„Wunderten sich die Schüler nicht, wenn Stunden, die im Stundenplan standen, gar nicht gegeben wurden?“, wollte der zweite Laienrichter wissen. Es habe ein offizieller Stundenplan für die Schüler existiert und ein schulinterner für die Abrechnung, antwortete der Angeklagte. „Und dieser Widerspruch fiel niemandem auf?“, staunte der Schöffe. „Nein, das glich niemand ab“, antwortete der Ex-Schulleiter.
Er berichtete von einem schlechten Betriebsklima. Den Draht zur unmittelbaren Vorgesetztenebene bewertet er zwar als gut. Bei der Geschäftsleitung seien aber schwer Termine zu erhalten gewesen, etwa, wenn Schüler marode Unterrichtsräume bemängelten. In der Corona-Krise sei das Unternehmen aus Sicht des Angeklagten rau mit mutmaßlichen Fehlern leitender Mitarbeiter umgegangen. In dieser Atmosphäre habe er ältere Ansätze verworfen, sich früher mit seinem Betrug dem Arbeitgeber zu offenbaren.
110 einzelne betrügerische Überweisungen stellte die Staatsanwaltschaft fest und wertete das als Beleg „erheblicher krimineller Energie“. Die Taten selbst waren der einzige Punkt, der zulasten des Angeklagten zu Buche schlug. Alle übrigen Umstände wirkten sich selbst aus Sicht der Anklagevertretung zu seinen Gunsten aus: das zu Beginn „edle Motiv“, die Offenbarung gegenüber dem Arbeitgeber, der vor Anklage wieder gut gemachte Schaden, das volle Geständnis vor Gericht, seine Reue, das leere Vorstrafenregister. Bei einem theoretischen Strafrahmen zwischen sechs Monaten und zehn Jahren Haft für jeden einzelnen Betrug forderte die Anklagevertretung eine Gesamtstrafe von zwei Jahren, für drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt. Zudem solle der Angeklagte 10 000 Euro für einen guten Zweck zahlen.
Verteidigerin Oxana Köhler bestritt die „erhebliche kriminelle Energie“. Die Umstände hätten es dem Angeklagten sehr leicht gemacht. Sie plädierte auf eine Haftstrafe von „maximal zwei Jahren auf Bewährung“ und 2000 Euro Zahlung an eine wohltätige Einrichtung oder Organisation.
Das Schöffengericht verurteilte den 65-Jährigen zu einem Jahr Gefängnis, das für zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt ist. Außerdem hat der Mann 2400 Euro an eine Homberger Schule zu überweisen, „weil das Ihrem ursprünglichen Motiv, Jugendliche in der Ausbildung zu unterstützen, entspricht“, begründete Richterin Corinna Eichler.
Sie und die zwei Laienrichter blieben deutlich unter dem Antrag der Staatsanwaltschaft, weil sie nicht 110 einzelne Taten identifizierten, sondern deutlich weniger: 40. „Denn mit einem Tastendruck, einer einzigen Handlung am Computer, wurden zumeist an einem Datum mehrere Überweisungen getätigt“, erklärte die Richterin.
Der Angeklagte nahm das Urteil an. Die Staatsanwaltschaft prüft, ob sie auf Berufung verzichtet.
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