Optik und Finanzierung des 31-Millionen-Projekts vorgestellt " href="https://www.wlz-online.de/waldeck/willingen/wie-das-lagunenbad-in-willingen-nach-dem-neubau-aussehen-soll-90083624.html?trafficsource=ECRslide">
Wie genau entdeckt man eigentlich eine neue Art?
Es klingt recht einfach: Man geht in einen Wald, in dem vorher noch niemand war, und schaut nach. Aber so simpel ist es natürlich nicht. Man braucht gute Kenntnisse über die Tierart und ihre Verwandten in der Gruppe sowie über das Gebiet. Dann kann man nach guter Planung in diese Wälder fahren, die Tiere beobachten und vermessen und hinterher anhand von genetischen Methoden feststellen, ob es tatsächlich eine neue Art ist.
Wann ist eine neue Art denn eine neue Art?
Sie muss sich genetisch deutlich von den bekannten Arten unterscheiden; einen anderen Körperbau aufweisen, beispielsweise eine andere Fellfärbung, einen längeren Schwanz, einen breiteren Kopf; und andere Ansprüche an den Lebensraum haben.
Was ist das Bemerkenswerte an Jonah’s Mausmaki?
Im Vergleich zu den anderen 24 Arten der Mausmakis ist diese relativ groß und zeichnet sich durch eine relativ helle Bauchfärbung aus – die am nächsten verwandte Art ist da eher gelb-orange. Zudem kommt sie nur in einem bestimmten Gebiet vor, in dem keine andere Art zuhause ist.
Es gibt also viele verschiedene Arten dieser Mausmakis, mit vielen kleinen Unterschieden. Inwiefern ist diese Vielfalt wertvoll?
Es geht darum, was für Funktionen Arten in einem Ökosystem haben. Beispielsweise ist für Lemuren bekannt, dass viele davon Samen verbreiten. Und nur darüber kann ein Wald, in diesem Falle ein Regenwald, funktionieren. Wenn verschiedene Tiere einer Kette ausfallen, kann das ganze Ökosystem geschädigt werden. Bei neuen beschriebenen Arten wissen wir nicht, was ihre Funktion ist. Aber es ist wichtig, die Artenvielfalt zu kennen, um sie zu schützen.
Und verschiedene Arten agieren unterschiedlich mit der Umwelt?
Genau. Die Mausmakis gehören zu den Lemuren – da gibt es mehr 100 verschiedene, aber unterschiedlich große Arten. Die größten mit ungefähr acht Kilogramm können natürlich ganz andere Funktionen in einem Ökosystem übernehmen als die kleinen, 60 Gramm schweren Mausmakis.
Werden noch viele Säugetier-Arten entdeckt oder ist das ein seltener Höhepunkt für einen Biologen?
Das ist wirklich ein seltener Höhepunkt, gerade was die Forschung an Primaten angeht. Die letzte neuentdeckte Säugetierart, an die ich mich erinnere, war Anfang des Jahres ein Roter Panda in Asien: Anhand neuer genetischer Methoden ließ sich feststellen, dass der Rote Panda nicht nur eine Art ist, sondern zwei verschiedene.
Wie sind Sie zu diesem Beruf und zu diesem Projekt gekommen?
Ich habe 2011 an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf angefangen, Biologie zu studieren. Im Grundstudium bin ich allerdings zur Erkenntnis gelangt, dass ich mich lieber im Naturschutz und in der Ökologie engagieren möchte und bin darüber an die Universität in Hildesheim gekommen, in den Studiengang Umwelt-, Naturschutz- und Nachhaltigkeitsbildung. Für meine Masterarbeit bin ich nach Madagaskar gereist, um Lemuren zu untersuchen – und wie sich menschliche Einflüsse in ihrem natürlichen Lebensraum auswirken.
Wie kamen da Forscher aus sechs Ländern zusammen?
