Deutschland überstimmt: EU-Energieminister einigen sich auf Gaspreisdeckel
Seit Monaten streiten die EU-Länder um einen europäischen Gaspreisdeckel. Jetzt stimmten die Energieminister dafür. Deutschland sträubte sich.
Update vom 19. Dezember, 17.01 Uhr: In der Europäischen Union sollen die Großhandelspreise für Gas künftig unter bestimmten Umständen gedeckelt werden. Die Energieminister der EU-Staaten einigten sich am Montag auf die Möglichkeit eines solchen drastischen Markteingriffs, wie eine Sprecherin des EU-Ministerrats mitteilte.
Der Gaspreis am Handelsplatz TTF soll unter bestimmten Bedingungen die Grenze von 180 Euro pro Megawattstunde nicht übersteigen dürfen, erfuhr die Deutsche Presse-Agentur von Diplomaten. Deutschland hat demnach dafür gestimmt. Zuletzt lag der Gaspreis am TTF am Montag um 110 Euro pro Megawattstunde. Im August erreichte der Preis am TTF einen Höchststand von über 340 Euro pro Megawattstunde.
Die Bundesregierung hatte sich lange gegen einen solchen Mechanismus gesträubt. Sie hatte befürchtet, dass dann die Versorgungssicherheit gefährdet wäre, weil Lieferanten ihr Gas etwa an asiatischen Märkten verkaufen könnten, wo sie höhere Preise erzielen könnten. Das Vorhaben betrifft grundsätzlich Großkunden, die am TTF handeln - nicht Endverbraucher, wie etwa bei der Gaspreisbremse der Bundesregierung. Verbraucherpreise werden indirekt durch die Preise im Großhandel beeinflusst.
Erstmeldung: Brüssel – Wie lässt sich die Energiekrise in Europa am besten lösen? Seit Monaten streiten die Energieminister und Energieministerinnen der EU-Länder darüber, ob es als Mittel gegen die hohen Preise einen einheitlichen Deckel auf die Gaspreise geben soll. In Brüssel beraten am Montag die 27 Vertreterinnen und Vertreter erneut darüber.
Worum geht es beim Gaspreisdeckel der EU?
Die Mehrheit der 27 EU-Länder wirbt mit Nachdruck für einen gemeinsamen Gaspreisdeckel. Dazu gehören Länder wie Italien und Spanien, aber auch Frankreich und Belgien, wo es Proteste gegen die massiv gestiegenen Preise gab. Eine solche Obergrenze für die Großhandelspreise für Gas soll eine von mehreren Maßnahmen der EU sein, um die hohen Energiepreise für die Verbraucherinnen und Verbraucher sowie die Industrie zu senken.
Europäischer Gaspreisdeckel: Warum hat Deutschland Bedenken?
Deutschland hat starke Bedenken bei einem Preisdeckel und fürchtet Versorgungsengpässe, wenn ein solcher eingeführt wird. Der „Eingriff in den Markt“ sei „mit Bedacht“ vorzunehmen, sagte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) vor dem Treffen mit seinen Amtskollegen in Brüssel.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte sich beim EU-Gipfel in der vergangenen Woche zuversichtlich geäußert, dass die Energieminister ein „sehr gutes Ergebnis“ erzielen könnten. Zugleich müsse die Preisobergrenze für den Großhandel so hoch sein, dass sie möglichst „niemals relevant“ werde, betonte er.
Wie könnte ein Kompromiss aussehen?
Viele Mitgliedsländer hatten einen Deckel nach dem Modell gefordert, wie es ihn bereits in Spanien und Portugal gibt. Die dort angewandte Regelung sieht vor, dass die Gaskosten von Stromversorgern gedeckelt werden, um die Strompreise zu senken. Die Differenz zum Marktpreis wird vom Staat ausgeglichen. Dagegen hatte sich Habeck bislang ausgesprochen.
Mitte November legte die EU-Kommission dann einen Vorschlag vor, mit dem eine Obergrenze nur unter hohen Auflagen im europäischen Großhandel für Gas greifen würde. Für diesen sogenannten Marktkorrekturmechanismus zeigte sich Deutschland offen, andere Länder sahen ihn als zu lasch an. Die spanische Energieministerin Teresa Ribera bezeichnete den Kommissionsvorschlag als „schlechten Scherz“.
Als Kompromiss schlägt die tschechische Ratspräsidentschaft, die die Verhandlungen leitet, laut mehreren Ländern einen Preisdeckel von 188 Euro pro Megawattstunde vor. Neben Deutschland fordern auch die Niederlande und Österreich starke Sicherheitsgarantien, wie mit einer Obergrenze zu verfahren ist, wenn Versorgungsprobleme auftauchen.
EU und Energiekrise: Was ist sonst geplant?
Zur Bekämpfung der hohen Energiepreise einigten sich Habeck und seine Amtskollegen Ende November informell auf kürzere Genehmigungsverfahren beim Ausbau von Solaranlagen und Wärmepumpen. Diese dauern nach Ansicht der EU derzeit noch zu lange. Darüber hinaus sollen gemeinsame Gaskäufe der Mitgliedsländer teilweise verpflichtend werden.
Die Idee dabei ist, dass die EU dadurch mehr Marktmacht hat und bessere Preise auf dem Weltmarkt erzielen kann. Nach jetzigem Stand sollen die Mitgliedsländer für mindestens 15 Prozent der Füllung ihrer Gasspeicher die gemeinsame Einkaufsplattform nutzen. Endgültig beschlossen ist das aber noch nicht: Erst wenn es auch eine gemeinsame Linie für einen Gaspreisdeckel gibt, wollen Länder wie Belgien ihre finale Zustimmung zu diesen beiden Maßnahmen geben. (lma/AFP)