Kölliker-Team setzt sich hohe WM-Ziele

Stockholm - Vor ihrem WM-Auftaktspiel am Freitag gegen Außenseiter Italien hat die deutsche Eishockey-Nationalmannschaft die Tiefstapelei der vergangenen Jahre endgültig abgelegt.
Der Klassenerhalt ist absolute Pflicht, die Olympia-Quali das realistische Ziel, der Titel der offen ausgesprochene Traum: Vor ihrem WM-Auftaktspiel am Freitag (12.15 Uhr/Sport 1) gegen Außenseiter Italien hat die deutsche Eishockey-Nationalmannschaft die Tiefstapelei der vergangenen Jahre endgültig abgelegt und ungewohnt forsche Töne angeschlagen. „Wir wollen Weltmeister werden“, sagte Jakob Kölliker vor seiner WM-Premiere als Bundestrainer in Stockholm, „denn wir gehen in jedes Spiel mit dem Ziel, als Sieger das Eis zu verlassen. Italien soll das sofort zu spüren bekommen.“
Selbstbewusstsein zu demonstrieren ist sicher keine schlechte Taktik, denn erstmals seit sieben Jahren sind die Kufencracks des Deutschen Eishockey-Bundes (DEB) bei einem WM-Auftaktspiel favorisiert. „Mit dieser Situation müssen wir fertig werden. Aber wir haben den richtigen Fokus und die richtige Einstellung“, meinte der Bundestrainer mit Blick auf das Duell gegen den Aufsteiger.
Anders als in den Jahren zuvor würde eine Auftaktniederlage jedoch nicht gleich das wahrscheinliche Vorrunden-Aus bedeuten. Durch die Modus-Änderung mit zwei Achtergruppen blieben dem Kölliker-Team sechs weitere Chancen, um genügend Punkte für das Viertelfinale zu sammeln. Die weiteren Gruppengegner sind auf dem Papier jedoch weitaus stärker einzustufen als Italien: Lettland, Rekordweltmeister Russland, Gastgeber Schweden, Dänemark, Norwegen und Tschechien.
Das Erreichen der K.o.-Runde würde Deutschland genügend Zähler bescheren, um sich über die Weltrangliste direkt für die Olympischen Spiele 2014 in Sotschi zu qualifizieren. „Das ist elementar wichtig für uns“, sagte DEB-Präsident Uwe Harnos. Der Deutsche Olympische Sport-Bund (DOSB) wäre sicher der erste Gratulant, nachdem Deutschland bei den Sommerspielen in London in vielen Mannschaftssportarten nicht vertreten sein wird.
Die Chancen, wie schon in den beiden Jahren zuvor unter die besten acht Teams der Welt zu kommen, stehen gut. In der Vorbereitung kassierte der WM-Vierte von 2010 trotz namhafter Gegner wie Russland und Tschechien keine einzige Niederlage in der regulären Spielzeit. Zudem war die Handschrift von Trainer Kölliker zu erkennen. „Wir spielen jetzt im eigenen Drittel wieder Mann gegen Mann statt einer Zonen-Verteidigung“, erklärte Stürmer Felix Schütz: „Die letzten Ergebnisse haben gezeigt, dass wir das System gut umsetzen können.“
Das Fehlen vieler Leistungsträger könnte sich jedoch als Problem herausstellen. Kölliker sammelte eine Absage nach der anderen, unter anderem werden Kapitän Michael Wolf, die NHL-Profis Dennis Seidenberg, Alexander Sulzer und Christian Ehrhoff sowie die Berliner Meisterspieler Frank Hördler und Constantin Braun nicht auflaufen. Aus der NHL ist einzig Marcel Goc vertreten, der jedoch angesichts von nur einer zwei Trainingseinheiten mit dem Team noch nicht völlig integriert sein kann.
Köllikers Zukunft dürfte trotz auslaufenden Vertrages auch nach dem Turnier in Schweden und Finnland beim DEB liegen, sofern das deutsche Team bei der WM, die erstmals seit 1930 wieder in mehr als einem Land ausgetragen wird, nicht völlig enttäuscht. Eigentlich wollte der Verband den charmanten Schweizer schon vor dem Turnier langfristig als Sportdirektor an sich binden, doch „Köbi“ verschob die Verhandlungen. Offen ist, ob der 58-Jährige künftig auch weiter als Bundestrainer arbeitet. Gut möglich, dass diesen Job künftig Ralph Krueger übernimmt, der schon vor vor einem Jahr Wunschkandidat für die Nachfolge von Uwe Krupp war.
Viele Superstars werden die Fans bei der WM derweil wohl nicht zu Gesicht bekommen. Alexander Owetschkin (Russland) und Jaromir Jagr (Tschechien) sind mit ihren Klubs noch in den Play-offs der NHL unterwegs. Kanadas Nationalheld Sidney Crosby sagte seine Teilnahme ab, obwohl er mit den Pittsburgh Penguins in der ersten Runde gescheitert war. „Ich liebe es, für das Team Canada zu spielen, aber jetzt sind andere Sachen wichtiger“, sagte der Olympiasieger, der im Januar 2011 zweimal kurz nacheinander schwere Gehirnerschütterungen erlitten hatte und monatelang nicht spielen konnte.
sid