Die Forschung an Mausmakis war in den vergangenen Jahren vor allem dadurch geprägt, dass viele verschiedene Forschergruppen Teile der Insel erforscht haben. Aber nun erfordern neue Forschungsmethoden, große Datensätze zur Bearbeitung. Also haben sich alle führenden Mausmaki-Forscherinnen und Forscher zusammengeschlossen und ihre Datensätze vereint. Daraus ist dann 2018 dieses Projekt entstanden und als erstes großes Ergebnis ist die Beschreibung der neuen Art entstanden.
Wie geht es weiter?
Wir haben das Ziel, die nun bekannten 25 Mausmaki-Arten zu untersuchen, alles mit der gleichen Methodik darzustellen und dann zu schauen, welche Arten tatsächlich Bestand haben. Man stellt ja erst mal eine Hypothese auf: „Mit den Daten, die ich vorliegen habe, bin ich der Meinung, dass wir eine neue Art gefunden haben.“ Die Hypothese hat aber nur so lange bestand, bis man sie mit vielleicht besseren Methoden oder einer anderen Untersuchungsweise widerlegen kann. Wir konnten beispielsweise schon sagen, dass zwei Arten, die 2005 und 2006 beschrieben worden sind, vermutlich nur eine einzige sind – mehr Daten aus dem Feld und neue Methoden konnten das zeigen. Das ist ein natürlicher Prozess in der Wissenschaft. Wir sind allerdings sicher, dass die Beschreibung von Jonah’s Mausmaki dieser Überarbeitung nicht zum Opfer fallen wird.
Es gibt also noch mehr zu entdecken?
Wir forschen auf jeden Fall weiter. Wir wollen genau aufklären, wo die Art vorkommt und wie sie entstanden ist – das ist immer noch nicht ganz bekannt, wir wollen aber ihren kompletten Lebensraum untersuchen. Wir wollen feststellen, was diese Art für ökologische Ansprüche hat, was für eine Rolle sie im Ökosystem spielt und darüber hinaus schauen, was dort noch vorkommt – also mal eine richtige Inventur machen von einem Gebiet, das aufgrund seiner Unzugänglichkeit zuvor so gut wie gar nicht erforscht wurde.
Dominik Schüßler (29) stammt aus Willingen, wo er auch zur Schule ging. Er begann sein Studium in Düsseldorf, wechselte aber nach Hildesheim, wo er noch Doktorand am Institut für Biologie und Chemie der Universität Hildesheim ist. Neben der Arbeit treibt er viel Sport, bis zum Ende seiner Schulzeit betrieb er Biathlon als Leistungssport. Fitness sei eine Voraussetzung seiner Arbeit in Madagaskar: wo er steiles Gelände bei feuchter Hitze zu Fuß durchquert.
Von der Nasen- bis zur Schwanzspitze misst Jonah’s Mausmaki rund 26 Zentimeter, mit einem Körpergewicht von rund 60 Gramm ist er ein echtes Fliegengewicht, erklärt die Universität Hildesheim in einer Pressemitteilung zur Entdeckung, die ihr Doktorand gemacht hat. Die kleinen nachtaktiven Primaten leben in einer begrenzten Region in den Tieflandregenwäldern Nordost-Madagaskars und ernähren sich von Insekten und Früchten.
Obwohl Jonah’s Mausmaki gerade erst wissenschaftlich beschrieben wurde, ist er bereits vom Aussterben bedroht. Der Verlust des natürlichen Lebensraums und der stete Landnutzungswandel führen zur Isolation von Populationen, was schnell zu ihrem Verschwinden führen kann. Doch es gibt Hoffnung: Eine ganze Generation von Naturschützerinnen und Naturschützern aus Madagaskar und anderen Teilen der Welt setzt sich intensiv für den Erhalt von Arten und ihrer Lebensräume ein. Eine Symbolfigur hierfür ist Professor Jonah Ratsimbazafy geworden. Sein langjähriger und unermüdlicher Einsatz für den Schutz der natürlichen Ressourcen des Landes haben ihn zum Vorbild einer ganzen Generation gemacht.
Das Forscherteam auf Madagskar setzt sich aus Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus sechs Ländern zusammen. Für die Neuentdeckung war, mit Dominik Schüßler, Professorin Ute Radespiel maßgeblich.(Wilhelm Figge)