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Erinnerung an Deportationen: Korbach tritt Riga-Komitee bei

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Von: Wilhelm Figge

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„Korbach setzt ein Zeichen“, unterstreichen (von links) Lieselotte Hiller, Jürgen Damm, Klaus Friedrich, Dr. Marion Lilienthal und Maike Bartsch.
„Korbach setzt ein Zeichen“, unterstreichen (von links) Lieselotte Hiller, Jürgen Damm, Klaus Friedrich, Dr. Marion Lilienthal und Maike Bartsch. © Wilhelm Figge

Im Deutschen Riga-Komitee erinnern dutzende Städte an die Deportation jüdischer Bürger. Korbach ist nun dazugestoßen.

Korbach – Die Stadt Korbach ist dem Deutschen Riga-Komitee beigetreten: Dabei handelt es sich um ein Bündnis aus 76 Städten, die gemeinsam an ihre 25 000 jüdischen Bürger erinnern, die 1941/42 nach Riga deportiert wurden – die überwiegende Mehrheit wurde in den Wäldern von Bikernieki und Rumbula, in den Lagern Jungfernhof und Salaspils ermordet.

Nach einer Ausstellung über die Deportationen, die Schüler der Alten Landesschule mitgestalteten, regten ihre Lehrerin Dr. Marion Lilienthal und Jürgen Damm, Ehrenvorsitzender des Volksbunds Deutsche Kriegsgräberfürsorge, an, dem Riga-Komitee beizutreten. Der für Pflege und Erhalt der Opfergräber zuständige Volksbund hatte das im Jahr 2000 gegründete Städtebündnis mit initiiert. Den Impuls vor Ort habe die Stadt selbstverständlich aufgegriffen, um an die Ermordeten aus ganz Waldeck-Frankenberg zu erinnern, erklärte Bürgermeister Klaus Friedrich. Allein aus Korbach, dem Altkreis Frankenberg und Vöhl wurden 43 Menschen deportiert.

Jürgen Damm zitierte aus Ermittlungsakten des Landgerichts Hamburg: Bei Eiskälte wurden Juden aus dem Rigaer Ghetto gezwungen, sich in einen Graben zu legen, in dem sie mit Genickschüssen getötet wurden. Die nächsten Opfer mussten sich auf die Toten legen. Schon vor den Deportationen wurden 25 000 Rigaer Juden erschossen, „um Platz zu schaffen“ für die aus Deutschland und Österreich herangebrachten.

Dr. Marion Lilienthal erinnerte an Einzelschicksale: etwa an Siegfried Kaufmann, der erlebte, wie ein SS-Soldat seine fünfjährige Tochter erschlug. Oder an Erika Oppenheimer, die die Kleidung der Ermordeten sortieren musste – und in manchem Hemd noch einen Arm fand. „Die wenigen Überlebenden haben sehr dezidiert auf diese Schicksale verwiesen“, hielt Marion Lilienthal fest und verweist auch auf das Gedenkportal Korbach. Mit dem Blick auf die einzelnen Menschen werde das Geschehene greifbar, unterstrich Maike Bartsch, Regionalbeauftragte Hessen Nord beim Volksbund.

„Die Mitgliedschaft Korbachs im Riga-Komitee soll einen Beitrag zu unserer Erinnerungskultur leisten“, hielt Friedrich fest. Es gehe um Arbeit mit jungen Menschen, aber auch um Aktionen mit den Bürgern – auch, aber nicht nur an Gedenktagen: „Erinnerungskultur definiert sich nicht nur über den 9. November und 27. Januar.“

Korbach verewigt sich nicht nur an der Gedenkstätte in Bikernieki, die im Riga-Komitee vertretenen Städte tauschen sich auch aus, hielt Maike Bartsch fest. Die Mitgliedschaft bette die Erinnerung institutionell ein und verleihe ihr Kontinuität. Der Volksbund unterstütze zudem mit einem breiten Bildungsangebot – nicht nur für Schüler, sondern auch für Erwachsene, etwa mit Fahrten zu Kriegsgräbern.

„Manche sagen, sie können es nicht mehr hören – gerade sie müssen es hören“, unterstrich Stadtverordnetenvorsteherin Lieselotte Hiller. Jürgen Damm erinnerte daran, dass Erinnerung „nur die Voraussetzung ist, Verantwortung zu übernehmen.“ Weiterhin würden Menschen zu Feinden gemacht, weil sie anders sind, würden in vermeintlichen Einzelfällen, in Kriegen oder Lagern ihrer Würde und Rechte beraubt. Es lohne, für Vielfalt zu kämpfen: „Damit Menschen nicht wieder zu Nummern werden, deren Leben, deren Träume in Lagern oder Wäldern brutal beendet werden.“ (wf)

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