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Heilbäder wollen neuen Rettungsschirm bei verdreifachtem Zuschuss

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Von: Matthias Schuldt

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Kurschattenbrunnen Bad Wildungen mit symbolisiertem Corona-Rettungsschirm
Die Hessischen Heilbäder verlangen einen neuen, vergrößerten Corona-Rettungsschirm für die Kliniken. Die Verbandsführung stellte diese Forderung im Anschluss an die Tagung der Heilbäder in Bad Wildungen auf, wo der Kurschattenbrunnen das Metiere der Kurorte symbolisiert (Foto). © Matthias Schuldt

„Der Corona-Rettungsschirm für die Kliniken ist im Juni ausgelaufen. Wir verlangen, ihn wieder einzurichten“, sagt Almut Boller.

Mehr noch: Die Geschäftsführerin des Hessischen Heilbäderverbandes und dessen Vorsitzender, der Zwestener Bürgermeister Michael Köhler, fordern eine Corona-Kompensation von 18 Euro pro Patient für Reha-Kliniken und 24 Euro pro Patient für Akut-Krankenhäuser. Das entspricht einer Verdreifachung der Zuschüsse, die es bis Juni gab.

Köhlers Wildunger Amtskollege Ralf Gutheil, ebenfalls im Vorstand, erläutert den Hintergrund des Vorstoßes des Verbandes in Anschluss an eine Tagung in Bad Wildungen: „Unsere Reha-Kliniken fahren mit einer Auslastung von nur 80 Prozent.“ Um wirtschaftlich auf Dauer lebensfähig zu sein, bräuchten sie aber eine Quote von 90 bis 95 Prozent, ergänzt Almut Boller. Seine Einschätzung der Lage gründe der Heilbäderverband auf Gespräche mit den Fachverbänden der Kliniken.

Zwei Reha-Kliniken in Hessen bereits in Insolvenz

Beispiel Bad Wildungen: Vor Corona lagen die Übernachtungszahlen bei 1,2 Millionen bis 1,3 Millionen pro Jahr. „2022 kommen wir auf eine Million Übernachtungen“, sagt Gutheil.

Er und die übrigen Bürgermeister im Bundesland fürchten, dass zwei Klinik-Insolvenzen jüngst in Bad Soden-Salmünster den Beginn einer dramatischen Abwärtsentwicklung der Branche markieren, falls der Bund nicht den großen Schirm aufspannt. Aus Perspektive des Interessenverbandes ergeben steigende Kosten für die Kliniken im Verein mit gesunkenen Einnahmen eine bedrohliche Gemengelage. Diese gefährde die Reha-Kliniken als Säule des Gesundheitswesens, auf welche die Gesellschaft in Zukunft eher mehr als weniger angewiesen sei.

Geringere Einnahmen für Kliniken nach Auslaufen des Corona-Rettungsschirms

„Nach wie vor wird in den Krankenhäusern, die weiterhin Betten für Corona-Patienten frei halten müssen, weniger operiert“, erklärt Ralf Gutheil. Als Folge verzeichneten die Reha-Kliniken weiterhin weniger Anschlussheilbehandlungen (AHB). Nach dem Auslaufen des Rettungsschirms müssten Akut- wie Reha-Häuser daher geringere Einnahmen verkraften.

Fordern einen neuen, größeren Rettungsschirm für Heilbäder und ihre Kliniken: (von links) Almut Boller, Michael Köhler und Ralf Gutheil im Namen des Hessischen Heilbäderverbandes (an der Wildunger Wandelhalle).
Fordern einen neuen, größeren Rettungsschirm für Heilbäder und ihre Kliniken: (von links) Almut Boller, Michael Köhler und Ralf Gutheil im Namen des Hessischen Heilbäderverbandes (an der Wildunger Wandelhalle). © Matthias Schuldt

„Rückzahlungsforderungen aus dem Rettungsschirm belasten die Kliniken zusätzlich“, erklärt Almut Boller. Denn die Vorauszahlungen aus dem Schirm hätten sich an der Bettenzahl bemessen. Abgerechnet werde aber nach behandelten Patienten, sodass oft Rückzahlungen fällig würden, ergänzt sie.

Dauerhaft gestiegene Kosten als Folge der Corona-Krise

Dem stehen dauerhaft gestiegene Kosten in Folge der Corona-Hygienevorgaben gegenüber. „Bei Hochrisiko-Gruppen wie Krebspatienten in der Reha gelten sie ohnehin wie bisher“, erläutert Michael Köhler. Das bedeute, dass weniger Therapierte gemeinsam essen und sich der mit den Mahlzeiten verbundene Aufwand erhöhe oder dass Therapiegruppen zum Infektionsschutz kleiner gehalten würden.

Mittelbar sähen sich die Kliniken auch bei den weniger gefährdeten Patienten in der Pflicht, die seit der Pandemie verschärften Hygienevorgaben einzuhalten. „Die Ursache liegt im Controlling der Kostenträger, die Daten zur Patientenzufriedenheit nach einer Reha erheben“, erläutert Michael Köhler. Patienten wollten sich auf dem Weg ihrer Gesundung sicher vor Ansteckung in der Reha fühlen. Zu solchen der Pandemie geschuldeten, dauerhaft gestiegenen Kosten addieren sich höhere Löhne und Gehälter auf einem Arbeitsmarkt unter Fachkräftemangel sowie die enorme allgemeine Teuerung mit ihren rasant kletternden Energiepreisen.

Reha-Kliniken stehen vor neuen Aufgaben im Gesundheitswesen

Niemand weiß, ob die Zahl der Operationen in deutschen Krankenhäusern nach der Pandemie dauerhaft sinkt. Breite Kritik an vor allem zu vielen orthopädischen OPs wird seit Langem laut. Doch selbst wenn die Zahl der Rehas dieser Disziplin niedriger bleibt, sieht der Heilbäderverband den Bedarf an der Kompetenz der Reha-Kliniken wachsen.

„Die Behandlung der Spät- und Langzeitfolgen von Corona kommt hinzu und steckt noch in den Anfängen“, sagt Almut Boller. Im Vergleich zur Reha werde die Gesundheitsvorsorge in Fachkliniken an Bedeutung zulegen, erwartet Ralf Gutheil:„Auch der Bereich der psychosomatischen Reha wird weiter wachsen.“ Die Kliniken würden für all das gebraucht. „Jetzt gilt es, ihnen finanziell durch die Krise zu helfen, damit sie auch in Zukunft zur Verfügung stehen.“ (Matthias Schuldt)

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