bedienen übrigens auch Volker und Christoph Leyhe, Vater und Bruder des Willinger Vorjahressiegers Stephan Leyhe, der bei Willingen/6 von Freitag bis Sonntag nach seinem Kreuzbandriss ja nur zuschauen kann.

Die Kosmetik ganz zum Schluss

Wenn der Steilhang fertig präpariert ist, rückt das „Kosmetikteam“ an, wie sie im Verein sagen: Es steckt die Tannenzweige, stellt Weitenschilder, zieht farblich unterschiedliche Weitenlinien, hängt Banner auf. „Viele Kleinigkeiten“, sagt Schanzenchef Andi Rohn.

Das Gewusel und Gewerkel an der Mühlenkopfschanze ist in diesem Jahr viel kleiner als üblich. Normalerweise würden jetzt Container aufgebaut, Verkaufsstände für Fanartikel errichtet, Getränke- und Wurstbuden vorbereitet, stünde das große Festzelt. Doch ohne Zuschauer braucht es das alles nicht. „Wir arbeiten mit einer ziemlich geringen Helferzahl“, erzählt Andi Rohn. Nur noch die Free Willis, die die Schanze präparieren, und ein gestutztes Cateringteam müssen schaffen. „Es ist ein bisschen Geisterstimmung“, sagt Rohn.

Sie entspricht, wenn man so will, dem kommenden Geisterspringen. Am Elan und der Einsatzbereitschaft seiner Mannschaft habe das Wissen um einen Weltcup ohne Publikum nichts geändert, versichert Rohn. „Die Arbeit muss sowieso gemacht werden, und die Helferteams freuen sich jedes Jahr auf den neuen Weltcup.“

Sicher, Corona hat Einfluss. Das Masketragen bei der Arbeit kann lästig sein. Zudem schaute, so berichtet es Rohn, die Polizei bei den Arbeiten vorbei, um zu überprüfen, ob die Helfer Abstands- und Hygieneregeln beachten. „Präsident Jürgen Hensel hat die Einhaltung der Regeln angemahnt“, sagt Rohn, „wir halten uns daran.“

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